EZB-Projektionen

Lagarde warnt vor Stagnation im Euroraum

Die unerwartet gute Wachstumsperformance der Euro-Wirtschaft nimmt der EZB-Stab zum Anlass, die BIP-Prognose für 2022 nach oben zu setzen. Dann aber wird es mau und die Inflation soll kräftig zulegen.

Lagarde warnt vor Stagnation im Euroraum

ba Frankfurt

Die Europäische Zen­tralbank (EZB) macht sich zunehmend Sorgen um die Konjunktur im Euroraum. Trotz des unerwartet guten Wirtschaftswachstums in der ersten Jahreshälfte seien die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs weiterhin spürbar und „trüben die Aussichten für die Wirtschaft des Euroraums, während der Inflationsdruck weiter zunimmt“, schreiben die EZB-Volkswirte zu ihren neuen makroökonomischen Projektionen. Dementsprechend wurden die Wachstumsprognosen für die kommenden beiden Jahre nach unten korrigiert, wohingegen die Voraussagen für die Teuerung nach oben geschraubt wurden.

Die Wirtschaft werde sich „sub­stanziell abschwächen“, warnte auch EZB-Chefin Christine Lagarde bei der Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung am Donnerstag. Es sei mit einer Stagnation im späteren Jahresverlauf und im ersten Quartal 2023 zu rechnen. Denn die Unterbrechung der Erdgasversorgung in Verbindung mit den in die Höhe geschossenen Gas- und Strompreisen habe die Unsicherheit erhöht, das Vertrauen stark beeinträchtigt und zu zunehmenden Realeinkommensverlusten geführt, wie die EZB-Volkswirte in ihren Projektionen näher ausführen. Die schwächere Wirtschaft werde auch zu einer höheren Arbeitslosigkeit führen, warnte Lagarde. Die zuletzt hochgekochten Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale, mit der sich die hohe Inflation auf Dauer verfestigen könnte, dämmte die EZB-Chefin etwas ein: „Der Lohndruck bleibt unter Kontrolle“, sagte Lagarde. Die extrem hohe Inflation, so Lagarde, werde für längere Zeit über dem Zielwert der EZB von 2,0 % bleiben – und kurzfristig sogar weiter steigen. Als Hauptinflationsquelle nannte sie die Energie, aber auch der schwache Euro habe die Teuerung angetrieben.

Der EZB-Stab hat seine Wachstumsprognosen für 2022 nach positiven Überraschungen in der ersten Jahreshälfte um 0,3 Prozentpunkte nach oben auf 3,1% angehoben. 2023 soll das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,9 (Prognose im Juni: 2,1)% zulegen, 2024 dann um 1,9 (2,1)% wachsen. Damit ist der EZB-Stab für 2022 vergleichsweise optimistisch: Der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet ebenso wie die EU-Kommission und die Industrieländerorganisation OECD ein Wachstum von 2,6 %. Für 2023 liegen die Prognosen der EZB unter den meisten anderen Prognosen – allerdings stammten die Werte von IWF & Co. noch aus dem Juli, betont der EZB-Stab.

Die Inflation prognostizieren die EZB-Ökonomen für 2022 mit 8,1 (6,8)% und für 2023 mit 5,5 (3,5)% (siehe Grafik). Der EZB-Rat betont zwar immer wieder, dass die Projektionen Voraussagen der EZB-Volkswirte sind und nicht seine eigenen, doch sie sind zentral für die geldpolitischen Entscheidungen.

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