Steigende Einkaufskosten

US-Einzelhändler kämpfen gegen Zollchaos an

US-Präsident Donald Trump behauptet, dass seine Handelspolitik keine Mehrbelastungen für Verbraucher nach sich zieht. Doch Amerikas führende Einzelhändler spielen dabei nicht mit.

US-Einzelhändler kämpfen gegen Zollchaos an

US-Einzelhändler kämpfen gegen Zollchaos an

Walmart und Rivalen müssen steigende Einkaufskosten stemmen – Warnung vor wachsender Belastung für Verbraucher verstimmt Trump

US-Präsident Donald Trump behauptet, dass seine Handelspolitik keine Mehrbelastungen für Verbraucher nach sich zieht. Doch Einzelhändler spielen dabei nicht mit, Walmart warnt vor Kostensteigerungen. Für Investoren liefert die Kommunikation der Retailer nun entscheidende Hinweise zur Inflationsentwicklung.

xaw New York

Amerikas führende Einzelhändler ziehen derzeit den Unmut des Weißen Hauses auf sich. Denn die Retail-Giganten spielen bei dem von US-Präsident Donald Trump verbreiteten Narrativ, gemäß dem seine Strafzölle keine Mehrbelastungen für Verbraucher nach sich ziehen, nicht mit. Seitdem die „Tariffs“ wirksam seien, müsse Walmart beim Auffüllen der Lagerbestände „jede Woche aufs Neue Kostensteigerungen“ hinnehmen, sagte Doug McMillon, CEO des Branchenprimus, im Rahmen der Zahlenvorlage zum zweiten Quartal des aktuellen Geschäftsjahres.

Einkaufskosten ziehen an

Noch wirkten sich die Zölle zwar eher schrittweise aus, sodass bisher kein harter Bruch im Konsumverhalten zu beobachten sei. Doch dürften die Einkaufskosten auch über das dritte und vierte Quartal hinweg noch anziehen, da altes Inventar aufgebraucht sei und nun mit „Tariffs“ belegte Produkte die Regale dominierten. Walmart hatte bereits bei der Zahlenvorlage im Mai klargemacht, dass der Konzern die Belastungen zumindest teilweise an Kunden weiterreichen muss.

„Walmart sollte aufhören, die Schuld für steigende Preise über die Lieferkette hinweg bei den Zöllen zu suchen“, ereiferte sich Trump daraufhin auf seiner Plattform Truth Social. Der Einzelhändler solle die „Tariffs“ schlucken und „geschätzten Kunden nichts berechnen“, so der Präsident.

Börsen-Zeitung, ben/iGrafik.de

Tatsächlich absorbiert Walmart bisher noch einen Großteil der Mehrkosten. „Wir halten unsere Preise so niedrig, wie wir können“, sagte McMillon – dadurch ist es Walmart zuletzt gelungen, über alle Verbrauchersegmente hinweg Marktanteile zu gewinnen. Die Erlöse auf gleicher Verkaufsfläche legten im zweiten Geschäftsquartal zum Vorjahr um 4,6% zu, während andere große Einzelhändler wie Target oder die Baumarktkette Home Depot Rückgänge um 1,9% bzw. 1% hinnehmen mussten. Beim erstgenannten Allrounder, der anders als Walmart viele innerstädtische Filialen in Metropolen wie New York betreibt, sorgten zu hohe Preise bei einem knapperen Sortiment schon seit 2021 für Kundenbeschwerden.

Zuletzt kündigte Target, deren Image auch unter Kontroversen um ihre Diversitätsinitiativen und -Produktaktionen gelitten hat, einen CEO-Wechsel an. Chief Operating Officer Michael Fiddelke löst im kommenden Februar den langjährigen Vorstandschef Brian Cornell ab, der wiederum an die Spitze des Verwaltungsrats rückt. Der designierte CEO macht auch Probleme durch Pandemie-bedingte Verwerfungen in der Lieferkette für den Abwärtstrend bei Target verantwortlich – der Branchenverband Retail Leaders Industry Association geht trotz geschlossener Handelsvereinbarungen insbesondere aufgrund anhaltender Spannungen zwischen den USA und China von weiteren Problemen bei der Einfuhr von Produkten aus.

Gewinnentwicklung enttäuscht

Wie McMillon betont, beginnen Verbraucher schwächerer Einkommensschichten damit, den Gürtel enger zu schnallen. Gerade in Produktkategorien abseits des Basiskonsums gehe der Absatz bereits zurück, so der Manager. Zuletzt hat Walmart die Prognose für das Erlöswachstum im Geschäftsjahr zwar auf 3,75 bis 4,75% angehoben, nachdem der Konzern zuvor von 3 bis 4% ausgegangen war. Doch die höheren Einkaufspreise sorgen bereits für Belastungen der Margen: Der um Einmaleffekte bereinigte Gewinn pro Aktie legte gegenüber dem Vorjahr zuletzt minimal auf 68 Cent zu, Analysten waren von 73 Cent ausgegangen – dass Walmart die Erwartungen der Wall Street so deutlich verfehlt, kommt selten vor.

Die Kommunikation der Einzelhändler ist für Investoren indes zur Wetterfahne hinsichtlich der Inflationsentwicklung geworden. Mitte August veröffentlichte Daten zeigen zwar, dass der Anstieg der Verbraucherpreise zum Vorjahr im Juli konstant geblieben ist – doch die bei Notenbankern viel beachtete Kernrate der Inflation zog mit einem Zuwachs von 3,1% so deutlich an wie seit fünf Monaten nicht und damit stärker als erwartet.

Fed lässt sich Hintertür offen

Zwar hob Jerome Powell, Vorsitzender der Federal Reserve, bei seiner Rede auf dem Notenbankertreffen in Jackson Hole in der vergangenen Woche die Schwäche des Arbeitsmarkts hervor und fachte damit Spekulationen über eine Zinssenkung im September an. Doch ließ sich der oberste US-Währungshüter eine Hintertür offen: „Es ist jedoch auch möglich, dass der Aufwärtsdruck auf die Preise durch Zölle eine dauerhaftere Inflationsdynamik auslösen kann“, sagte Powell.

Auf die Einzelhändler und ihre Kunden kommen damit laut Analysten noch schwere Herausforderungen zu. Der Index des Think Tank Conference Board für das Verbrauchervertrauen fiel im August zum Vormonat um 1,3 Zähler auf 97,4 Punkte, wobei insbesondere Sorgen um Jobaussichten und Einkommensentwicklung zur Belastung wurden. Das Barometer für die Konsumentenerwartungen rutschte um 1,2 Zähler auf 74,8 Punkte ab und befindet sich damit deutlich unter der Marke von 80, die auf eine drohende Rezession hinweist. Ein anhaltender Wirtschaftsabschwung würde es auch für Retail-Riesen wie Walmart laut Ökonomen deutlich schwieriger machen, Preisanstiege wie von Trump gefordert zu absorbieren.