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Krieg in der Ukraine – Was bedeutet das für die Märkte?

Der russische Krieg in der Ukraine führt nicht nur zu unfassbarem menschlichen Leid, sondern wird auch die Geopolitik und die Weltwirtschaft verändern. Vier Kapitalmarkt-Experten schätzen die Situation aus ökonomischer Perspektive ein.

Krieg in der Ukraine – Was bedeutet das für die Märkte?

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat der Westen eine ganze Reihe an Sanktionen gegen Russland verhängt. Noch in dieser Woche könnte ein Ölembargo der EU folgen. Doch nicht nur die Sanktionen und die steigenden Rohstoff- und Energiepreise wirken sich auf die Entwicklung der Weltwirtschaft aus. Welche Folgen der Krieg für die Märkte hat, schätzen vier Kapitalmarkt-Experten ein.

Jörg Zeuner, Chefvolkswirt und Leiter Research Investment Strategy, Union Investment:

„Mit dem Krieg in der Ukraine werden tiefgreifende strukturelle Veränderungen einhergehen: Dazu zählt auch eine neue geopolitische Blockbildung. Das führt zu grundlegenden Verschiebungen an den Kapitalmärkten, die in der Übergangsphase von einer erhöhten Volatilität begleitet sein werden. Der Westen arbeitet bereits an seiner strategischen Unabhängigkeit von russischen Ressourcen. Dieser Weg wird die Energiewende forcieren und lässt entsprechende Investitionen erwarten, verbunden mit der Chance auf einen Innovationsschub und stärkeres Wachstum in Sektoren, die zur Reduktion der Abhängigkeit beitragen.  

Unternehmen, die hier aktiv sind, werden zu den Gewinnern der neuen Weltordnung zählen. Denn bei Vorreitern in grünen Technologien oder bei Firmen, die am Bau neuer Produktionsstätten beteiligt sind, sollten die Unternehmensgewinne steigen und damit auch ihre Aktienkurse. Doch auch wenn die positiven Auswirkungen mittelfristig überwiegen dürften, gibt es ebenso Verlierer, zum Beispiel global agierende Logistikunternehmen. Auf dem Weg zu einem neuen Gleichgewicht wird also die Schwankungsbreite an den Märkten zunächst zunehmen.“

Bert Flossbach, Gründer und Fondsmanager Flossbach von Storch:

„Der barbarische Krieg, den Russlands Präsident Putin in die Ukraine getragen hat, führt zu einer Polarisierung der Welt, die auch die Globalisierung zurückdreht. Deutschland ist wegen seiner Integration in den Welthandel zudem stark von China abhängig. Dessen Corona-Lockdown-Politik verdeutlicht, welch geringen Stellenwert die Freiheit des Einzelnen dort hat. Es bleibt zu hoffen, dass die wirtschaftlichen Folgen zu einer Umkehr führen, da diese nicht nur das Wohl der eigenen Bevölkerung gefährden, sondern auch die Weltwirtschaft bedrohen.

Der Ukraine-Krieg führt zu steigenden Energiepreisen und Chinas Lockdown gefährdet die Lieferketten. In Summe führt beides zu kräftig steigenden Preisen. Die Inflation wird sich über Zweitrundeneffekte weiter in unseren Alltag fressen. Das muss nicht, kann aber zu einer Stagflation wie in den 1970er Jahren führen. Während die US-Notenbank Fed bereits auf die Bremse tritt, zögert die EZB. Aus Angst vor Kollateralschäden scheut sie sich, die Zinsen anzuheben, und beschert den Sparern einen Realzins von aktuell minus sieben Prozent. Wer kann, sollte einen großen Teil seines Vermögens in Sachwerte investieren, vor allem in gute Aktien und Gold. Für Immobilien kommt es wegen steigender Hypothekenzinsen und Energiekosten zum Lackmustest.“

Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der DekaBank:

 

„Nach einer ersten Schockreaktion werden die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf die jeweiligen Volkswirtschaften und die Kapitalmärkte mittlerweile differenziert bewertet. Stark steigende Preise für Rohstoffe und Energie führen vor allem in Deutschland und Europa zu spürbaren Wachstumseinbußen und einer hohen Verunsicherung, während die USA und auch China hiervon vergleichsweise wenig betroffen sind. Diese ungleiche Belastung wird sich zunehmend in den Aussichten auf die regionalen Aktienmärkte widerspiegeln; zum relativen Nachteil deutscher und europäischer Titel gegenüber Aktien aus den USA und den Schwellenländern.  

Gleichzeitig wird die schon vor Kriegsausbruch nach oben gerichtete Inflationsrate weiter unterstützt. Der Krieg hat die starke Kurskorrektur an den Rentenmärkten und die damit einhergehende Zinsbewegung vom Ausmaß her noch verstärkt. Der Ausblick bleibt vor allem für Staatsanleihen aus der Eurozone negativ. In einem von Krieg geprägten Umfeld gilt es, den Schwerpunkt im Portfolio auf reale Anlageklassen zu verlagern.“

Klaus Kaldemorgen, Fondsmanager des DWS Concept Kaldemorgen:

 

„Die Märkte wurden von dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ebenso überrascht wie die Politik. Aktien standen im Zuge der Eskalation der Ukraine-Krise global unter Druck. Sie bleiben aus Allokations-Sicht aber weiterhin erste Wahl, gerade auch unter dem Eindruck höherer Inflationsraten. Eine gute Ausgewogenheit im Aktienportfolio wird aber künftig noch wichtiger sein als bisher. 

Die Inflationsraten waren schon vor der Invasion Russlands in die Ukraine deutlich gestiegen. Jetzt hat sich die Situation allerdings nochmals verschärft. Für Zinsanlagen bedeutet dies: Es war schon zu Jahresbeginn eine gute Idee, in Erwartung steigender Zinsen die Durationsrisiken zu begrenzen. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert. Anleihen haben ihre Funktion als Diversifikationsinstrument weitgehend eingebüßt. Wesentlich besser eignen sich da Strategien mit liquiden alternativen Anlagen, die in Stressphasen stabilisierend wirken können. Das trifft auch für Gold zu, das im Umfeld hoher geopolitischer Risiken und hoher Inflation ebenfalls eine sehr gute Daseinsberechtigung in einem Depot hat.“

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