Henning Koch, Commerz Real

Nachhaltigkeit als Wettbewerbs­vorteil

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erläutert Henning Koch seine Strategie für die Commerzbank-Tochter. Der seit Mai amtierende Chef des Assetmanagers setzt auf wenige, aber skalierbare Fonds.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbs­vorteil

Von Thomas List, Frankfurt

Sich auf wenige Fondsprodukte konzentrieren, die in Immobilien und erneuerbare Energien (Renewables) investieren, die durchgängig nachhaltig und skalierbar sind – so skizziert Henning Koch (43), Vorstandsvorsitzender der Commerz Real die zu­künftige Unternehmensstrategie. Koch ist seit 1. Mai Chef des Assetmanagers und soll die Commerzbank-Tochter wieder in ruhigeres Fahrwasser führen, nachdem, beginnend mit dem langjährigen CEO Andreas Muschter im Juni 2020, in den vergangenen Monaten insgesamt vier Vorstandsmitglieder das Unternehmen verließen – zuletzt Gabriele Volz, die nur die ersten vier Monate dieses Jahres als Vorstandschefin amtierte.

Als Grund der Trennung von Volz wurden offiziell „unterschiedliche Auffassungen über die Führung und künftige strategische Ausrichtung der Commerz Real“ genannt. Koch kommentierte Gerüchte über eine engere Anbindung des Assetmanagers an die Mutter nicht, sondern skizzierte seine Vorstellungen zur Zukunft der Commerz Real: „Wir wollen lieber eine kleine Produktfamilie haben, die in sich sehr stabil ist“, sagte Koch im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Das sind die beiden Retailfonds Hausinvest und Klimavest, zwei oder drei institutionelle Produkte und die Sparte Mandates and Advisory. „Die Individualmandate für sehr vermögende Kunden und Institutionelle wollen wir in Zukunft deutlich ausbauen.“

Nachhaltigkeit im Zentrum

Wesentlich ist für Koch das Thema Nachhaltigkeit. „Wir leben das. Un­ser Traditionsprodukt, der Hausinvest erfüllt seit 10. März als einer der ersten offenen Immobilienfonds Deutschlands die EU-Transparenzanforderungen für ein ökologisches Produkt, ist also ein sogenanntes Artikel-8-Finanzprodukt. Und der Ende Oktober 2020 aufgelegte Klimavest ist der erste Impact-Fonds für Privatanleger mit Fokus auf Sachwerte, also ein Fonds nach Artikel 9 der Transparenzverordnung.“ Den Kunden müsse man zeigen, so Koch, „dass Nachhaltigkeit nicht nur draufsteht, sondern auch drin ist. Das wird dann ein echter Wettbewerbsvorteil sowohl bei Retailkunden als auch bei Institutionellen.“

S und G nicht vergessen

Für den Commerz-Real-Chef geht es beim Thema Nachhaltigkeit (ESG Environment, Social, Governance) aber nicht nur um den Umweltschutz, sondern auch um S und G. Die sozialen Aspekte sieht Koch unter anderem durch die Investitionen in den geförderten Wohnungsbau im Hausinvest berücksichtigt. „Das finden wir sehr spannend, weil wir sehr langfristig denken. Für uns sind Mietpreisbeschränkungen kein Problem, weil wir über die Fördermittel eine auskömmliche Rendite erwirtschaften. Außerdem stabilisieren geförderte Wohnungen das Fondsportfolio.“

Koch will auch die Spezialfonds für Institutionelle in Richtung Artikel 8 entwickeln. Er ist dabei aber auf die Mitarbeit der Anteilszeichner angewiesen. „Wir sind in entsprechenden Ge­sprächen.“ In Zukunft will Commerz Real nur noch nachhaltige Finanzprodukte anbieten. „Alles andere hat aus unserer Sicht keinen Sinn mehr.“

Der Klimavest wies Ende Juni ein Fondsvermögen von 420 Mill. Euro aus. „Ziel ist ein Milliardenfonds für Infrastruktur und Renewables mit klarem messbaren Beitrag zur CO2-Re­du­zie­rung.“ Er soll bis 31. August 2070 laufen, dabei früheren Angaben zufolge ein Portfolio aus Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien sowie nachhaltiger Infrastruktur, Mobilität und Forstwirtschaft im Wert von mindestens 25 Mrd. Euro aufbauen (davon etwa 10 Mrd. Euro Eigenkapital) und eine jährliche Rendite (nach BVI-Methode) zwischen 3,0 und 4,0% ausweisen. Denn: „Es ist kein Widerspruch, wenn ein Produkt nachhaltig ist und gleichzeitig eine vernünftige Rendite erwirtschaftet.“ Für den Klimavest wird 2021 eine Rendite von 3% angepeilt.

Geeignet für Kleinanleger

Der Vertrieb dieses Fonds lief bis März exklusiv über die Mutter Commerzbank. Seitdem öffnet sich der Fonds wie schon zuvor der Hausinvest auch für Drittvertriebe wie Sparkassen und Volksbanken. Der in Luxemburg ansässige Eltif, also European Long Term Investment Fund, ist allerdings beratungsintensiver als ein typisches deutsches Produkt. Koch geht davon aus, dass sich die bisherigen Mindestanlagebeträge eines Eltif – 10 000 Euro bei einem persönlichen Finanzanlagevermögen von 100 000 Euro – sukzessive lockern werden. „Das Produkt soll für den Kleinanleger geeignet sein und nicht nur für den semiprofessionellen Anleger. Das verstehen wir unter Skalierbarkeit.“

Der Klimavest kann in die Erzeugung und Verteilung erneuerbarer Energien investieren. Bisher wurden sieben Onshore-Windparks, ein On­shore-Windpark-Portfolio und eine Solaranlage er­worben. Auch über den Einstieg in Wasserkraft denke man nach. Trotz einer aktuellen Liquiditätsquote von 12,3% sind die eingesammelten 420 Mill. Euro fest vergeben, da teilweise Forward-Deals abgeschlossen wurden.

Der Hausinvest, mit einem Nettofondsvermögen von 16,6 Mrd. Euro der zweitgrößte offene Immobilienfonds in Deutschland, hat mit 42% einen relativ hohen Büroanteil, auf Retail 27,1%, darunter ca. 25 Prozentpunkte Shoppingcenter, und auf Hotels 9,8%. Durch die Coronakrise ist der Fonds gut gekommen. „Für Erleichterungen wie Mietstundungen haben wir immer eine Gegenleistung bekommen wie eine Verlängerung des Mietvertrages. Im Bürobereich hatten wir keinerlei Probleme. Das hat uns bestätigt in unserer Strategie, nur auf Toplagen zu setzen und damit sehr gute Mieter zu haben.“ Im Geschäftsjahr 2020/2021 (31. März) lag die Rendite wieder bei 2,0%. „Was im Wettbewerbsvergleich eine sehr gute Leistung ist. Das zeigt auch die Bestätigung des ‚A‘-Ratings bei Scope.“ Einige Wettbewerber wurden da­gegen deutlich abgestuft.

Inzwischen sind alle Shoppingcenter im Portfolio des Hausinvest wieder offen. „Angesichts der Qualität der Objekte sind wir sehr entspannt.“ Allerdings gebe es schon seit Jahren, also schon vor Corona, einen Trend weg vom stationären Handel hin zum Onlinehandel. Deshalb wurden für den Hausinvest seit vielen Jahren keine Einkaufszentren mehr gekauft. „Wir positionieren uns um. Das Shoppingcenter Forum City Mülheim wird bis Ende 2023 so umgebaut, dass die komplette erste Etage für Gesundheits-, therapeutische und Pflege-Dienstleistungen zur Verfügung steht und den bestehenden Nahversorgungseinzelhandel bzw. die Gastronomie ergänzt.“ Es gebe also eine Drittverwendungsfähigkeit von Shoppingcentern. „Es kommt auf die richtige Lage an.“

Bei den Hotels sei die Lage nicht so einfach, „da Hotels nur entweder auf oder zu sind“, so Koch. „Wir sind aber trotzdem sehr gut durchgelaufen. In einem Fall, in Heidelberg, haben wir für den bisherigen Betreiber, der pleitegegangen ist, in kürzester Zeit zu vergleichbaren Konditionen einen neuen Betreiber gefunden.“ Das spreche für die Qualität des Objekts. Für die Zukunft macht sich Koch bei den Hotels im Fondsportfolio keine Sorgen. „Wir sind überzeugt, dass die Hotels wiederkommen werden. Unser Portfolio zeichnet sich durch einen guten Mix zwischen reinen Business-Hotels, Mixed Hotels und reinen Resort-Hotels.“

Optimistisch zeigte sich Koch mit Blick auf die Zukunftsperspektiven für Büroimmobilien. „Wir bauen unser Büroengagement nicht ab. Im Gegenteil: Wir sind total überzeugt von den Büros, die wir haben. Die befinden sich fast ausschließlich in Toplagen.“ Gefährdet durch das Thema Homeoffice sieht Koch Nebenlagen. „Unternehmen müssen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas bieten, damit sie wieder ins Büro kommen.“ Dazu gehörten sehr gut gelegene, urbanes Bürogebäude, wo man eine vernünftige Mittagspause und Besorgungen machen, sich abends mit Freunden treffen und eine kulturelle Veranstaltung oder ein Restaurant besuchen könne. „In diesen Toplagen braucht man nicht weniger Büroflächen. Vielmehr müssen Büros anders eingerichtet werden.“ Es müsse mehr Räume mit flexibleren Raumkonzepten geben. „Wer ins Büro kommt, will die Kollegen sehen, mit ihnen sprechen, Spaß haben, Dinge erörtern, die man am Bildschirm nicht so einfach machen kann.“

Gerne zurück ins Büro

Die Commerz-Real-Mitarbeiter wollen gerne ins Büro zurückkehren, hat Koch beobachtet. „Ich musste eher bremsen aufgrund der amtlichen und Konzernvorgaben, die eine 10% Anwesenheit vorsahen. Ab 1. Juli werden wir zu mindestens 50% Anwesenheit zurückkehren. Wir leben vom gemeinsamen Spirit.“ Die Flexibilität zwischen Büro und Homeoffice werde aber bleiben und könne zu noch zufriedeneren Mitarbeitern führen, ist der Vorstandschef überzeugt.