Ampel-Koalition

Freud und Leid des Koalitions­vertrags

Der Koalitionsvertrag trifft auf Lob und Kritik. Finanzmarkt und Wirtschaft zeigen sich überwiegend zufrieden. Kritik hingegen wird laut an der geplanten Klimapolitik und am Mindestlohn.

Freud und Leid des Koalitions­vertrags

BZ Frankfurt

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung stößt in der Wirtschaft und bei Ökonomen auf geteiltes Echo. Gelobt wird neben dem Zustandekommen einer neuen Koalition in Europas größter Volkswirtschaft die Ausrichtung auf die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit Deutschlands unter nachhaltigen Gesichtspunkten. Kritisiert wird hingegen die geplante Klima- und Energiepolitik. Auch die Arbeitsmarktpolitik stößt auf Widerstand.

Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, hält die Finanzierung der Investitionsvorhaben der Ampel-Koalition für möglich. So soll laut Vertrag die KfW wenn nötig mit weiterem Kapital ausgestattet werden. Zudem wird angedeutet, dass im Rahmen von Sondervermögen des Bundes im laufenden und im kommenden Jahr Kredite aufgenommen werden, die dann in den folgenden Jahren Transformationsprojekte finanzieren können. Und schließlich sollen staatliche Gesellschaften wie die Deutsche Bahn ebenfalls mit zusätzlichen – kreditfinanzierten – Mitteln ausgestattet werden. „All das ist im Rahmen der Schuldenbremse möglich“, sagte Fuest. „Die Ampel-Koalition verzichtet darauf, die Schuldenbremse über das Jahr 2022 hinaus auszusetzen, obwohl derzeit unklar ist, ob die Pandemie bis dahin überwunden ist.“

In finanzpolitischen Fragen erfährt der Koalitionsvertrag ebenfalls viel Lob. „Die künftigen Regierungsparteien sehen Banken und Kapitalmärkte in einer entscheidenden Rolle, um die digitale und nachhaltige Transformation zu finanzieren. Das begrüßen wir sehr“, sagte Christian Sewing, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Dass die FDP – voraussichtlich in der Person von Christian Lindner – die Leitung des Bundesfinanzministeriums übernehmen wird, findet in der Wirtschaft erwartungsgemäß viele Befürworter.

Die Arbeitgeber vermissen im Koalitionsvertrag mehr Mut. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel verlangten Antworten und einen „großen Wurf“. Dieser sei aber nicht durchgängig erkennbar. „Leider hat der Ampel der Mut gefehlt, über den Status quo hinaus neue Freiheiten für Unternehmen und Beschäftigte zu schaffen und Eigenverantwortung zu stärken.“

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH), lobte die Planungssicherheit, die den Unternehmen mit dem neuen Koalitionsvertrag gegeben ist. In Sachen Arbeitsmarktpolitik wird jedoch auch Kritik laut. So monieren die ING-Ökonomen etwa, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Ausbildungsplatzgarantie“ am gesellschaftlichen Bedarf vorbeigehe. „Denn sie könnte Ausbildungsplätze in Berufen begünstigen, in denen später nicht genügend Fachkräftebedarf besteht“, so die Kritik.

Mit dem Mindestlohn, der wie erwartet auf 12 Euro erhöht wird, stelle die Ampel-Koalition die Tarifautonomie infrage und greife tief in das Tarifgefüge ein, kritisieren die ING-Autoren und sprechen angesichts des großen Sprungs von einem „gewagten Wirtschaftsexperiment mit ungewissem Ausgang auf die Beschäftigung“, das gerade für kleinere Betriebe Gefahren berge. Dass die Koalition keine Steuererhöhungen plant, wird von Verdi-Chef Frank Werneke bedauernd zur Kenntnis genommen: „Es wird nicht mehr Steuergerechtigkeit durch Vermögens- und Erbschaftsteuer geben.“

Enttäuscht zeigte sich Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Die „Handschrift der Autokonzerne“ sei unübersehbar. Positiver äußerte sich der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). „Es ist richtig, dass die Koalition im Kern ihrer Klimaschutzprogrammatik auf die Elektrifizierung und Digitalisierung und ein massiv ausgebautes, flexibles Stromsystem setzt“, lobte der ZVEI-Vorsitzende Wolfgang Weber.