Preisentwicklung

Die Inflation ist zurück

Die Preise klettern kräftig und die Notenbanken werden die Leitzinsen erhöhen. Wie Anleger mit Aktien, Immobilien und inflationsgeschützten Anleihen ihr Vermögen sichern und mehren können.

Die Inflation ist zurück

An der Zapfsäule wird mitunter am deutlichsten, wie stark die Preise inzwischen steigen. So lagen jüngst die Benzin- und Dieselpreise an einer Tankstelle an der Auto­bahn klar über 2 Euro je Liter. Doch auch die Preise für Erdgas klettern kräftig, manche Versorger mussten ihre Dienste bereits einstellen – und Verbraucher, die dadurch zum Anbieterwechsel gezwungen waren, müssen nun sehr viel mehr bezahlen. Doch auch im Biergarten, im Supermarkt, bei vielen Dienstleistungen und Gütern haben die Preise klar angezogen. Den deutschen Verbrauchern wird jedenfalls deutlich: Die Inflation ist zurück!

Auch die offiziellen Zahlen bestätigen diesen Eindruck: Nach Jahren moderater Inflation hat sich die Teuerung zuletzt massiv beschleunigt. So sind die Verbraucherpreise in den USA im Januar um 7,5 % gegenüber Vorjahr gestiegen und in Deutschland im Januar um 4,9 % nach nationalem und um 5,1 % nach harmonisiertem Index gegenüber Vorjahr geklettert. Für die Kapitalmärkte brechen damit, nachdem die Notenbanken die Märkte zuvor infolge der Pandemie mit Liquidität geflutet haben, neue und schwierigere Zeiten an. Denn wenn auch die zuletzt hohe Teuerung mit auf Sonder­effekte zurückzuführen ist, so dürfte die Inflation in den kommenden Jahren spürbar höher ausfallen als in den vergangenen. „Derzeit findet ein ‚Regime Change‘ statt, wir kommen in ein neues Inflationsregime. Im gerade begonnenen Jahrzehnt werden wir höhere Inflationsraten sehen als im abgelaufenen“, erklärt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt von Union Investment, im Interview mit rendite. „Jetzt haben wir eine eher angebotsorientierte Inflation, die sich fortsetzen dürfte.“

Aus Sicht der Anleger ist nun das Problem, dass die Zinswende, die im Gange ist, die Preise der verschiedenen Assets und Assetklassen wesentlich beeinflusst. Die Zeit der Liquiditätsflut ist vorbei, jetzt, wenn die Zufuhr zurückgeht, wird sich frei nach Warren Buffett zeigen, wer eine Badehose anhat und wer nicht. Die Kinder der Hausse, die mit extrapolativen Erwartungen auf eine Fortsetzung bestehender Trends gehofft hatten, mussten zuletzt bereits viel Lehrgeld zahlen. Denn die Aktien von nicht profitabel arbeitenden oder extrem hoch bewerteten Wachstumswerten – wie in Deutschland zum Beispiel Delivery Hero – mussten bereits kräftige Kurseinbußen hinnehmen. Es gibt aber auch eine gute Botschaft: Wer umsichtig investiert und die Risiken aus der höheren Inflation in sein Kalkül einbezieht, der kann auch trotz höherer Teuerung und steigender Leitzinsen an den Kapitalmärkten sein Vermögen sichern und sogar mehren.

Denn, da sind sich die Volkswirte einig, die Notenbanken werden in den kommenden Jahren angesichts der höheren Inflation deutlich straffen. „Fünf Zinserhöhungen in 2022 halten wir für ausgemachte Sache, und das verbunden mit einem passiven Bilanzabbau“, so die Prognose von Zeuner für die US-Notenbank Fed. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird auf eine nicht nur kurzfristig höhere Teuerung reagieren müssen. Zeuner wörtlich: „Die Nullzinsphase geht auch hier zu Ende, der Kurs der Zinsen in Euroland ist eindeutig nach oben gerichtet.“

Nach dem starken Aktienjahr 2021 mit hohen Gewinnen insbesondere für Technologiewerte tun sich nun für Anleger zahlreiche Risiken auf. Dazu gehört neben der Zinswende jetzt auch der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. „Die globalen Märkte haben nicht mit einem Kriegsszenario gerechnet“, stellen die Analysten von Amundi fest. Nun würden sich die Märkte an die Situation anpassen. „Es wird einige Zeit dauern, bis sich die Situation beruhigt hat. In der Zwischenzeit werden Unsicherheit und Volatilität fortbestehen, und es besteht die Möglichkeit, dass es zu einigen Übertreibungen nach unten kommt“, erklären Amundi in einer aktuellen Einschätzung. „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auf fallende Kurse zu setzen, da der Markt die Auswirkungen dieses geopolitischen Schocks noch nicht vollständig erfassen kann.“

Tiefpunkt oft bei Kriegsbeginn 

Auch Christian Kahler, der Chefstratege für Aktien bei der DZ Bank, rät Anlegern dazu, jetzt Ruhe zu bewahren und nicht vorschnell Aktien zu verkaufen. Investoren müssten sich durch eine unklare Nachrichtenlage manövrieren. Bis sich der Nebel der Unsicherheit gelegt habe, dürfte die Volatilität an den Märkten hoch bleiben. Kurzfristig seien weitere Kursrückschläge denkbar, denn für einige Unternehmen seien die Handelsbeziehungen zu Russland und der  Ukraine durchaus relevant.

„Trotz aller Unwägbarkeiten: Für Anleger mit einem gut und idealerweise global diversifizierten Portfolio ist es jetzt ratsam, Ruhe zu bewahren und den Reflex, in großem Stile zu verkaufen, unter Kontrolle zu halten“, erklärt Kahler. „Eine Anlagestrategie sollte immer auf lange Sicht, auf viele Jahre ausgerichtet sein. Wenn man sich vergangene Krisen und Kriege anschaut, hat es sich langfristig immer ausgezahlt, über die Sorgen der kommenden zwei oder drei Monate hinwegzusehen und langfristig zu planen.“

In vergangenen Kriegen sei der Tiefpunkt an den Aktienmärkten erreicht worden, sobald die Kämpfe oder die Invasion begonnen habe. „Das könnte jetzt wieder passieren – muss es aber nicht“, sagt Kahler. Anleger müssten mit dieser kurzfristigen Ungewissheit leben, hätten aber die Chance, zu günstigen Kursen in den Aktienmarkt einzusteigen. Und die Bewertung der Märkte sei in letzter Zeit deutlich günstiger geworden. So werde der Dax jetzt mit dem Zwölffachen der für 2023 erwarteten Unternehmensgewinne bewertet. Jedoch tätigten die Dax-Unternehmen weniger als 1 % ihrer Umsätze in Russland, so dass kaum mit einem deutlich negativen Effekt auf die Gewinne zu rechnen ist.

Doch zurück zu Festverzinslichen: Durch das Herabschleusen der Zinssätze durch die Notenbanken gibt es derzeit keine sichere Anlage mehr, die in der Lage ist, die hohen Teuerungsraten zu kompensieren. Sowohl in Euroland als auch in den USA ist der Realzins noch sehr deutlich im negativen Bereich. Nachdem sie mehrere Jahre negativ war, ist die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen zuletzt zwar in den positiven Bereich geklettert (siehe auch die Grafik zur Rendite zehnjähriger Staatsanleihen). Sie ist aber zum einen noch äußerst niedrig (nach der Wiedervereinigung gab es zum Beispiel Bunds mit einem Kupon von 9 %) und kann die Teuerung nicht einmal ansatzweise kompensieren. Zum anderen ist bereits jetzt absehbar, dass die Rendite zehnjähriger Bunds wieder deutlich steigen wird. „Real ist sie aber weiterhin negativ und insofern kein Argument für klassisches Sparen, sondern eher für Konsum und Aktiensparen“, erklärt daher Union-Investment-Chefvolkswirt Zeuner zur Bundrendite. „Bei steigenden Zinsen wird es für die Bondmärkte schwierig, deshalb bleiben Anleihen auf absehbare Zeit eine volatile Anlageklasse, deren Ertrag am Ende enttäuscht. Solange die Inflation hoch ist, sind Investoren mit Kurzläufern immer besser positioniert.“

Allerdings gibt es mit inflationsgeschützten Papieren im Anleihebereich einen Sektor, der tendenziell von steigender Teuerung profitiert. Die Inflation Linker haben im vergangenen Jahr aber bereits einiges mit deutlichen Kurssteigerungen vorweggenommen. Vor diesem Hintergrund bevorzugen die Anleiheprofis bei den Linkern eher die kürzeren Laufzeiten. „Wir präferieren ebenfalls inflationsgebundene Anleihen mit kurzer Laufzeit, weil sie in der Vergangenheit stärker auf die Rohstoffpreise reagiert haben“, erklärt Jona­than Baltora, Head of Inflation Expertise bei Axa Investment Managers. „In der Euro­zone können französische und deutsche Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit geeignet sein, um höhere Differenzen zwischen nominalen Anleiherenditen und realen Renditen inflationsgebundener Anleihen (Break-even-Inflationsrate) auszugleichen und gleichzeitig einen Schutz vor einem Politikwechsel zu geben.“

Klassiker Immobilien

Eine klassische Anlage, die Schutz vor Inflation bietet, sind Immobilieninvestments, die rendite eingehend analysiert. Allerdings ist gerade bei Immobilien jetzt ein genaues Hinsehen erforderlich. Denn zum einen sind die Immobilienpreise zuletzt sehr stark geklettert, wobei es in einigen Segmenten wohl auch Übertreibungen gibt. Zum anderen erwachsen aus der Zinswende Gefahren für Immobilieninvestments, die mit einer allzu hohen Aufnahme von Fremdkapital getätigt wurden, zumindest dann, wenn in wenigen Jahren Fälligkeiten von Krediten anstehen.

Ein relativ sicheres Immobilieninvestment bleiben aber offene Immobilienfonds, die mit einer sehr geringen Verschuldung arbeiten. Hinzu kommt, dass Büroimmobilien in der Regel preisindexierte Mietverträge aufweisen. Im außerordentlich stabilen Wohnimmobiliensektor sind die in Dax und MDax vertretenen großen Gesellschaften Vonovia und LEG Immobilien durchaus attraktiv. Diese Aktien bieten nicht nur relativ hohe Dividenden. Die Gesellschaften werden auch an der Börse mit einem deutlichen Abschlag gegenüber ihrem Net Asset Value (NAV) gehandelt, während Direktinvestitionen teuer sind.

Auch Gold zählt zu den klassischen sicheren Anlagen. Kommen größere Unsicherheiten auf, zum Beispiel durch einen anhaltenden Krieg, so profitiert der Goldpreis davon. In Phasen steigender Zinsen hat Gold aber in der Vergangenheit nicht überdurchschnittlich zugelegt. Kräftig angezogen haben zuletzt die Kurse von Energie- und Rohstoffaktien. Vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine sind bei diesen Titeln, bei Öl und Gas und bei entsprechenden Fonds weitere Gewinne gut möglich.

Auch der Aktienmarkt bietet in einem Umfeld, in dem die Inflation zurück ist und die Notenbanken ihre Leitzinsen erhöhen werden, reichlich Chancen. Doch ist Selektion, sprich eine differenzierte Titelauswahl erforderlich. „Steigende Zinsen belasten vor allem die hoch bewerteten und nicht ganz so profitablen Segmente des Aktienmarkts“, erklärt Zeuner. „Beim Dax sind wir insgesamt optimistischer als für den Gesamtmarkt, er ist historisch nicht hoch bewertet.“

Nach Meinung der LBBW dürften sich für Aktien aufgrund ihrer inzwischen wiedererlangten relativen Attraktivität gegenüber Anleihen sowie in Verbindung mit den Wiederöffnungsperspektiven der hoffentlich bald zu Ende gehenden Pandemie wieder neue Chancen eröffnen. „Aktien, die über reichlich Liquidität verfügen, werden das erste Ziel der Risikominimierung für die Märkte sein“, hebt Amundi hervor. Insgesamt werde es aber auch darauf ankommen, Liquidität zu halten.

Dividenden zählen wieder

Vor allem Aktien, die stabile und stetige Erträge nebst attraktiven Ausschüttungen liefern, sind jetzt wieder gefragt. Dazu zählen zum Beispiel Infrastrukturunternehmen, die anders als Technologiefirmen noch relativ moderat bewertet sind. Attraktive Infrastrukturfonds sowie Aktien- und Mischfonds, die im aktuellen Umfeld interessant sind, stellen wir Ihnen ausführlich mit Produkttabellen vor.

Darüber hinaus rücken nun wieder Aktien in den Vordergrund, die durch hohe und regelmäßige Dividenden überzeugen. Schließlich ist eine kontinuierliche und steigende Ausschüttung ein Zeichen für die Qualität einer Gesellschaft. Zudem füllt eine attraktive Ausschüttung stets den Beutel der Aktionäre, was gerade in Zeiten steigender Preise doch willkommen ist. Mehr zur Dividendensaison 2022, die deutlich steigende Ausschüttungen verspricht, sowie zuletzt attraktiven Dividendenfonds erfahren Sie in unserer ausführlichen Geschichte dazu in der aktuellen rendite.

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