US-Aktien

Handel mit Call-Optionen boomt

Call-Optionen auf US-Aktien verzeichnen einen Boom. Investoren wetten insbesondere auf eine fortgesetzte Rally von Tech- und „Meme“-Werten. Dagegen flüchten sich Fondsanleger bereits in Sicherheit.

Handel mit Call-Optionen boomt

Von Alex Wehnert, New York

Trotz ernüchternder Firmenbilanzen der Tech-Riesen wetten die Investoren am Terminmarkt auf eine fortgesetzte Rally an der Wall Street. So ist der US-Handel mit Call-Optionen laut der Börse CBOE Global Markets zuletzt in Rekordhöhen geschnellt.

Binnen eines Tages wurden Anfang Februar über 40 Millionen Kontrakte gehandelt, die das Recht zum Kauf einer Aktie zu einem bestimmten Datum und Ausführungspreis beinhalten. Zum Vergleich: Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen in den Vereinigten Staaten belief sich laut Daten der New York Stock Exchange im ersten Halbjahr 2022 auf 38,3 Millionen Kontrakte – darin sind aber sowohl Call- als auch Put-Optionen zusammengefasst. Zuletzt trieb die hohe Aktivität bei Kaufoptionen das gesamte tägliche Handelsvolumen indes gar auf ein Rekordniveau von fast 69 Millionen Kontrakten.

Zuletzt überwogen die Handelsvolumina bei Call-Optionen insbesondere auf Tech- und Growth-Werte gegenüber der Trading-Aktivität bei Put-Kontrakten so stark wie seit einem Jahr nicht. Die Daten deuten darauf hin, dass sich unter Anlegern erneut eine „Fear Of Missing Out“ (FOMO) breitmacht – also eine Angst, Kursgewinne zu verpassen. Denn der marktbreite US-Aktienindex S&P 500 hat nach einem schwachen Jahr 2022 zwischen Anfang Januar und Montagabend deutscher Zeit 7,9% an Wert gewonnen, beim technologielastigen Nasdaq 100 be­läuft sich der Zuwachs in diesem Zeitraum gar auf 14,9%.

Tatsächlich sind die Käufe von Einzelaktien durch Privatanleger gemäß Daten der Großbank J.P. Morgan zuletzt auf das höchste Niveau seit August geklettert. Gerade die laufende Berichtssaison der US-Unternehmen zum Schlussquartal 2022 zieht dabei laut Analysten das Interesse der Retail-Investoren an.

Wetten auf Meme Stocks

Bereits während der langanhaltenden Börsenrally der Jahre 2020 und 2021, als eine expansive Geldpolitik die Kurse antrieb und US-Aktienindizes von Rekord zu Rekord eilten, explodierte die Aktivität bei Call-Optionen. Gerade bei Kontrakten auf einzelne Technologieaktien und sogenannte „Meme Stocks“ – Titel, die durch über Social Media verabredete Käufe von Kleinanlegern massive Kursgewinne hinlegten – kam es zu enorm bullishen Wetten.

Ähnliches zeigt sich aktuell: Nicht nur die Handelsvolumina von Op­tionen auf Aktien von Apple, Meta Platforms und Tesla erreichten zuletzt einige der höchsten jemals gemessenen Werte. Auch auf Papiere des insolvenzbedrohten Einzelhändlers Bed Bath & Beyond werden im laufenden Jahr durchschnittlich 500000 Kontrakte pro Tag getradet.

Mit einem der zuletzt populärsten Trades setzten Investoren laut dem „Wall Street Journal“ darauf, dass der Kurs in der laufenden Woche auf 45 Dollar schnellen würde. Dabei kündigte das Unternehmen zuletzt umfangreiche Filialschließungen an und stemmte sich mit einer Kapitalerhöhung, die eine massive Verwässerung für Bestandsaktionäre bedeutet, gegen die drohende Zahlungsunfähigkeit. Am Montag gab die Aktie im frühen Handel an der Wall Street um nahezu 12% nach.

Die FOMO der Retail-Investoren wirkt sich indes auch auf die Aktivitäten von Marketmakern aus. Denn Privatanleger kaufen Call-Optionen üblicherweise über Handelsdienstleister wie Citadel Securities. Diese wiederum exponieren sich ungern mit Wetten auf Kursbewegungen in die eine oder andere Richtung, sondern profitieren von geringfügigen Unterschieden zwischen den Kursen, zu denen sie Assets erwerben, und den Niveaus, zu denen diese an die Retail-Investoren gehen. Folglich hedgen sie ihre Positionen, was die Gesamtvolumina antreibt.

Hinzu kommt, dass zahlreiche institutionelle Investoren sich im vergangenen Jahr angesichts steigender Rezessionssorgen und der restriktiven Geldpolitik der Fed gegenüber US-Aktien short positioniert haben. Sie kaufen nun Call-Optionen, um sich gegen Verluste durch eine anhaltende Rally abzusichern.

Massive Kontraste

Dagegen zeigen Fondsdaten, dass an der Wall Street massive Kontraste zwischen risikobereiten Investoren und Skeptikern der Jahresauftaktrally bestehen. Laut Daten von Refinitiv Lipper müssen globale Aktienfonds seit Jahresbeginn gerechnet großvolumige Nettomittelabflüsse hinnehmen – nach unten gezogen wird die Statistik insbesondere von Investmentfonds und Exchange Traded Funds aus den Vereinigten Staaten. Aus diesen sind in den vergangenen sechs Wochen per saldo 31 Mrd. Dollar geströmt. Im Gegensatz dazu verzeichnen Anleihevehikel noch robuste Zuflüsse.

Eine bedeutende Zahl an Investoren zweifelt im Gegensatz zu den Call-Tradern also offenbar daran, dass die Fed ihre restriktive Geldpolitik schon bald aufgibt. Anfang Februar hatten die US-Währungshüter den Leitzins noch um 0,25% angehoben und ihr Erhöhungstempo damit verlangsamt. Allerdings sehen sie sich weiterhin dem Kampf gegen die hohe Inflation verpflichtet. Von ihren nächsten Schritten dürfte entscheidend abhängen, wie sich die Aktivität am Optionsmarkt auch über die Berichtssaison hinaus entwickelt.