Währungsreserven

Bundesbank mauert bei IWF-Hilfen

Die führenden Volkswirtschaften haben die zusätzlichen Währungsreserven des IWF gar nicht nötig. Doch Deutschland bleibt bei Plänen für eine Umverteilung außen vor – weil die Bundesbank sich sperrt.

Bundesbank mauert bei IWF-Hilfen

Von Stefan Reccius, Frankfurt

Wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) an diesem Montag in einem historischen Schritt Notenbankern und Finanzministern in aller Welt 650 Mrd. Dollar an frischen Währungsreserven zuteilt, nehmen hinter den Kulissen Gespräche über eine Umverteilung ähnlich historischen Ausmaßes Fahrt auf. Die Richtung hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vorgegeben: Im Mai lancierte Macron auf einem Afrika-Gipfel in Paris das Ziel, 100 Mrd. Dollar dieser sogenannten Sonderziehungsrechte (SZR) aus den reichen Industriestaaten an Entwicklungsländer, allen voran in Afrika, weiterzureichen. Es geht Macron darum, eine Allianz unter den G7-Staaten zu schmieden. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa und ihren Stab in Washington weiß Macron bei diesem Vorhaben auf seiner Seite. Auf Deutschland werden Macron und Georgiewa hingegen nicht zählen können: Die Bundesbank sperrt sich.

Eigentlich müsste Deutschland einer der Hauptadressaten dieses Bestrebens sein. Das Land ist der viertgrößte Anteilseigner des IWF. Seine Währungsreserven sind üppig. Anleger reißen sich um Bundesanleihen als sichere Häfen. Die Staatsfinanzen gelten trotz Rekordverschuldung international als vorbildlich. Der Geldpolitikexperte David Marsh sagt: „Weder Deutschland noch irgendein anderes Land des Euroraums hat die zusätzlichen Währungsreserven aus heutiger Sicht nötig“ (siehe Interview auf dieser Seite). Trotzdem sind der Bundesregierung die Hände gebunden.

Rechtliche Bedenken

Grund ist die Weigerung der Bundesbank. Sie begründet ihr kategorisches Nein mit Verweis auf rechtliche Bedenken. Zum einen bemüht sie Artikel 123 des EU-Vertrags, der jede Form monetärer Staatsfinanzierung verbietet, also den Einsatz der Notenpresse zu Zwecken der Fiskalpolitik. Es sei „den Zentralbanken des Eurosystems nicht erlaubt, Schenkungen vorzunehmen; dementsprechend können SZR nicht an andere Länder weitergereicht werden.“ IWF-Mitglieder können die Sonderziehungsrechte untereinander gegen harte Währungen wie Euro und Dollar eintauschen. Das soll ihre Staatsfinanzen stabilisieren und Schuldenkrisen vorbeugen.

Die von Frankreich angeführten Bestrebungen zielen aber ohnehin auf eine andere Form des Transfers: Ein Teil der Sonderziehungsrechte soll über Kredite den Weg aus den Büchern der Banque de France in einen vom IWF verwalteten Treuhandfonds finden. Andere führende Volkswirtschaften haben grundsätzliche Bereitschaft bekundet. Informierten Kreise zufolge gibt es „fortgeschrittene konkrete Überlegungen“.Über die Modalitäten wird im Kreise von IWF, G7 und G20 gerungen. In den USA, größter Anteilseigner des IWF, kommt es neben dem Finanzministerium, das die Sonderziehungsrechte verwaltet, auch auf die Zustimmung des Kongresses an.

Als bevorzugte Option gilt eine Aufstockung des Poverty Reduction and Growth Trust (PRGT). Über diesen Treuhandfonds können Entwicklungsländer vom IWF Hilfsdarlehen zu Nullzinsen beziehen. Im Raum steht zudem ein neuer Treuhandfonds unter dem Arbeitstitel „Resilience and Sustainability Trust“. In der Diskussion ist auch, Sonderziehungsrechte an Entwicklungsbanken zu verleihen, um deren Kreditvergabe anzukurbeln. „Es ginge nicht darum, Währungsreserven für alle Zeiten zu verschenken“, betont auch Marsh, „sondern Entwicklungsländern langfristige Kredite zu Nullzinsen zu gewähren“.

Die Bundesbank weist freilich auch dieses Ansinnen zurück: Dafür „fehlt in Deutschland die rechtliche Grundlage“. Nach dem deutschen IWF-Gesetz von 1978 sei die Bundesbank beauftragt, die finanziellen Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft Deutschlands im IWF wahrzunehmen. „Freiwillige Kredite stellen keine derartige Verpflichtung dar.“

Die Suche nach Gründen für die Zurückhaltung der Bundesbank führt ins Dickicht der Währungspolitik. Nach Maßgabe des IWF müssen Reserven liquide sein, das heißt kurzfristig und zu geringen Kosten handelbar, zudem von hoher Qualität, also ausfallsicher. Es geht um die Frage, ob Kredite an vom IWF verwaltete Treuhandfonds diesen Kriterien genügen. Das lässt Raum für Interpretationen und Abwägungen. Andere Zentralbanken kommen zu einem anderen Schluss als die Bundesbank. So hat die Banque de France wiederholt Sonderziehungsrechte als Kredite an Hilfstöpfe des IWF weitergereicht.

Das Bundesfinanzministerium hält sich bedeckt. Berlin steckt in einer verzwickten Lage. Die Bundesregierung hat das Versprechen der führenden Industriestaaten (G7) über zusätzliche Hilfen für Entwicklungsländer ebenfalls unterschrieben – und übernimmt nächstes Jahr den G7-Vorsitz. Es bleibt nur der Umweg über den Bundeshaushalt. Vor einem Jahr hat die große Koalition den PRGT-Treuhandfonds über ein langfristiges Darlehen bereits mit 3 Mrd. Euro aufgestockt. Nun läuft ihre Zeit an der Regierung ab. Fahrt wird das Thema in Berlin erst nach der Wahl aufnehmen – vor allem bei einer Regierungsbeteiligung der Grünen. Die Weitergabe von Sonderziehungsrechten sei ein Instrument, das man „sicher betrachten werde in der nächsten Legislaturperiode“, heißt es im Umfeld der Partei. „Wenn Frankreich vorangeht, wird Deutschland sich positionieren müssen.“

Als entscheidende Wegmarke für das Vorhaben gilt die IWF-Jahrestagung im Oktober. Bis dahin wird in Berlin keine neue Regierung stehen.

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