EZB-Zinskompass

Sehr große EZB-Zinserhöhung wohl ausgemachte Sache

Die DekaBank sieht in der Zinspolitik einen „Konsens auf Zeit“ im EZB-Rat – dabei legt der Zinskompass zu der Sitzung diese Woche etwas anderes nahe.

Sehr große EZB-Zinserhöhung wohl ausgemachte Sache

rec Frankfurt

Eine zweite XL-Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag scheint für die Experten der DekaBank ausgemachte Sache zu sein. Es gebe einen „Konsens auf Zeit“ im EZB-Rat, „die Leitzinsen möglichst schnell auf ein neutrales Niveau zu bringen“, der die Wirtschaft in der Eurozone weder weiter anschiebt noch bremst: Das schreibt Deka-Ökonom Kristian Tödtmann im EZB-Kompass, der stets vor einem Zinsentscheid in der Börsen-Zeitung erscheint.

Die EZB steuert diese Woche auf ihre dritte Zinserhöhung seit Beginn der Zinswende im Juli zu. Nach zwei Schritten über zunächst 50 und dann 75 Basispunkte gilt eine weitere Anhebung der Leitzinsen um einen Dreiviertelprozentpunkt als wahrscheinlich. Vereinzelt halten Analysten aufgrund der viel zu hohen Inflation von knapp 10% sogar einen vollen Prozentpunkt für möglich.

Beim Blick auf den Zinskompass der DekaBank fällt hingegen auf, dass dieser eher „eine Anhebung der Leitzinsen um 25 bis 50 Basispunkte nahelegt“, so Tödtmann. Das war schon im September so, trotzdem entschied der EZB-Rat sich für einen besonders großen Schritt. Zwar hat sich die Konjunktur seitdem weiter eingetrübt, doch bei vielen Notenbankern wiegen die Sorgen um die Preisstabilität schwerer.

Die Besorgnis in Sachen Inflation hat in jüngster Zeit noch zugenommen, beobachtet Tödtmann. Preiserhöhungen strahlten auf immer mehr Waren und Dienstleistungen aus. „Diese Breite des Preisauftriebs werten einige Notenbanker als Beleg dafür, dass die Inflation eine Eigendynamik entwickelt hat, die eine kraftvolle geldpolitische Reaktion verlangt.“

IWF warnt wegen Inflation

Diesem Lager der Mahner gehören viele Ökonomen an – vor allem hierzulande – und offenkundig auch der Internationale Währungsfonds (IWF). Die Pandemie und der Ukraine-Krieg könnten den Inflationsprozess grundlegend verändert haben, meint der Direktor der Europa-Abteilung des IWF, Alfred Kammer. Als Ursachen hebt Kammer den Mangel an Vorprodukten und Arbeitskräften hervor. Dies deute darauf hin, dass es in Europa mehr zugrundeliegenden Inflationsdruck geben könne, als gemeinhin angenommen wird, warnt Kammer.

Teile der Finanzmärkte sind dem Anti-Inflations-Kampf der EZB schon weit voraus: Wie dem EZB-Kompass der DekaBank zu entnehmen ist, wird bis Mitte nächsten Jahres inzwischen ein Einlagensatz von circa 3% eingepreist. Momentan liegt der für Banken zentrale Leitzins bei 0,75%. Ob es zu weiteren deutlichen Zinserhöhungen in diese Richtung kommt, dürfte schon bald Gegenstand kontroverser Debatten im EZB-Rat werden. Tödtmann erwartet jedenfalls „keine allzu deutlichen Signale“ zur Geldpolitik über das Jahresende hinaus.

Zinsgewinne dank TLTRO

Im Fokus der Sitzung steht neben dem Zinsentscheid der Umgang mit besonders vorteilhaften Refinanzierungsgeschäften für Banken aus der Zeit der Coronakrise. Im Fachjargon sind diese als TLTRO bekannt. Dank der unerwartet raschen Zinswende kommen die Banken durch die Sonderkonditionen auf absehbare Zeit in den Genuss milliardenschwerer Zinsgewinne, falls die EZB nicht handelt.

Tödtmann hält es für denkbar, dass die EZB teilnehmende Banken zu einer vorzeitigen Rückzahlung bewegen will. Der EZB-Rat hat da aber mehrere Optionen. Alle sind mit gewissen Nachteilen verbunden. „Mit Ankündigungen zu den TLTROs oder zur Verzinsung der Überschussreserven (der Banken)“ rechnet Tödtmann aber in jedem Fall.

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