Geldpolitik

Inflation bringt EZB in die Bredouille

Am Donnerstag entscheidet der EZB-Rat erstmals im Jahr 2022 über die Geldpolitik im Euroraum. Gerade nach der Ankündigung einer noch rascheren Zinswende in den USA richten sich die Blicke auf die Euro-Währungshüter.

Inflation bringt EZB in die Bredouille

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Einen Tag vor der morgigen Zinssitzung des EZB-Rats legt Eurostat am heutigen Mittwoch eine erste Schätzung für die Inflation in Euroland im Januar vor – und es scheint eine neuerliche negative Überraschung programmiert: Der erhoffte starke Rückgang der rekordhohen Inflation von 5,0% im Dezember wird zum Jahresauftakt wohl ausbleiben – zu­mindest, wenn die bislang veröffentlichten Schätzungen aus vielen großen Euro-Ländern nicht komplett trü­gen. Das dürfte dann die ohnehin hitzige Debatte im Rat über die Inflationsaussichten und die angemessene Reaktion darauf weiter befeuern.

Nachdem die Inflation im Jahr 2021 rasant und auch viel stärker angezogen hatte als erwartet, sollte der Januar die Trendwende bringen und die für 2022 erwartete spürbare Minderung der Teuerung einläuten. Volkswirte hatten zuletzt im Mittel einen Rückgang der Inflation auf 4,4% im Januar prognostiziert. Nach den Vorabdaten unter anderem aus Deutschland, Frankreich und Spanien zeichnet sich aber ab, dass es mit einem solchen Rückgang kaum etwas wird. Im Gegenteil: Nun scheint es obendrein möglich, dass die Inflation bei 5% verharrt oder sogar noch einmal etwas anzieht.

Zwar fällt der Basiseffekt infolge der temporären Mehrwertsteuersenkung in Deutschland im Jahr 2020, der die Inflation 2021 wesentlich befeuert hatte, nun aus der Statistik heraus – was die Inflationsrate in Deutschland und damit auch im Euroraum für sich genommen deutlich senkt. Dieser Effekt wird aber zumindest zum Teil kompensiert durch andere Effekte wie etwa die anhaltende Energiepreisrally oder die ungelösten Lieferkettenprobleme weltweit. Zudem gewinnt der Preisauftrieb zunehmend an Breite.

Damit gerät das Bild eines vor allem temporären Inflationsanstiegs zunehmend ins Wanken und die Sorgen nehmen zu, dass der Rückgang der Teuerung länger auf sich warten lässt oder gar nicht so stark ausfällt wie gedacht. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat bis zuletzt mehrheitlich auf dieses Bild gesetzt. Mitte Dezember erhöhten die EZB-Volkswirte zwar ihre Inflationsprognose für 2022 deutlich von zuvor 1,7% auf 3,2%. Zugleich er­warteten sie aber für 2023 und 2024 jeweils Werte von 1,8% – also unterhalb des EZB-Zielwerts von 2%.

Mit den neuen Daten scheint sich nun aber abzuzeichnen, dass sich die Inflation auch 2022 als hartnäckiger erweisen könnte als gedacht. Nach der Erstschätzung aus Deutschland am Montag revidierte die Deutsche Bank sogleich ihre Inflationsprognose für Deutschland für das Gesamtjahr deutlich von 2,9% auf 4,2% (ge­messen am nationalen Index VPI). Kein Wunder, dass vor allem in Deutschland die Kritik an der EZB laut ist. CDU-Chef Friedrich Merz et­wa befürchtet auch 2022 eine „deutliche Geldentwertung“ und fordert baldige Gegenmaßnahmen der EZB.

Die EZB macht aber bislang allenfalls zaghafte Schritte zur Normalisierung ihrer Geldpolitik. Mitte De­zember hatte sie beschlossen, dass die Nettokäufe im Zuge des 1,85-Bill.-Euro-Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP Ende März enden sollen. Zur teilweisen Kompensation wird aber das parallele Anleihekaufprogramm APP mit ei­nem aktuellen Kaufvolumen von 20 Mrd. Euro pro Monat sogar zeitweise noch aufgestockt – und ein En­de des APP ist nicht in Sicht. Zu­dem schließt der EZB-Rat bislang Zinserhöhungen für 2022 aus. Das hat auch mit Sorgen um die Konjunktur zu tun. Ende 2021 ist die Wirtschaft nur noch um 0,3% gewachsen. Die US-Notenbank steuert dagegen auf eine rasche Zinswende zu.

Allerdings haben auch in EZB-Kreisen die Inflationssorgen und die Diskussion über den weiteren Kurs zugenommen. Bereits bei der Sitzung Mitte Dezember hatte es Dissens gegeben. Einige Notenbanker argumentierten, dass die prognostizierten 1,8% die Teuerung unterzeichnen könnten. Die Widersacher führen dagegen eher ins Feld, dass es bislang keine Signale für eine Lohn-Preis-Spirale gebe.

EZB-Ratsmitglied Klaas Knot, ein Hardliner im Rat, hatte zum Jahreswechsel im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass die EZB die Zinswende be­schleunigen könne, falls die Inflation 2022 weiter höher ausfalle als gedacht (vgl. BZ vom 31.12.2021). Die große Frage ist nun, in­wie­weit auch gemäßigtere Notenbanker auf diese Linie einschwenken.