Bank of England

Britische Notenbank erhöht Leitzins um halben Prozentpunkt

Die Bank of England beschließt den größten Zinsschritt seit 27 Jahren. Für das Schlussquartal erwartet sie einen Inflationsanstieg auf 13%. Die Schuld gibt Notenbankchef Andrew Bailey Wladimir Putin.

Britische Notenbank erhöht Leitzins um halben Prozentpunkt

hip London

Die Bank of England hat angesichts der rasanten Teuerung den Leitzins so stark nach oben geschraubt wie seit mehr als einem Vierteljahrhundert nicht. Zudem legte sie dar, wie sie den zur Ankurbelung der Konjunktur zusammengekauften Anleihenberg abtragen will. Das geldpolitische Komitee (Monetary Policy Committee, MPC) erhöhte den Zins um 50 Basispunkte auf 1,75 %. Einen Schritt nach oben in dieser Größenordnung hatte es zuletzt 1995 gegeben.

„Wenn wir jetzt nicht handeln, wird sich die Inflation festsetzen“, sagte Notenbankchef Andrew Bailey. „Dann wird es schlimmer und wir müssen stärker handeln.“ Bis auf Silvana Tenreyro stimmten alle MPC-Mitglieder für diese Vorgehensweise.

Mit dem „Quantitative Tigh­tening“ (QT) genannten Bilanzabbau hat die Bank of England im Februar begonnen. Seitdem ersetzt sie auslaufende Staatsanleihen (Gilts) aus dem einst 875 Mrd. Pfund schweren Portfolio nicht mehr durch neue. Inzwischen ist es auf 844 Mrd. Pfund abgeschmolzen. Wie die Notenbank separat mitteilte, soll im September der allmähliche Abverkauf beginnen, vorausgesetzt, das MPC stimmt auf der nächsten Sitzung zu. Sie strebt für die ersten zwölf Monate eine Re­duzierung des Bestands durch Verkäufe um 10 Mrd. Pfund pro Quartal an. Auslaufende Papiere berücksichtigt, würde das Portfolio damit um 80 Mrd. Pfund schrumpfen.

Die Geldpolitiker haben ihre Inflationsprognose nachgebessert, mit der sie seit Ende vorigen Jahres regelmäßig danebenlagen. Für das Schlussquartal gehen sie nunmehr davon aus, dass die Teuerungsrate bei 13,1 % liegen wird. Einen Schuldigen dafür hat Bailey bereits ausgemacht: den russischen Staatschef Wladimir Putin, dessen Angriff auf die Ukraine die Energiepreise in die Höhe gejagt hat. Allerdings hatte der Gaspreis bereits vor dem russischen Einmarsch in das Nachbarland deutlich zugelegt, weil im Zuge der Energiewende viele Staaten auf Gas als Übergangstechnologie setzten.

„Der Krieg hat einen wirtschaftlichen Preis“, sagte Bailey auf der Pressekonferenz der Bank of England. „Aber das wird uns nicht davon ablenken, die Geldpolitik festzulegen.“ Dem mit der Zinsentscheidung vorgestellten Inflationsbericht ist zu entnehmen, dass nach Schätzung der Zentralbankökonomen allein der direkte Beitrag der Energiepreise zur Inflation im Schlussquartal bei 6,5 Prozentpunkten liegen dürfte. Sie gehen davon aus, dass die Teuerung im dritten Quartal 2023 immer noch bei 9,5 % liegen wird, um dann innerhalb von zwölf Monaten den Zielwert der Notenbank von 2,0 % zu erreichen. Wie das gehen soll? Sie unterstellen einfach, dass der direkte Beitrag der Energiekosten zur Inflation auf null zurückgeht und der einheimische Inflationsdruck nachlässt.

Alle Optionen auf dem Tisch

Bailey ist offensichtlich nicht so optimistisch wie seine Volkswirte. Die Prognosen seien angesichts der Ungewissheit rund um den Ukra­ine-Krieg und die Gaspreisentwicklung mit „außerordentlich großen“ Risiken behaftet. „Wenn wir die Inflation nicht auf den Zielwert zurückführen und wenn wir die sogenannten Zweitrundeneffekte bekommen, wird es schlimmer“, sagte er. „Und es wird genau für diejenigen schlimmer, die zu den weniger Begüterten in der Gesellschaft gehören.“

Bailey schreckte allerdings davor zurück, einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Geldpolitik zu geben. „Alle Optionen liegen auf dem Tisch“, sagte er anstelle des von den Finanzmärkten erhofften Zinsausblicks, der bislang üblichen Forward Guidance. Die Bank werde „kraftvoll“ handeln, wenn nötig.

„Die Bank of England hat klargestellt, dass die Bekämpfung der hohen Preise auf kurze Sicht Priorität hat“, sagte die Volkswirtin Hetal Mehta von Legal & General Investment Management. „Weitere Zinserhöhungen bleiben wahrscheinlich, da die Inflation in den kommenden Monaten unangenehm hoch bleiben dürfte.“ Die Bank of England begann zwar als erste der großen westlichen Notenbanken mit Zinserhöhungen. Doch wirkten ihre stetigen Schritte von 25 Basispunkten im Vergleich zu anderen wie allen voran der US-Notenbank Fed langsam.

Volkswirt Henry Cook von der japanischen Großbank MUFG schätzt, die Notenbanken würden dazu geneigt sein, die Zügel zu stark anzuziehen. Das Rezessionsrisiko zu erhöhen, erscheine den Geldpolitikern vermutlich weniger problematisch, als durch ein schüchternes Vorgehen eine neue Ära höherer Inflation einzuläuten. Der Ökonom David Muir von Moody’s Analytics sagt: „Obwohl sich die Wirtschaftsentwicklung weiter verlangsamt und das Rezessionsrisiko hoch ist, erwartet das MPC, dass die Inflation länger hoch bleiben wird, was einen weiteren Zinsschritt von 50 Basispunkten auf der Sitzung im kommenden Monat wahrscheinlich macht.“

Allerdings gibt es Zweifel, dass die Bank of England den Zins immer weiter nach oben setzen wird. So gibt der Stratege Tom Kremer von der Quintet Private Bank zu bedenken: „Ein langsameres Wachstum durch die bereits erfolgten Zinserhöhungen und den zunehmenden Druck bei den Lebenshaltungskosten wird letztendlich zu einer Pause in diesem Zinserhöhungszyklus führen, möglicherweise gegen Jahresende.“

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