Nach Super-Halbjahr wird es für den Dax schwieriger
Nach Super-Halbjahr wird es für den Dax schwerer
Verhaltene Prognosen der Marktstrategen – Europa und China statt Amerika – Chancen bei Small Caps – Dollar-Schwäche dürfte anhalten
Von Werner Rüppel, Frankfurt
Im ersten Halbjahr haben Dax und Europas Börsen deutlich zugelegt, während der Dollar eingebrochen ist. Strategen sprechen von der besseren Hälfte. Das zweite Halbjahr dürfte für den Dax schwieriger werden. Doch stufen viele Experten europäische Titel als aussichtsreicher als die teuren US-Aktien ein.
Zum Jahresende und zum Halbjahr ist an den Kapitalmärkten stets Zeit, Bilanz zu ziehen und nach vorne zu blicken. Dieses Mal reiben sich die Investoren die Augen. Denn in der Performancerangliste vorne liegen, in Euro gerechnet, europäische Bankaktien mit einem Plus von 34,6% sowie Dax und MDax mit Wertzuwächsen von 20,1% und 19,1%. Dabei haben die Kurse von Einzelwerten wie Rheinmetall, Siemens Energy oder die Commerzbank um mehr als 180%, rund 90% und rund 80% zugelegt.
Hingegen hat sich US-Präsident Donald Trump zumindest für den Euro-Anleger als Wertvernichter erwiesen. Der Euro hat gegenüber dem Dollar im ersten Halbjahr unglaubliche 13,8% zugelegt. Dadurch erlitt der marktbreite US-Aktienindex S&P 500 in der Europawährung einen Verlust von 6,8%, während US-Staatsanleihen um 8,8% abrutschten. Der Goldpreis hat zwar in Dollar deutlich zugelegt, kommt aber in Euro auch nur auf ein Plus von 11,1%.
Europa vorne
Für den Dollar-Investor waren denn auch europäische Banken sowie die Aktienmärkte Griechenlands, Spaniens, Italiens und Deutschlands (mit dem Dax) erste Wahl. Immerhin haben amerikanische Aktien in der schwächelnden US-Währung noch ein Plus erzielt, weil der Einbruch nach dem „Liberation Day“ dann doch wieder aufgeholt werden konnte. Dabei haben die Aktienmärkte davon profitiert, dass Trump, nachdem er erst eine massive Zollkeule herausgeholt hat, seine Zollpolitik dann doch wieder zum Teil korrigiert hat. Zudem ist der Ölpreis nach zwischenzeitlichem Anstieg nach der Eskalation in Nahost wieder nach dem Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran zurückgefallen.

Der Blick nach vorne der Kapitalmarktstrategen der Wertpapierhäuser ist denn auch durchweg von Vorsicht geprägt. „US-Präsident Trump bleibt der dominierende Faktor am Kapitalmarkt“, stellt Frank Engels, der für das Portfoliomanagement zuständige Vorstand bei Union Investment, fest. Dabei sei die Unfallgefahr nicht zu unterschätzen. „Eine Verhärtung der Positionen im Zollkonflikt mit China oder Europa kann das Wirtschaftswachstum stärker als erwartet belasten und zudem die Inflation anheizen.“
Viel Positives eingepreist
Auch für den Dax dürfte es im zweiten Halbjahr nach den hohen Gewinnen in der ersten Hälfte schwerer werden. Ein neuerliches Plus von 20% erwartet jedenfalls keiner der Strategen. „Mit einem beim Dax überragenden ersten Halbjahr haben Aktien viel Positives vorweggenommen und sind hoch bewertet“, sagt Markus Reinwand von der Helaba. Er erwartet, dass der Dax bis Ende dieses Jahres auf 22.000 Punkte zurückgeht und sich bis Mitte 2026 dann wieder auf 23.000 Zähler befestigt. Da ist Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Deka, denn doch zuversichtlicher. Er rechnet für die Sommermonate hinweg zunächst mit einer Konsolidierung. „Die Intensität der geopolitischen Konflikte, vor allem aber die zunehmend sichtbar werdenden Zolleffekte sprechen für moderate Kurskorrekturen bei anhaltend hohen Schwankungen.“ Da er den strukturellen Aufwärtstrend der Aktienmärkte aber nicht in Gefahr sieht, rät Schallmayer von einem kurzfristigen, hektischen Kaufen und Verkaufen ab: „Wir gehen davon aus, dass der Dax das Jahr auf den aktuellen Kursständen von 24.000 Punkten beenden und in den kommenden zwölf Monaten die Marke von 26.000 Punkten erreichen wird.“

In den vergangenen Jahren hatten die großen amerikanischen Big-Tech-Titel den US-Aktienmarkt getrieben und zu einer Outperformance der amerikanischen Börsen geführt. Schließlich waren US-Tech-Werte auf Bewertungsniveaus geklettert, die an den Höhepunkt der Dotcom-Blase erinnerten. Dann haben aber DeepSeek und die Wirtschaftspolitik Donald Trump für Kurskorrekturen gesorgt.
Doch noch immer stufen renommierte Kapitalmarktstrategen wie Vincent Mortier, CIO bei Amundi, Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research bei Invesco, oder Harald Preißler, Kapitalmarktstratege bei Bantleon, die Aktien der Magnificent Seven als teuer oder zu teuer ein, und empfehlen, sich breiter aufzustellen und in europäische Aktien, Small Caps und auch in chinesische Titel zu investieren. „Die Stunde Europas ist gekommen“, sagt Mortier und rät, den Horizont auf Small- und Mid-Caps zu erweitern.
Auch Deka-Stratege Schallmayer traut US-Aktien auf Sicht von zwölf Monaten lediglich eine Seitwärtsbewegung zu, während europäische Aktien solide ansteigen dürften. „Es ist ein Stimmungswandel bei internationalen Investoren in Gang, der für anhaltende und die Kurse unterstützende Zuflüsse bei europäischen Aktien sorgen dürfte.“ Zudem würden jetzt viele MDax-Unternehmen aus dem Schattendasein der vergangenen Monate heraustreten. Invesco-Experte Jackson favorisiert einen Mix aus Bank Loans, Nicht-US-Aktien und Industrierohstoffen. Für attraktiv hält er chinesische Aktien. Diese seien immer noch ungewöhnlich günstig. In Europa profitierten vom Ausbau des militärisch-industriellen Komplexes nicht nur die Luftfahrt- und Verteidigungsindustrie, sondern auch andere Branchen wie Bau und Investitionsgüter.
„Ausnahmestellung vorbei“
„Die Ausnahmestellung der USA ist vorbei“, erklärt Bantleon-Stratege Preißler. Das Shiller-KGV zeige deutlich, je höher die Bewertungen heute sind, desto tiefer werde die Performance in den kommenden Jahren sein. „Konkret dürften US-Aktien künftig einen Kurszuwachs von 3% bis 5% p.a. bieten, während europäische Aktien auf 7% bis 8% p.a. kommen sollten.“
Beim Dollar halten die meisten Strategen eine weitere Abschwächung gegenüber dem Euro für wahrscheinlich. Michael Heise, Chefvolkswirt des HQ Trust, erklärt: „Werte um 1,20 Dollar für einen Euro am Jahresende erscheinen plausibel.“