Nachhaltige Finanzprodukte

ESG-Missver­ständnis weckt Greenwashing-Vorwurf

Soll ein ESG-Fonds die Welt verbessern oder einfach nur Risiken erfassen? Diese Frage beantworteten Privatleute und Finanzbranche oft anders, sagt Finanzprofessor Christian Klein. Das führe zu falschen Erwartungen.

ESG-Missver­ständnis weckt Greenwashing-Vorwurf

jsc Frankfurt

Die Finanzbranche wird sich nach Einschätzung des ESG-Forschers Christian Klein künftig noch häufiger mit dem Vorwurf des Greenwashings – also eines überzogenen oder falschen Nachhaltigkeitsversprechens – auseinandersetzen müssen. Wenn Kundenberater im Finanzvertrieb künftig wie vorgeschrieben die Interessen der privaten Anleger zur nachhaltigen Geldanlage erfassten, sei die Gefahr von Missverständnissen groß, sagte der Professor für Sustainable Finance auf einer Konferenz des Bundesverbands Alternative Investments (BAI) in Frankfurt. Ein Vorwurf des Greenwashings liege dann sehr nahe, so der Professor der Universität Kassel. „Ich wette einen Kasten Bier, dass das Wort ‚Greenwashing‘ das Buzzword des nächsten Jahres werden wird.“

Grundsätzlich gebe es zwei verschiedene, aber jeweils legitime Sichtweisen zur nachhaltigen Kapitalanlage. Für NGOs und auch viele Anleger gehe es darum, die Finanzbranche als Hebel einzusetzen, um bestimmte wünschenswerte Ziele zu erreichen. Die meisten Fonds hingegen nutzten ESG-Kriterien als Risiko­indikator. So wetteten grüne Investmentprodukte darauf, dass das Pariser Klimaabkommen künftig erfüllt werde und damit die Unternehmenslandschaft präge, sagte er. „Retten wir wirklich die Welt? Nein, was wir hier machen, ist Risikomanagement.“ Das sei legitim, entspreche dem gewöhnlichen Handwerk der Finanzbranche.

Wegen der unterschiedlichen Sichtweisen könne es leicht passieren, dass nachhaltige Fonds die Erwartung von Anlegern und NGOs verfehlten. Das zeige sich schon jetzt, wenn Organisationen die Portfolios von Fonds analysierten und wegen bestimmter Aktientitel als nicht nachhaltig brandmarkten. „Bei den meisten Greenwashing-Vorwürfen ist es eigentlich ein Missverständnis“, sagte Klein.

Streit über Impact Investing

Um auf die Anleger zuzugehen, erscheine es naheliegend, verstärkt auf die Wirkung zu achten. Nachdem die nachhaltige Geldanlage in der frühen Phase vor allem Ausschlusskriterien umfasste und mittlerweile ein erweitertes Management auf Grundlage von ESG-Daten, biete sich nun eine Orientierung hin zum Impact Investing an, also einer konkreten Wirkung. Nur eine Minderheit der Fonds falle aber bereits in diese Kategorie. Doch auch hier zeichne sich Streit ab, da der Nachweis zur Wirkung schwierig sei. Klein brachte einen verbreiteten Einwand gegen Impact-Fonds auf den Punkt: „Wenn Du nicht das Geld zur Verfügung gestellt hättest, dann hätte es Donald Trump getan – weil es sich rechnet.“

Insgesamt gibt es drei Möglichkeiten, wie eine Geldanlage dennoch eine positive Wirkung anstoßen könnte, wie er ausführte. In die erste Kategorie fallen demnach indirekte Effekte. So führt etwa die Nutzung von ESG-Rating­s laut Klein dazu, dass Unternehmen mehr Angaben rund um Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen. Diese Berichte sensibilisieren die Firmen für Nachhaltigkeit und begünstigen so einen Wandel, wie er ausführte.

Der zweite Kanal führt über einen Renditeverzicht: Wenn Anleger für wünschenswerte Vorhaben auf einen Teil der möglichen Erträge verzichteten, gäben zugleich die Kapitalkosten für nachhaltige Vorhaben und Unternehmen nach. Tatsächlich sind manche Anleger nach Worten Kleins dazu bereit. Dieser finanzielle Vorteil kann somit reale Auswirkungen haben. Auch an gewöhnlichen Wertpapiermärkten wäre ein unterschiedliches Bewertungsniveau zwischen nachhaltigen und herkömmlichen Unternehmen laut Klein schon aus idealistischen Motiven der Anleger denkbar – vorausgesetzt, eine genügend große­ Zahl verzichtet bereitwillig auf einen Teil der Rendite.

Drittens können Investoren über ihr Engagement einen Wandel anstoßen, also als Eigner und Geldgeber Einfluss auf Entscheidungen der Unternehmen nehmen. Falls eine Gesellschaft daraufhin nachhaltigere, aber weniger rentablere Ziele verfolgt, fällt dieser Effekt allerdings in die Kategorie des Renditeverzichts, wie Klein argumentierte. Einen weiteren Kanal für eine positive Wirkung, die ohne ein Investment des Anlegers ausbliebe, sehe er nicht.

„Das wird groß“

Die anstehende EU-Regulierung, die planmäßig ab Anfang August den Finanzvertrieb in die Pflicht nimmt, die Nachhaltigkeitsinteressen der Anleger zu erfassen, werde aber nicht nur zu Missverständnissen führen, sondern zugleich das Segment beleben. „Ich glaube, das wird groß.“ Eine Vielzahl neuer Impact-Ideen sei auch im Rahmen der EU-Taxonomie möglich, insbesondere im Segment alternativer Anlagen. Um aber in vielen weiteren Fällen falschen Erwartungen entgegenzuwirken, sei Kommunikation wichtig. „Was wir brauchen, ist sehr viel Aufklärung.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.