Geldpolitik

EZB: Ukraine-Eskalation könnte Ausstieg bremsen

Die EZB ist zuletzt auf eine raschere Normalisierung ihrer Geldpolitik zugesteuert. Die Eskalation in der Ukraine erschwert aber die Lage nun deutlich. Selbst Hardliner im Rat treten ein wenig auf die Bremse.

EZB: Ukraine-Eskalation könnte Ausstieg bremsen

ms Frankfurt

Die dramatische Zuspitzung in der Ukraine wird womöglich die avisierte Normalisierung der EZB-Geldpolitik verzögern. Darauf deuten Aussagen führender Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Donnerstag hin – insbesondere auch von solchen Notenbankern, die eigentlich eher für einen raschen Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik plädieren. Zugleich warnen führende Volkswirte und Geldpolitikexperten aber davor, die Normalisierung jetzt komplett abzusagen.

Nach langem Zögern hatte die EZB Anfang Februar einen besorgteren Ton zur rekordhohen Inflation im Euroraum angeschlagen und ins­besondere ein schnelleres Ende der billionenschweren Anleihekäufe avisiert. Zuvor hatten führende EZB-Gran­den sehr lange an der Einschätzung festgehalten, dass die hohe Inflation vor allem temporär sei – während nicht zuletzt die US-Notenbank Fed bereits eine drastische Kehrtwende vollzogen und eine deutliche Straffung ihrer Geldpolitik ab März in Aussicht gestellt hatte.

Zuletzt hatte dabei der weitere EZB-Kurs verstärkt Kontur angenommen: Demnach schien es so, als könnte der EZB-Rat nach dem Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März bereits im dritten Quartal auch das parallele Anleihekaufprogramm APP beenden. Das hätte die Tür für eine erste Zinserhöhung geöffnet – womöglich noch 2022. Über den Zeitpunkt hätte demnach im Sommer entschieden werden können (vgl. BZ vom 17. Februar). Nun könnte sich das verzögern. Die nächste Zinssitzung findet am 10. März statt.

Erhöhte Unsicherheit

Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann sagte nun am Donnerstag, dass Russlands Invasion in der Ukraine den Ausstieg der EZB bremsen könnte. Es sei „klar, dass wir uns grundsätzlich in Richtung geldpolitischer Normalisierung bewegen”, sagte Holzmann der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Es kann jedoch sein, dass sich die Geschwindigkeit nun etwas verzögert.“ Weiter sagte er: „Die Unsicherheit ist durch die Entwicklungen in der Ukraine zweifellos gestiegen. Wir werden genau analysieren, wie stark die Wirtschaft in weiterer Folge betroffen ist.“

Noch am Mittwoch hatte Holzmann in einem Interview gesagt, dass er sich durchaus noch zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr vorstellen könne, und eine davon schon im Sommer – womit er auch die bislang postulierte Marschroute in Zweifel stellte, dass erst die Anleihekäufe beendet werden sollen, bevor Zinserhöhungen anstehen (vgl. BZ vom 24. Februar). Nach dem Angriff Russlands schlug er nun einen vorsichtigeren Ton an.

Noch deutlicher als Holzmann äußerte sich am Donnerstag der griechische Notenbankchef Yannis Stournaras. Er mahnte im Gespräch mit Reuters zur Zurückhaltung: Er würde es befürworten, das APP-Programm „mindestens bis zum Jahresende“ fortzusetzen, sagte er.

Der russische Einmarsch ereignete sich nur wenige Stunden vor Beginn eines bereits vor längerer Zeit anberaumten informellen Treffens des EZB-Rats in Paris am Donnerstag. Die Unterredung dürfte zur Vorbereitung der März-Sitzung gedient haben. Die EZB teilte mit, dass sie am 10. März eine umfassende Bewertung des Konjunkturausblicks vornehmen werde. „Dies beinhaltet die Entwicklungen auf geopolitischem Gebiet.“

„Der über Europa gekommene Kriegsschock verdüstert den globalen Ausblick“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel am Donnerstag. Wie sich das auf die Konjunkturaussichten der Eurozone auswirke, sei im derzeitigen Stadium höchst unsicher. Die EZB behalte die Lage genau im Auge und werde sorgfältig prüfen, welche Konsequenzen diese für ihre Geldpolitik habe.

„Für die EZB wird die Situation bei der nächsten Sitzung besonders schwierig“, sagte der Wirtschaftsweise Volker Wieland der Börsen-Zeitung: „Einerseits ist es allerhöchste Zeit, eine Wende in der Geldpolitik auf den Weg zu bringen, um die Inflation mittelfristig auf Normalmaß zu bringen. Andererseits wird das Timing, genau dann, wenn möglicherweise viele europäische Länder mit Fragen der Energieversorgung zu kämpfen haben, ungünstig erscheinen. Da ist eine gute Kommunikation gefragt, wie man einerseits auf mögliche kurzfristige Verwerfungen mit entsprechender Liquiditätsversorgung reagiert, aber die notwendigen Schritte für die Wende in der Geldpolitik liefert.“ Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte der Börsen-Zeitung, dass die EZB im März darauf verzichten könnte, ein Ende der Anleihekäufe im September zu beschließen, falls ein Stopp der russischen Gas-Lieferungen die Euro-Wirtschaft hart treffen sollte.