Forderungsbesicherte Wertpapiere

US-Studentenkredite werden zum Finanzrisiko

Millionen US-Akademiker müssen in den kommenden Monaten Studentenkredite zurückzahlen. Dabei drohen jedoch erhebliche Probleme mit schweren Folgen für Wirtschaft und Finanzmärkte.

US-Studentenkredite werden zum Finanzrisiko

US-Studentenkredite werden zum Finanzrisiko

Massive Probleme bei Rückzahlungen drohen Markt für Asset-Backed Securities hart zu treffen – Furcht vor Folgeeffekten in anderen Kreditkategorien

xaw New York

Auf die Finanzmärkte rollt eine Welle zu, deren Zerstörungskraft Investoren zu unterschätzen drohen. So müssen nach einer fast fünfjährigen Gnadenperiode infolge der Coronakrise im zweiten Halbjahr 19 Millionen US-Schuldner ihre Studentenkredite zurückzahlen, weitere 8 Millionen stehen ab dem kommenden Jahr in der Pflicht. Insgesamt stehen die 42,7 Millionen Darlehensnehmer im Markt laut dem Bildungsministerium der Vereinigten Staaten mit 1,6 Bill. Dollar in der Kreide.

„Die Wiederaufnahme der Rückzahlungen kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die US-Verbraucher mit hartnäckiger Inflation, hohen Zinsen und einer Abkühlung des Arbeitsmarkts ringen“, kommentieren die Analysten des Assetmanagers Loomis Sayles die Entwicklung. Schuldner mit starken Kreditprofil könnten zwar in der Lage sein, den Wandel zu managen, doch einige Segmente des Marktes stünden vor schweren Belastungen. In die gleiche Kerbe schlug zuletzt auch S&P Global, die insbesondere im spekulativen Rating-Segment hohen Druck erwartet.

Weitreichende Folgeeffekte drohen

„Das ist ein Risikofaktor, den Investoren am Markt für strukturierte Kreditprodukte nicht ignorieren sollten“, schreibt David Rittner, Investmentstratege bei Loomis Sayles, in einer Analyse. Schließlich werden viele Studentenkredite verbrieft, in Form von Asset-backed Securities handelbar gemacht und bilden somit einen derivativen Markt mit Billionenvolumen. Diesem drohen laut Analysten nun Verwerfungen durch einen Anstieg der Zahlungsverzüge, Abschwünge der Bonität und eine allgemein geringere Verfügbarkeit von Krediten für Verbraucher schwerere Verwerfungen.

Eine Krise in dem Segment könnte laut Marktbeobachtern weitreichende Folgeeffekte entwickeln. „Wer mit den Rückzahlungen seines Studentenkredits im Rückstand ist, der muss auch höhere Kreditkosten beim Auto- oder Häuserkauf schultern“, sagt Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie beim japanischen FInanzdienstleister Nomura in New York. Die Folge sei ein Nachfragerückgang bei anderen Privatkundenprodukten von US-Geldhäusern. Üblicherweise seien die ersten Ausfälle bei ABS damit ein starkes Signal für allgemein wachsende Sorgen um die Kreditqualität in den Vereinigten Staaten.

Spread-Ausweitung voraus

„Im aktuellen Zyklus müssen viele Investoren dem Markt für Studentenkredite mehr Beachtung schenken“, betont auch Hertrich daher. „Wenn sich die ABS-Spreads noch signifikant ausweiten sollten, dann ist das ein ziemlich guter Indikator dafür, dass auch die noch nicht verbrieften Verbraucherkreditportfolios der Banken einen genaueren Blick verdienen.“ Noch sei sei der Markt zwar nicht an diesem Punkt angekommen, die Risiken wachsen laut anderen Analysten aber.

Nach Daten von Western Asset Management hat sich der Spread von ABS auf Studentenkredite mit „AAA“-Rating gegenüber Corporate Bonds aus dem Investment-Grade-Bereich in den vergangenen Jahren bei Niveaus um die 150 Basispunkte eingependelt. Doch Indizes von S&P Global sowohl für die Qualität von Krediten aus dem FFELP-Programm – in dessen Rahmen Banken bis 2010 von der Regierung in Washington garantierte Student Loans vergaben, bevor die Regierung von Barack Obama ein neues Direktkreditsystem auflegte – als auch für private Bildungsdarlehen haben zuletzt die negativsten Niveaus seit 2005 bzw. 2016 erreicht.

Börsen-Zeitung, sw/iGrafik.de

Dem US-Bildungsministerium sind die mehr als fünf Millionen Schuldner, die seit über 360 Tagen keine monatlichen Rückzahlungen ihrer Studentenkredite mehr geleistet haben, ein Dorn im Auge. Viele zeigten sich seit mehr als sieben Jahren zahlungsunfähig. Hinzu kämen über vier Millionen Kreditnehmer, die sich seit 91 bis 180 Tagen im Zahlungsverzug befänden. „Schon in wenigen Monaten dürften sich damit nahezu 25% des Bundesportfolios an Studentenkrediten im Default befinden“, heißt es bei der Behörde.

Seit Mai treibt das Department of Education unter Direktive von Präsident Donald Trump mit verstärktem Nachdruck Rückzahlungen ein. Der Republikaner hat gegenüber der vorherigen Administration, die in großem Stil Studiendarlehen erlassen wollte, eine Kehrtwende hingelegt. Obwohl eine Rückzahlungspause aus Pandemiezeiten 2023 auslief, verlängerte Trumps Amtsvorgänger Joe Biden eine Frist, bis zu der säumigen Schuldnern keine Konsequenzen drohten, über die Präsidentschaftswahl 2024 hinaus.

Finanzieller Spielraum eingeschränkt

Inzwischen versendet das US-Finanzministerium allerdings Warnungen an Kreditnehmer, gemäß denen ihnen Steuererstattungen und Leistungen aus der Sozialhilfe gestrichen werden, wenn sie ihrem Schuldendienst nicht nachkommen. Später im Sommer werde die Regierung voraussichtlich sogenannte „Wage Garnishment“-Prozesse starten, in deren Zuge sie Arbeitgeber verpflichten kann, Löhne und Gehälter einzubehalten und an den Gläubiger Staat abzuführen. Ökonomen warnen davor, dass dies den ohnehin eingeschränkten finanziellen Spielraum der Verbraucher weiter beschneiden dürfte – insbesondere, wenn die Effekte von Trumps Strafzöllen einträten und die Inflation neue Sprünge hinlege.

Zusätzliches Problem: Washington plant im Streben nach einer Verschlankung des Verwaltungsapparats Massentlassungen im Bildungsministerium. Um diese läuft noch ein Rechtsstreit – der Oberste Gerichtshof der USA hat zuletzt allerdings geurteilt, dass die Regierung mit den Kürzungen fortfahren darf. Betroffen sind bisher mehr als 1.300 Mitarbeiter, also rund die Hälfte der Belegschaft. Laut Loomis Sayles wird es für Schuldner in der Folge schwieriger, Unterstützung bei der Ausarbeitung von Rückzahlungsplänen zu finden.

Gefährdet mit seiner Haushaltspolitik die Finanzstabilität: US-Präsident Donald Trump.
Gefährdet mit seiner Haushaltspolitik die Finanzstabilität: US-Präsident Donald Trump.
picture alliance / Anadolu | Celal Gunes

Darüber hinaus hat Trump in seinem vom Kongress verabschiedeten Mega-Haushaltspaket, der „Big, Beautiful Bill“, verfügt, dass die Zahl der Rückzahlungsoptionen für Studiendarlehen von sieben auf zwei sinken soll. Kreditnehmer haben nun bis zum 1. Juli 2028 Zeit, in einen der beiden neuen Pläne umzuschulden. Zudem begrenzt die Regierung die maximalen Mittel, die Schuldner beziehen können, und kürzt die Zuschüsse für Studenten aus einkommensschwachen Haushalten. Während konservative Think Tanks dies als notwendige Vereinfachung feiern, fürchten Interessenverbände länger anhaltende Belastungen für Kreditnehmer.

Stabilität in Gefahr

Loomis Sayles warnt davor, dass insbesondere Schuldner, die sich knapp unterhalb des Prime-Segments befänden, im Zuge der anstehenden Rückzahlungswelle unerwartet unter Druck geraten könnten – und damit auch die an deren Kredite gekoppelten Wertpapiere. Diese Gruppe hält gemäß Daten der Federal Reserve von New York rund 32% der ausstehenden Studiendarlehen. Damit droht laut dem Bostoner Vermögensverwalter eine neue Variable das schwierige Makro-Umfeld am Markt für Asset-Backed Securities noch zu verkomplizieren.

Dabei steht dieser infolge des abnehmenden Vertrauens in die fiskalische Stabilität Washingtons ohnehin vor Turbulenzen. Inzwischen haben alle drei großen Ratingagenturen den Vereinigten Staaten infolge wiederholter Schuldenstreitigkeiten im Kongress und angesichts explodierender Haushaltsdefizite die Spitzen-Bonitätsnoten entzogen. Dies führt zu anhaltend hohen Renditeniveaus am Staatsanleihemarkt und Folgeeffekten bei anderen Schuldinstrumenten, deren laufende Verzinsungen sich üblicherweise parallel zu zehnjährigen Treasuries entwickeln. Moody's hat zuletzt erhebliche Zweifel daran angemeldet, dass die Regierung noch in der Lage wäre, staatliche Bail-outs im Finanzsektor zu stemmen. Die Krise bei Studentenkrediten führt in diesem Umfeld zu weiteren Stabilitätsrisiken für US-Banken – und zu einer potenziell zerstörerischen Welle am Kapitalmarkt.

In den USA stehen 43 Millionen aktuelle und ehemalige Studenten mit einer Billionensumme in der Kreide, viele kommen ihren Verpflichtungen seit Jahren nicht nach. Nun will Washington Schulden aus Bildungsdarlehen mit Nachdruck eintreiben – riskiert in der Folge aber Turbulenzen an den Finanzmärkten.

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