Fiskalischer Druck nimmt zu

Britische Neuverschuldung geht durch die Decke

Die britische Neuverschuldung übertraf die Erwartungen. Dabei waren Belastungsfaktoren wie die US-Zölle noch gar nicht wirksam.

Britische Neuverschuldung geht durch die Decke

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geht durch die Decke

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hip London

Die britische Regierung hat im Ende März abgelaufenen Finanzjahr wesentlich mehr neue Schulden gemacht als erwartet. Wie einer ersten Schätzung des Statistikamts ONS zu entnehmen ist, stieg die öffentliche Neuverschuldung trotz deutlich höherer Steuereinnahmen auf 151,9 Mrd. Pfund. Das waren 20,7 Mrd. Pfund mehr als im Vorjahr.

Sie bewegte sich zudem um 14,6 Mrd. Pfund über der vor weniger als einem Monat vorgelegten Schätzung der unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility (OBR). Als Schatzkanzlerin Rachel Reeves ihr „Spring Statement“ vorlegte, fokussierten sich Finanzmarktteilnehmer auf den Optimismus des OBR, was die mittelfristigen Aussichten der britischen Wirtschaft angeht.

Trumps Zollpolitik noch nicht berücksichtigt

„Dieser Bericht legt nahe, dass selbst sein sehr kurzfristiger Ausblick weit daneben lag“, schrieben die Volkswirte der Lloyds Banking Group in einer ersten Einschätzung der Daten. Die unerwartet schlechten Nachrichten zu 2024/25 bedeuten aus ihrer Sicht, dass 2025/26 ein noch größeres Loch zu stopfen sein wird.

Die Auswirkungen der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump hatten ebenso wenig Einfluss auf die Neuverschuldung wie die von Reeves angekündigten Steuer- und Abgabenerhöhungen. Zu den Treibern der höheren Staatsausgaben gehörten neben den gestiegenen Kosten für den Schuldendienst auch hohe Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst.

Verschuldung wie in den 1960er-Jahren

Die Schuldenagentur DMO geht nun davon aus, im laufenden Jahr 4,9 Mrd. Pfund zusätzlich auftreiben zu müssen als zuletzt geplant. Sie will dabei angesichts der Volatilität am Markt für britische Staatsanleihen (Gilts) auf Treasury Bills zurückgreifen.

Der ONS-Chefvolkswirt Grant Fitzner wies darauf hin, dass sich die Staatsverschuldung weiterhin auf Höhe des Bruttoinlandsprodukts bewege. Das sei ein Niveau, das man zuletzt in den frühen 1960er-Jahren gesehen habe.

Wachstumsprognose gesenkt

Die Aussichten trüben sich ein. Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte zuletzt seine Wachstumsprognose für das Vereinigte Königreich für das laufende Jahr von 1,6% auf 1,1%. Für 2026 unterstellte er nur noch ein Plus von 1,4 (zuvor: 1,5%). Der IWF-Chefvolkswirt Pierre Olivier Gourinchas betonte dabei, dass „einheimische Faktoren“ der wesentliche Grund für die niedrigeren Erwartungen seien. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf werde im laufenden Jahr fast stagnieren und 2026 kaum steigen.

Unterdessen warnte der Verband Make UK vor den Auswirkungen der US-Zölle und forderte die Regierung dazu auf, schnell zu einer Übereinkunft mit den Vereinigten Staaten zu kommen. Sonst bleibe den Unternehmen des produzierenden Gewerbes nichts anders übrig, als Stellen zu streichen.

Stimmung trübt sich ein

Die jüngste Blitzumfrage des Finanzdatenanbieters S&P Global unter Einkaufsmanagern gab ein alarmierendes Bild ab. Der Flash UK PMI Composite Output Index stürzte von 51,2 Zählern auf 48,3 ab. Ein Unterschreiten der Schwelle von 50,0 deutet auf eine wirtschaftliche Schrumpfung hin. Das gab es zuletzt im Oktober 2023. Wie Chris Williamson, der bei S&P Global zuständige Volkswirt ausführt, entsprechen die Daten einer Schrumpfung des BIP von 0,3% auf Quartalsbasis.

Der Stellenabbau werde aggressiv fortgesetzt, während sich der Optimismus für das Geschäft in den kommenden zwölf Monaten auf dem tiefsten Stand seit zweieinhalb Jahren bewege, sagte Williamson. Er liege noch unter dem unmittelbar nach dem Brexit-Referendum erreichten Tief.

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