Slack-Europachef

Von Abschwächung keine Spur

Slack muss den gigantischen Kaufpreis von 28 Mrd. Dollar, den Salesforce bezahlt, durch hohe Wachstumsraten rechtfertigen. In Deutschland legt der Anbieter von Bürokommunikation derzeit nach den Worten von Europachef Johann Butting am stärksten zu.

Von Abschwächung keine Spur

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Die Übernahmeverhandlungen mit Slack waren für den SAP-Rivalen Salesforce im vergangenen Jahr ein Wettlauf gegen die Zeit; denn auch die Aktien des defizitären Bürokommunikationsdienstes, dessen internetbasierte Enterprise-Messaging-Plattform in Zeiten von Homeoffice besonders gefragt war, wurden während der Pandemie zu Himmelsstürmern. Sie legten im Jahresverlauf 2020 in der Spitze um 45% zu. Am Ende musste Salesforce auf das Jahreshoch von 35 Dollar noch mal eine rechnerische Prämie von rund 28% drauflegen. Der Kaufpreis wurde mit 28 Mrd. Dollar in bar und in Salesforce-Papieren vereinbart. Ein stolzer Preis für ein Unternehmen, das im Fiskaljahr 2021 (per 31.1.) gerade mal 902 Mill. Dollar Umsatz und einen Verlust von 283 Mill. Dollar einfuhr.

Das Wachstumstempo hatte unterdessen in der Pandemie auf 43% angezogen, eine Dynamik, die sich länger fortsetzen muss, um den Kaufpreis in Höhe des 28-fachen Umsatzes für Salesforce zu rechtfertigen. Slack-Europachef Johann Butting sieht diese Herausforderung jedoch gelassen. „Die Geschäfte laufen gut, von Abschwächung spüren wir nichts“, betont der Manager im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Salesforce hofft die Dynamik auch dadurch zu halten, dass Slack weiterhin vom bisherigen Management geführt werden und unabhängig agieren soll, also auch jenseits der Kundenbasis von Salesforce. Im ersten Quartal, das in der Branche in der Regel etwas schwächer ist als im Jahresverlauf, stiegen die Erlöse um 36% auf 273 Mill. Dollar, die operativen Verluste wurden auf 55,2 (76,2) Mill. Dollar eingedämmt. Unterm Strich reduzierte sich der Verlust um 62% auf 28 Mill. Dollar.

Während der Fernwartungssoftware-Anbieter Teamviewer die Sonderkonjunktur des Pandemiejahres im laufenden Turnus nicht fortsetzen konnte, ist Butting für Slack optimistisch. Recherchen hätten gezeigt, dass der weit überwiegende Teil von Unternehmen nicht mehr zur klassischen Arbeitsorganisation mit maximaler Büropräsenz zurückkehren werde. „Arbeiten wird hybrid und asynchron“, fasst der Manager zusammen. Dafür biete die Slack-Plattform die geeigneten Lösungen. Entsprechend groß ist die Kundenresonanz. Unter den europäischen Kernmärkten Deutschland, Großbritannien und Frankreich, „wächst das Geschäft in Deutschland derzeit am stärksten“, so Butting. Die Zahl der Neukunden hierzulande habe sich „binnen zwölf Monaten verdoppelt“.

Zu den Kunden zählen zwei Drittel der Dax-Unternehmen und diverse „Hidden Champions wie Viessmann oder Jägermeister“. Stark vertreten ist Slack inzwischen in der gesamten Automobilbranche und auch bei Finanzdienstleistern wie der Deutschen Börse.

Die Slack-Kommunikationsplattform überzeugt Butting zufolge als „wirklich offenes Ökosystem“. Inzwischen habe das 2009 in Vancouver gegründete Unternehmen „über 2500 kompatible Software-Applikationen zertifiziert“. Dies erleichtere den Kunden die Integration von Slack in ihre spezifischen IT-Systeme. Eine wichtige Triebfeder des Geschäfts ist in den Augen des Managers die durch dezentrales mobiles Arbeiten weiter steigende Gefahr von Cyberattacken für die Unternehmen. „Das größte Einfallstor für Schadsoftware ist nach wie vor die E-Mail.“ Mit dem Öffnen von Anhängen gelangen die Hacker in die IT-Systeme, der Schaden ist oft immens. Slack könne als alternative Kommunikationsplattform auch dieses Risiko für die Kunden minimieren.

Im Gefecht mit Microsoft

Das Unternehmen hat Butting zufolge kaum direkte Wettbewerber. „Jedenfalls bieten sie alle nicht das Gleiche.“ Jedoch muss sich Slack insbesondere mit einem schwergewichtigen Konkurrenten herumschlagen, dessen Marktmacht schon andere in die Knie gezwungen hat. Microsoft, die mit der Einführung von Windows selbst nach eigenem Bekunden ein offenes Ökosystem bauen will, tritt vor allem mit dem Videokonferenzprogramm Teams gegen Slack an. Teams hat 2020 einen Siegeszug durch die Unternehmenslandschaft angetreten und liefert sich beim Marktanteil ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Cisco-Software Webex. Um die Verbreitung des eigenen Programms maximal zu fördern, ist Teams nun kostenlos in Windows 11 und in Office integriert.

Was von den einen als „Kundenservice“ bezeichnet wird, ist für die anderen „unlauterer Wettbewerb“. Slack hat bei der EU-Kommission Beschwerde gegen Microsoft eingelegt. „Auswahl ist besser als Abriegelung, offen ist besser als geschlossen, und fairer Wettbewerb ist das Beste von allem. Leider hat Microsoft das nie so gesehen“, kommentierte die junge Firma den Schritt der Gates Company. Tatsächlich erinnert die strategische Taktik von Microsoft an den Browserkrieg mit Netscape.

Das kalifornische Start-up entwickelte vor Microsoft einen Internet-Navigator. Der Softwareriese, der die Gefahr durch das neue Medium und den Netscape Browser 1995 erkannte, brachte damals den Internet Explorer auf den Markt – als kostenlosen Bestandteil von Windows. In den langwierigen Auseinander­setzungen mit Microsoft vor den Kartellbehörden bekam Netscape am Ende recht, aber das nützte dem Unternehmen wenig; der Marktanteil des Internet Explorers war dem des kleinen Wettbewerbers schon lange enteilt.

Auch heutzutage haben Wettbewerbsverfahren noch immer eine viel zu lange Dauer, um den geschädigten Unternehmen effektiv und rechtzeitig zu helfen. Die EU-Kommission hat dabei mit neuen Eingriffsrechten, die schnelle oder sogar vorbeugende Unterlassungsanordnungen zur Folge haben können, aufgerüstet. Slack kann also darauf hoffen, dass die Entscheidungen diesmal schneller fallen.