GesprächVincent Bryant (Deepki) und Volker Stix (Catella)

„Lauf zur Dekarbonisierung hat begonnen“

ESG verändert die Welt der Immobilieninvestments. Zwischen Datenrevolution, Regulierung und realen Klimarisiken zeigen Deepki und Catella, wie es funktionieren kann.

„Lauf zur Dekarbonisierung hat begonnen“

Im Gespräch: Vincent Bryant und Volker Stix

„Lauf zur Dekarbonisierung hat begonnen“

Catella-Manager Stix will mit ESG-Daten von Deepki Nachhaltigkeit bei Immobilien voranbringen und plädiert für ein einheitliches Energiezertifikat

wbr Frankfurt

Die Diskussion um ESG-Kriterien hat sich in den letzten Jahren spürbar verschoben. Was einst als Zusatznutzen galt, entwickelt sich zunehmend zu einem zentralen Bestandteil von Immobilieninvestments. Datenverfügbarkeit, Regulierungsdruck und Risikobewusstsein haben sich deutlich verändert.

Datenlage als strukturelle Herausforderung

Die Grundlage für eine verlässliche ESG-Bewertung ist eine solide Datenbasis – doch genau daran hapert es in vielen Fällen. „Unsere größte Herausforderung war nicht die Verifizierung, sondern dass wir überhaupt keine vergleichbaren ESG-Daten hatten“, sagt Volker Stix, Managing Director bei Catella Investment Management. Mithilfe der Deepki-Plattform sei es gelungen, eine strukturierte und belastbare Datenbasis aufzubauen.

Vincent Bryant, CEO des französischen ESG-Proptechs Deepki, verweist darauf, dass sein Haus ESG-Daten von Immobilien im Wert von über 4 Bill. Euro analysiere: „Manuelle Dateneingabe bringt eine Fehlerquote von bis zu 10% – das wollen wir vermeiden.“ Automatisierte Datenerhebung, KI-gestützte Qualitätssicherung und eine Zertifizierung nach ISAE 3000 Typ II sollen dazu beitragen, die ESG-Kennzahlen mit Finanzkennzahlen vergleichbar zu machen.

Uneinheitliche Regulatorik

Einheitliche gesetzliche Vorgaben innerhalb der EU sind bislang nicht in Sicht. „Ein einheitliches Energiezertifikat für Europa wäre wünschenswert – aber wir investieren zurzeit in 15 Ländern mit unterschiedlichen Anforderungen“, sagt Immobilieninvestor Stix. Diese Vielfalt führe nicht zwangsläufig zum Stillstand, verlange aber Flexibilität: „Wir sprechen nicht von einem Konflikt zwischen Regulierung und Praxis – eher von Widersprüchen, die wir managen müssen.“

Bryant verweist darauf, dass ESG-Plattformlösungen helfen, diese Unterschiede überbrücken zu können. Die ESG-Daten unterschiedlichster Herkunft würden standardisiert, zentralisiert und visuell aufbereitet – sowohl auf Asset- als auch auf Portfolioebene. Ziel sei es, eine verlässliche Entscheidungsgrundlage für Investoren zu schaffen.

ESG als Risikofaktor

Die Diskussion um sogenannte Stranded Assets verdeutlicht, dass ESG-Kriterien längst auch ein finanzielles Risiko darstellen können. Immobilien, die den wachsenden Anforderungen an Energieeffizienz und CO2-Reduktion nicht gerecht werden, könnten an Marktwert verlieren. „Der Lauf zur Dekarbonisierung hat begonnen – manche rennen schon, andere stehen noch am Start“, so Bryant.

Stix ergänzt: „Stranded Assets sind nicht nur ein Klimarisiko, sondern auch ein soziales Risiko. Hohe Energiekosten bedeuten höhere Nebenkosten – das gefährdet die Bezahlbarkeit.“ Eine Deepki-Umfrage kommt zu dem Ergebnis, dass 94% der befragten Marktteilnehmer finanzielle Risiken durch solche Objekte sehen. Mehr als die Hälfte geht davon aus, dass mindestens 30% ihres Portfolios davon betroffen sein könnten.

Bei Catella wird dieser Aspekt konkret berücksichtigt. Die Kennzahl Climate Value at Risk – berechnet auf Basis der Daten von Deepki und MSCI – ist zu einem zentralen Steuerungsinstrument geworden. Die ESG-Kriterien sind damit unmittelbar in die Risikobewertung und Performanceanalyse integriert.

ESG und Finanzstrategie

Ein weiteres Indiz für den Wandel ist die zunehmende institutionelle Verankerung von ESG in den Finanzabteilungen großer Unternehmen. „ESG wird mit Finanzthemen verschmelzen. CO2-Management wird eine Schlüsselkomponente der Finanzstrategie sein“, sagt Bryant. Bereits heute berichteten ESG-Teams in vielen Unternehmen direkt an die CFOs – eine Entwicklung, die sich seiner Einschätzung nach fortsetzen werde.

Auch Catella trägt diesem Trend Rechnung: Der Fonds „KCD-Catella Nachhaltigkeit Immobilien Deutschland“ verfolge einen Ansatz, der ökologische und soziale Merkmale mit klassischen Investmentkriterien verknüpft. Unterstützt durch Instrumente wie den CRREM-Indikator (Carbon Risk Real Estate Monitor), sollen Emissionsrisiken identifiziert und gemanagt werden.

Insgesamt zeige sich eine fortschreitende Professionalisierung des ESG-Managements in der Immobilienbranche. Die Kombination aus regulatorischem Druck, steigenden Erwartungen von Investoren und technologischen Lösungen verändere den Investmentprozess nachhaltig – und mache ESG-Daten zunehmend zu einer unverzichtbaren Größe in der Portfoliosteuerung.

ESG-Kriterien haben sich vom Nice-to-have zum Muss in der Immobilienbranche entwickelt. Regulierungen, Risikofaktoren und Investorenansprüche treiben die Transformation. Doch fehlende Standards und mangelhafte Daten erschweren die Umsetzung – technologische Lösungen bieten Auswege.

Von Wolf Brandes, Frankfurt
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