Marktfolgen der US-Handelspolitik

Realitätstest für Zölle und Märkte: die US-Inflation

Zuletzt haben die Märkte auf Trumps Politik regelrecht gelassen reagiert. Die Kurse sind sogar weiter gestiegen. Die neue Zollforderung könnte die Stimmung nun aber drehen. Trump hat überzogen. Der Vertrauensvorschuss ist aufgebraucht.

Realitätstest für Zölle und Märkte: die US-Inflation

So langsam scheinen sich Marktakteure und US-Präsident Donald Trump aneinander gewöhnt zu haben. Das ist auch das Ergebnis eines Lernprozesses: Trump hatte nach der Marktrebellion im Gefolge seiner Ankündigung reziproker Zölle im April einen Rückzieher gemacht; und die Börse hat sich darauf eingestellt, dass Trump seine Provokationen nach einer Weile immer wieder abmildert nach dem Motto „escalating to de-escalate“. Jedenfalls sind die Auswirkungen auf die Kurse nach den diversen Tiraden Trumps zuletzt begrenzt gewesen. Der S&P 500 hat seither sogar um 26% zugelegt.

Doch ist fraglich, ob die Märkte sich weiterhin auf Trumps Einsichtsfähigkeit „verlassen“ können. Und es ist unklar, inwieweit der Präsident die Ruhe an den Märkten nicht umgekehrt als Einladung versteht, mit seiner Politik noch dreister voranzugehen. Ökonomen diesseits und jenseits des Atlantik sind diesbezüglich etwas ratlos. Die neuen drastischen Zollankündigungen der vergangenen Tage könnten hier eine Art Nagelprobe darstellen.

Aggressivere Haltung

„Trump fühlt sich derzeit unbesiegbar und ist bereit, in der Zollfrage eine viel aggressivere Haltung einzunehmen als irgendjemand erwartet hätte“, zitiert die Washington Post Douglas Rediker, den Vorsitzenden der Beratungsfirma International Capital Strategies in der US-Hauptstadt. Trump glaube offenbar, „dass er sich alles erlauben kann“. Der Erfolg mit der Verabschiedung der Big Beautiful Bill im US-Kongress habe das Selbstvertrauen Trumps gestärkt. Und den stetigen Anstieg der Aktienkurse sehe er offenbar als „Freibrief für eine Verschärfung seiner Handelsdrohungen“. Das bestätigt Trump auch durch Äußerung über die Auswirkungen seiner Zollpolitik. Sie seien ja am Aktienmarkt „sehr gut aufgenommen worden“, sagte er vergangene Woche.

Vor einem Moment der Kapitulation?

Doch da könnte er sich getäuscht haben, wie Karl Schamotta, Chefstratege beim US-Finanzdienstleister Corpray darlegt. „Die Händler haben einen Großteil der vergangenen Woche damit verbracht, sich gegen eine Ausweitung der Zölle des Präsidenten abzusichern, aber mit 30% hat diese Maßnahme die Erwartungen wahrscheinlich übertroffen. Obwohl steigende Zölle eine größere Bedrohung für die USA selbst bleiben, dürften der Euro und der mexikanische Peso zu Handelsbeginn am Montag erneut unter Verkaufsdruck geraten. Bald wird sich zeigen, dass Trumps protektionistische Agenda in Währungen, Vermögenspreisen oder Volatilität nicht angemessen eingepreist wurde. Ein Moment der Kapitulation steht bevor – entweder an den Finanzmärkten oder im Weißen Haus selbst.“

Gelassener sieht das Mathieu Savary vom kanadischen Investment-Research-Haus BCA: „Trumps Strategie ist es, unverschämte Forderungen zu stellen, sie dann abzuschwächen, dann einen weiteren Vorstoß für letzte Zugeständnisse zu machen, und schließlich kommt ein Handelsabkommen zustande. Das ist ein Muster, das wir aus Trumps erster Präsidentschaft kennen und das sich nun wiederholt. Was jetzt gesagt wird, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist, worauf wir uns einigen werden.“

Vertrauensvorschuss des Marktes

Doch die Frage ist, ob der Markt nicht schon längst enteilt ist und Trump zu viel an Vertrauensvorschuss eingeräumt hat? Viel hängt nach Ansicht von Mark Malek von Siebert Financial davon ab, wie sich die Zölle prospektiv auf die künftigen Einnahmen und Gewinne der Unternehmen auswirken werden. Und wie die Anleger darauf reagieren, die mit Blick auf die Teuerung in den USA vorsichtig geworden sind. Zumal Trump in seinem Wahlkampf selber auf die Inflationsängste der einfachen Arbeiter abgestellt und damit Erfolg hatte. Die Märkte, so Sam Stovall vom New Yorker Analysehaus CFRA, werden gewiss reagieren, sobald „die harten Daten durchsickern“ und die Zölle „zu unerwartet hoher Inflation führen“.

Darauf stellt auch Cyrus de la Rubia ab, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank. Denn Modellrechnungen zeigten, dass die Zölle gegen die EU in den USA eine stärkere negative Wirkung haben als in der Euro-Zone selber. Denn die US-Wirtschaft hänge viel stärker als andere Volkswirtschaften unmittelbar vom Privatkonsum ab. Eine durch höhere Zölle verursachte Inflation bedeute, dass Kaufkraft verloren geht und der private Konsum entsprechend zurückgehe. Die EU solle daher „hart bleiben und andeuten, dass sie entschlossene Gegenmaßnahmen ergreifen könnte – und zwar nicht nur im Warenverkehr, sondern auch bei Dienstleistungen, wo die USA einen Handelsüberschuss aufweisen“.

Nobelpreisträger für harte Haltung Brüssels

Auch der US-Nobelpreisträger Paul Krugman fordert Brüssel auf, endlich harte Kante zu zeigen und Vergeltungsmaßnahmen anzukündigen. „Trump droht zwar, seine Zölle noch weiter anzuheben, aber wie viel Schaden kann er eigentlich noch anrichten?“, fragt er in einem Substack-Post. Viele Beobachter würden zwar jetzt versuchen zu erklären, woraus die Hintergrundstrategie Trumps bestehe. „Aber es gibt ganz klar keine Strategie, nur die Vorurteile eines ignoranten Mannes und seiner Unterstützer.“ Krugman: „Und vergessen Sie nicht: Letztendlich müssen die US-Verbraucher für Trumps Zölle aufkommen!“

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