Anleihekäufe

EZB-Granden ringen um Zukunft von PEPP

Die Euro-Hüter stehen vor zentralen Weichenstellungen. Bei der Zinssitzung am 9. September dürfte es um die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP gehen. Die Meinungen gehen auseinander.

EZB-Granden ringen um Zukunft von PEPP

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Anders als in der Vergangenheit nimmt aus dem Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr niemand als Aktiver an der Jackson-Hole-Konferenz der US-Notenbank Fed statt. Zwar findet die Tagung nun doch nur virtuell statt, so dass eine Reise in die USA nicht nötig wäre. Doch das Programm stand schon, als die Präsenzveranstaltung jetzt kurzfristig abgesagt wurde. Aus der Ferne werden auch die Euro-Hüter genau schauen, welche Signale US-Notenbankchef Jerome Powell in Sachen Drosselung der Anleihekäufe („Tapering“) gibt.

„Frage der Glaubwürdigkeit“

Denn auch die Euro-Hüter stehen vor zentralen Weichenstellungen. Bei der Zinssitzung am 9. September dürfte es um die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms ge­hen. Das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) ist das Herzstück der EZB-Antwort auf die Corona-Pandemie und die Jahrhundertrezession. Im März 2020 aufgelegt und zweimal verlängert und aufgestockt, hat es aktuell ein Volumen von 1,85 Bill. Euro und läuft bis mindestens März 2022. Ein halbes Jahr vor diesem Datum geht es nun darum, was nach März passiert.

Die Hardliner („Falken“) im EZB-Rat wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann dringen auf ein rasches Auslaufen von PEPP, sobald die Krise überwunden ist. „Das erste P steht schließlich für pandemisch und nicht für permanent. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit“, so Weidmann un­längst. Die „Tauben“ mahnen hinge­gen zur Vorsicht und reden teils gar von einer Ausweitung des Stimulus.

Die wirtschaftliche Entwicklung und die Inflationsentwicklung liefert beiden Lagern Argumente. Die Falken können etwa anführen, dass die Wirtschaft weiter kräftig zulegt. Im dritten Quartal scheint ein ähnliches Wachstum wie im zweiten Quartal von 2,0% möglich – wenn nicht sogar etwas mehr. Zudem hat die Inflation seit Jahresbeginn kräftig und sogar stärker als erwartet angezogen. Im Juli lag sie mit 2,2% erstmals seit Oktober 2018 wieder oberhalb der 2-Prozent-Marke, die die EZB mittelfristig anstrebt. Im Jahresverlauf scheinen sogar 3% möglich.

Die „Tauben“ dagegen können darauf verweisen, dass die Unsicherheit Pandemie-bedingt weiter groß ist. Hinzu kommen die anhaltenden Probleme in den globalen Lieferketten, die speziell die Industrie ausbremsen. Was schließlich die Preise betrifft, geht die jüngste Entwicklung stark auf Sonder- und Basiseffekte zurück. Schon Anfang 2022 dürften sich die Inflationsraten normalisieren. In ihren Juni-Projektionen hat die EZB für 2023 im Schnitt eine Inflation von nur 1,4% vorausgesagt.

Insbesondere beim Inflationsausblick hat zuletzt eine Art Kampf um die Deutungshoheit eingesetzt. Bundesbankchef Weidmann mahnte, das Risiko einer dauerhaft höheren Inflation nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: „Ich werde jedenfalls darauf drängen, auch das Risiko einer zu hohen Inflationsrate genau im Blick zu behalten und nicht nur auf das Risiko einer zu niedrigen Inflationsrate zu schauen.“ EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel stemmte sich dagegen gegen Inflationsängste: „So überraschend das für manchen klingen mag: Wir sorgen uns eher darum, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht zu niedrig ausfällt statt zu hoch.“

Eine wichtige Rolle spielt auch die neue geldpolitische Strategie. Mit dieser hat der EZB-Rat nicht nur das Inflationsziel auf glatt 2% leicht angehoben. Er hat vor allem auch eine größere Toleranz gegenüber zeitweise höheren Teuerungsraten eingeführt – zumal nach Jahren teils deutlich unterhalb der 2%. Mit der daraus resultierenden Neufassung des Zinsausblicks (Forward Guidance) hat der Rat die Hürde für eine Zinserhöhung noch höher gelegt. Neben Weidmann hatte auch Belgiens Notenbankchef Pierre Wunsch dagegen gestimmt, weil er sich nicht wohl fühlte, auf Sicht von fünf bis sechs Jahren Zinserhöhungen eher auszuschließen, wie er später sagte.

Möglicher Kompromiss

Nun aber geht es erst einmal um die Anleihekaufprogramme und PEPP. Als möglicher Kompromiss gilt, dass bei einem Auslaufen von PEPP im März 2022 die Käufe im Zuge des parallelen Asset Purchase Programme (APP) aufgestockt werden. Derzeit belaufen sich diese auf 20 Mrd. Euro pro Monat. Eine große Frage ist indes, ob und wie die größere Flexibilität bei den PEPP-Käufen womöglich auf ein „APP 2.0“ übertragen werden kann. Auch da gehen die Meinungen der EZB-Granden noch auseinander.

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