ExklusivEZB-Zinskompass

Langwierige Hängepartie bei Zinssenkungen

Anleger hoffen für Donnerstag auf Signale von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, wann die erste Zinssenkung ansteht. Der Zinskompass der DekaBank, der exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, deutet auf eine längere Hängepartie bis zur ersten Lockerung hin.

Langwierige Hängepartie bei Zinssenkungen

Langwierige Hängepartie bei der EZB

Zeitpunkt der ersten Zinssenkung offen, aber wahrscheinlich nicht vor Juni – Mehrere Aufwärtsrisiken für die Inflation

Anleger hoffen am Donnerstag auf Hinweise von EZB-Präsidentin Christine Lagarde, wann die erste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) ansteht. Der Zinskompass der DekaBank, der exklusiv in der Börsen-Zeitung erscheint, deutet auf eine Hängepartie bis zur ersten Lockerung hin.

mpi Frankfurt

Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag zu ihrem nächsten Zinsentscheid zusammenkommt, wird für Anleger und Ökonomen das zentrale Thema sein, ob die Notenbank Hinweise auf den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung gibt. Aufgrund einer Vielzahl an Aufwärtsrisiken für die Inflation „fällt es schwer, den ersten Zinsschritt zeitlich genauer einzugrenzen“, sagt Kristian Tödtmann, Leiter des Bereichs Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank.

Laut dem Zinskompass der Deka, der stets vor einer geldpolitischen EZB-Sitzung in der Börsen-Zeitung erscheint, dürfte es bis zur ersten Lockerung noch etwas dauern. Zwar sinkt der Index den fünften Monat in Folge, jedoch nicht stark genug, „um bereits jetzt eine Senkung der Leitzinsen in Erwägung zu ziehen“. Bis zur ersten Lockerung könnte es nach Einschätzung der Bank eine längere Hängepartie geben.

Neue Akzente der EZB

An den Finanzmärkten spekulieren Anleger seit einer geraumen Zeit auf eine Zinssenkung bis spätestens April. Die EZB hat hingegen auf einer ihrer geldpolitischen Sitzungen über eine Lockerung bis jetzt noch nicht einmal diskutiert. Seit der Sitzung im Dezember haben sich jedoch mehrere Ratsmitglieder öffentlich zu diesem Thema geäußert. „Die EZB hat in den vergangenen Wochen neue Akzente in ihrer Kommunikation gesetzt“, sagt Tödtmann.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde und weitere Ratsmitglieder haben zu verstehen gegeben, dass sie die Markterwartungen für deutlich überzogen halten. Gleichzeitig ist inzwischen klar, dass die nächste Zinsänderung eine Senkung wird – vorausgesetzt es gibt keinen exogenen Preisschock. Äußerungen von diversen Ratsmitgliedern deuten darauf hin, dass eine Zinssenkung im Juni anstehen könnte.

Keine Forward Guidance

An diesen Aussagen sollte man sich jedoch „nicht zu eng orientieren, da die EZB schon seit längerer Zeit ausdrücklich keine Forward Guidance mehr betreiben, sondern datenabhängig von Sitzung zu Sitzung entscheiden will“, meint Tödtmann. Er erwartet daher am Donnerstag auch keinen Hinweis von Lagarde auf einen exakten Zeitpunkt der ersten Lockerung. "Dennoch dürfte sie dabei zu verstehen geben, dass sie die derzeit herrschenden Markterwartungen über Beginn und Tempo bevorstehender Leitzinssenkungen als überzogen ansieht."

Entscheidend für den Zeitpunkt der Lockerung wird sein, wann die Notenbanker davon überzeugt sind, dass die Teuerung bis spätestens 2025 auf das Inflationsziel von 2,0% fällt. Die Inflationssäule des Zinskompasses ist derzeit mit dem mittelfristigen Erreichen des Ziels kompatibel. Allerdings gibt die Deka zu bedenken, dass es unsicher sei, ob dies auch so bleibe.

Viele Inflationsrisiken

Denn es gibt derzeit einige Aufwärtsrisiken für die Inflation. Dazu zählt die Entwicklung der Logistikkosten aufgrund der Angriffe der Huthi-Rebellen auf Frachtschiffe im Roten Meer. Zudem könnten Lieferkettenstörungen aufgrund der Angriffe zu Preiserhöhungen führen. Die Huthi begründen ihre Attacken mit einer Solidarisierung mit den Palästinensern. Allgemein ist unklar, wie sehr sich der Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Hamas auf die Inflation auswirken wirkt, etwa in Form steigender Energiepreise. Das andere Risiko für die Teuerung sind Lohnsteigerungen in Europa. Sollten diese kräftiger ausfallen als von der EZB prognostiziert, wäre der Inflationsdruck höher als vorhergesagt.

Kontroverse Debatte

Im EZB-Rat wird über die Inflationsentwicklung kontrovers diskutiert, wie aus dem Protokoll der Dezember-Sitzung hervorgeht. Eine Mehrheit der Mitglieder war im Dezember der Ansicht, dass sich der Rückgang der Inflation in 2024 verlangsamen wird, vor allem aufgrund des hartnäckigen Preisauftriebs im Dienstleistungssektor. Andere widersprachen hingegen dieser Ansicht. Sie argumentierten, dass der Disinflationsprozess bislang schneller als erwartet war. Außerdem sei nicht mit einer Zunahme der Persistenz zu rechnen, solange die Inflationserwartungen solide verankert sind.

Zinssenkung vor Juni unwahrscheinlich

Einigkeit bestand im EZB-Rat dahingehend, dass die Entwicklung der Löhne von entscheidender Bedeutung für den mittelfristigen Inflationsausblick ist. Es geht dabei insbesondere um den Anstieg der Löhne im ersten Quartal 2024. Da diese Daten jedoch erst bis zur Juni-Sitzung vorliegen, dürfte eine Zinssenkung bis dahin unwahrscheinlich sein.

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