Konjunktur

China hält Kurs auf Schuldenrekord

Die Mühen Pekings, die ausufernde Gesamtverschuldung einzudämmen, werden von den aktuellen konjunkturellen Herausforderungen kompromittiert. Das Land steuert einem neuen Verschuldungsrekord entgegen.

China hält Kurs auf Schuldenrekord

nh Schanghai

Die jahrelangen Bemühungen der chinesischen Regierung, im Rahmen einer Finanzstabilitätskampagne den latenten Gefahren einer ausufernden Gesamtverschuldung entgegenzuwirken, werden von aktuellen konjunkturpolitischen Herausforderungen zunehmend kompromittiert. Wie aus einer Studie des vor allem auf fiskalpolitische Themen ausgerichteten Forschungsinstituts National Institution for Finance and Development (NIFD) hervorgeht, dürfte die zeitweilig etwas zurückgedrängte chinesische Leverage Ratio als Verhältnis der Gesamtverschuldung zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr wieder kräftiger anschwellen.

Der jüngsten Prognose des von der chinesischen Regierung finanzierten Think-Tanks zufolge wird die Verschuldungsquote in diesem Jahr um gut 11 Prozentpunkte auf einen dann neuen Rekordwert von 275% anwachsen. NIFD-Chef Zhang Xiaojing führt die Entwicklung an der Verschuldungsfront in erster Linie auf die laufende Abkühlung der chinesischen Konjunktur zurück, wobei neben zyklischen Faktoren vor allem auch die Auswirkungen der radikalen chinesischen Corona-Restriktionen im Zuge der auch als „Covid Zero“ bezeichneten Nulltoleranzpolitik eine Rolle spielen.

China hat auf eine Omikron-Welle im Frühjahr mit drastischen Mobilitätsrestriktionen und einem mehrmonatigen harten Lockdown des Wirtschafts- und Handelszentrums Schanghai reagiert, der gravierende Produktionsstörungen, erhebliche landesweite Lieferkettenstörungen und eine schwere Konsumdelle zur Folge hatte. Nun will die Regierung mit zahlreichen tendenziell verschuldungstreibenden Maßnahmen dafür sorgen, dass das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte wieder angefacht wird. Dabei spielen insbesondere Sonderanleihenprogramme auf Lokalregierungsebene zur Ankurbelung von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen wie auch fiskalische Hilfspakete und Steuererleichterungsmaßnahmen zur Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) eine herausragende Rolle.

Im Nachgang zum ersten Pandemieausbruch, der einen rekordhohen Absturz des chinesischen BIP im Anfangsquartal 2020 mit sich brachte, hatte die chinesische Regierung ein massives Stimulusprogramm auf die Beine gestellt, das eine rasche und sehr deutliche Erholung der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2020 mit sich brachte. Dies war allerdings mit einem Anstieg der Leverage Ratio um knapp 24 Prozentpunkte verbunden. Im Jahr 2021 hatte Peking dann wieder Finanzstabilitätsaspekte in den Vordergrund der wirtschaftspolitischen Planung rücken lassen und dabei insbesondere den Immobiliensektor ins Visier genommen.

Zhang zufolge ist der vom NIFD prognostizierte diesjährige Anstieg der Verschuldungsquote nicht mit größeren Finanzstabilitätsgefahren verbunden. Auch sei die Zentralbank gegenwärtig der Auffassung, dass der Verschuldungsgrad zunächst wieder ansteigen müsse, um die heimische Konjunktur wieder auf Kurs zu bringen. Gegenwärtig setzt die People’s Bank of China (PBOC) weniger auf Zinssenkungsmaßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft, sondern versucht auf eine Anregung der Kreditvergabeaktivität hinzuwirken. Im kürzlich verbreiteten vierteljährlichen geldpolitischen Bericht der PBOC ist nun auch die seit Jahren dort verankerte Zielvorgabe der Wahrung einer „grundsätzlich stabilen“ Verschuldungsquote diskret gestrichen worden.

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