Wegen abnehmender Marktvolatilität

Deutsche Börse verliert im zweiten Quartal an Rückenwind

Nach einem unerwartet starken Handelsgeschäft zum Jahresauftakt haben Aktionäre auf eine höhere Gewinnprognose gehofft. Doch nach dem zweiten Quartal bremst die Deutsche Börse die Erwartungen.

Deutsche Börse verliert im zweiten Quartal an Rückenwind

Deutsche Börse verliert Rückenwind

Volatilität an den Märkten geht im zweiten Quartal zurück – Kontroverse Debatte um 24-Stunden-Handel

phh Frankfurt

Nach einem starken Handelsgeschäft zum Jahresauftakt haben Aktionäre auf eine höhere Gewinnprognose gehofft. Doch nach einem normalen zweiten Quartal bremst die Deutsche Börse die Erwartungen. Auch bei der kontrovers diskutierten Frage nach einem 24-Stunden-Handel zeigt sie sich zurückhaltend.

Die Deutsche Börse verzeichnet im zweiten Quartal erneut steigende Umsätze und Gewinne, aber hebt die Prognose für das Gesamtjahr nicht an. Nach einem außergewöhnlich starken Handelsgeschäft im ersten Quartal hatte Finanzchef Gregor Pottmeyer Ende April eine Prognoseerhöhung zwar nicht versprochen, aber bei anhaltender Aktienmarktvolatilität in Aussicht gestellt.

Doch die Märkte haben sich im zweiten Quartal beruhigt, weshalb die Deutsche Börse ihre Ziele für das Gesamtjahr „nur“ bestätigt, wie sie im Rahmen der Präsentation ihrer Quartalszahlen Ende der Woche mitteilte. Demnach sollen die Nettoerlöse ohne Treasury-Ergebnis bis zum Jahresende wie geplant auf rund 5,2 Mrd. Euro steigen – bei einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von rund 2,7 Mrd. Euro. Der Vorstand erwartet außerdem einen Treasury-Gewinn von 800 Mill. Euro.

Es war das letzte Mal, dass Pottmeyer am Freitagnachmittag im Rahmen einer Telefonschalte Analysten durch das Zahlenwerk der Deutschen Börse führte. Der langjährige Finanzchef übergibt den Posten zum Oktober an Jens Schulte, der sich am Freitag bereits kurz den Analysten präsentierte. Diese machten sehr deutlich, welch hohe Meinung sie von Pottmeyer haben und welch große Fußstapfen er hinterlassen wird.

Rückläufiges Treasury-Ergebnis

Im zweiten Quartal stiegen die um das Treasury-Ergebnis bereinigten Nettoerlöse um 10% auf rund 1,3 Mrd. Euro. Die operativen Kosten legten um 3% auf 620 Mill. Euro zu, sodass unterm Strich ein bereinigter Ebitda-Zuwachs um 19% auf 684 Mill. Euro zu Buche stand. Das Treasury-Ergebnis fiel mit 274,5 Mill. Euro im zweiten Quartal um ein Viertel schlechter aus als im Vorjahreszeitraum, als die Deutsche Börse noch kräftig von dem gestiegenen Zinsniveau profitiert hatte.

Finanzchef Gregor Pottmeyer hatte Aktionäre im April noch auf eine Prognoseanhebung der Deutschen Börse hoffen lassen.
Finanzchef Gregor Pottmeyer hatte Aktionäre im April noch auf eine Prognoseanhebung der Deutschen Börse hoffen lassen.
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Wie bereits im ersten Quartal verzeichnete die Deutsche Börse auch im zweiten Quartal die größten Nettoerlöszuwächse im Trading- und Clearing- sowie im Fondsdienstleistungsgeschäft mit Zuwächsen von 14%, beziehungsweise 15%. Im Segment Investment Management Solutions (IMS) hingegen standen lediglich 4% Nettoerlöswachstum zu Buche. Dafür legte dort das Ebitda um 31% zu und stieg damit deutlich stärker als im Trading und Clearing, wo der Gewinn um 19% stieg.

Normalisierung im Handelsgeschäft

Verglichen mit dem ersten Quartal nahm das Handelsvolumen im zweiten Quartal wieder etwas ab, lag aber immer noch deutlich über Vorjahresniveau. Im April verzeichnete die Deutsche Börse an den Kassamärkten ein Handelsvolumen von 188,4 Mrd. Euro. Das sind 58% mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Der Mai schloss mit einem Handelsvolumen von 152,2 Mrd. Euro 33,3% über Vorjahr und der Juni lag mit 138 Mrd. Euro um 29,3% im Plus.

Für das erste Quartal hatte die Börse im März ein Handelsvolumen von 206 Mrd. Euro vermeldet. Das waren rund 42% mehr als im Februar und sogar 70% mehr Volumen als im gleichen Vorjahreszeitraum. Der durchschnittliche Tagesumsatz auf Xetra war mit 9,58 Mrd. Euro fast doppelt so hoch wie im Jahr zuvor, als Kunden über die elektronische Handelsplattform im März nur 5,86 Mrd. Euro gehandelt hatten.

Londoner Börse denkt über 24-Stunden-Handel nach

Das Handelsgeschäft läuft in einem volatilen, von politischer Unsicherheit geprägten Umfeld. Mehrere Börsenbetreiber denken darüber nach, ihre Handelszeiten zu erweitern. Einem Bericht der „Financial Times“ zufolge erwägt die London Stock Exchange Group, den 24-Stunden-Handel einzuführen. Im März hatte bereits die US-amerikanische Technologiebörse Nasdaq entsprechende Pläne angekündigt, nachdem die Chicagoer Options- und Derivatebörse CBOE Global Markets sowie die Intercontinental Exchange mit ihrer Tochter, der New York Stock Exchange, vorgeprescht waren.

Kritiker fürchten allerdings, dass die Ausweitung der Handelszeiten die Finanzmärkte Stabilität kosten werden. Die Nonprofit-Organisation Healthy Markets warnt vor einer fragmentierten Liquidität und steigenden Volatilität. Selbst kleine, über Nacht getätigte Transaktionen könnten aufgrund der geringen Markttiefe signifikante Kurseffekte entwickeln und sich damit überproportional stark auf große Wertpapierpositionen auswirken können.

Zudem drohten gerade Privatanleger somit in größerer Zahl in zunehmend riskantere Trades gelockt zu werden. „Retail-Trader werden in Übernachtsitzungen in einem Markt mit weniger Wertpapierkäufern und -Verkäufern agieren und damit schlechtere Kurse gestellt bekommen als während der üblichen Handelszeiten“, monierte die Organisation Better Markets bereits im vergangenen November auf die Zulassung der neuen Rund-um-die-Uhr-Börse 24 Exchange durch die US-Aufsicht SEC hin.

Die London Stock Exchange Group erwägt eine Einführung des Rund-um-die-Uhr-Handels.
Die London Stock Exchange Group erwägt eine Einführung des Rund-um-die-Uhr-Handels.
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Die Deutsche Börse zeigt sich mit Blick auf die Ausweitung der Zeiten bislang noch zurückhaltend. „Technisch sind wir in der Lage, einen 24-Stunden-Handel anzubieten“, sagt ein Sprecher. Die Börse richte sich hier nach der Nachfrage der Handelsteilnehmer. „Bei entsprechendem Bedarf würden wir die Handelszeiten weiter verlängern“, so der Sprecher weiter. Aktuell sei dies jedoch nicht der Fall. „Als führende europäische Kapitalmarktinfrastruktur sind wir sehr gut positioniert, sowohl die asiatischen als auch die US-amerikanischen Handelszeiten abzudecken“, heißt es weiter.

Bei der Börse Frankfurt läuft der Handel derzeit an fünf Tagen von 8 bis 22 Uhr. An der Terminbörse Eurex bietet die Deutsche Börse an fünf Handelstagen 21-Stunden-Trading an. 24 Stunden können Kunden derzeit bereits Devisen über die Tochter 360T handeln und auch Krypoassets sind über Crypto Finance rund um die Uhr handelbar.

Personelle Änderungen bei Eurex Clearing

Personell sucht die Deutsche Börse weiterhin nach einem CEO für die Eurex Clearing AG, einem Teil von Europas führender Terminbörse Eurex. Der Posten ist seit dem Abschied von Erik Müller vakant. Dafür bekommt Matthias Graulich innerhalb des Eurex-Komplexes mehr Macht. Neben seinem bisherigen Vorstandsmandat bei der Clearing AG ist er zusätzlich in den Vorstand der Eurex Frankfurt AG eingezogen. Das ist die Holding-Gesellschaft, die von CEO Robbert Booij geleitet und im Vorstand der Deutschen Börse von Thomas Book verantwortet wird.