Geldpolitik

Wie weit Fed und EZB noch gehen könnten

Im Kampf gegen die hohe Inflation greifen Fed, EZB & Co. zu beispiellosen Zinserhöhungen. Wie weit werden die Zentralbanken noch gehen? Beobachter warten gespannt auf Signale – zunächst vor allem von der Fed.

Wie weit Fed und EZB noch gehen könnten

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Weltweit stemmen sich die Zentralbanken mit beispiellosen Zinserhöhungen gegen die vielerorts rekordhohe Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) etwa hob vergangene Woche ihren Leitzins um 75 Basispunkte an – das gab es zuvor noch nie. Die US-Notenbank Fed dürfte nächste Woche nachlegen und ihren Schlüsselsatz erneut um 75 Punkte erhöhen – oder sogar um 100 Punkte. Viel wichtiger erscheint aber zunehmend die Frage, wie weit Fed, EZB & Co. am Ende noch gehen – zumal im Dilemma aus hoher Inflation und zunehmenden Rezessionssorgen.

In den USA hat die Fed ihren Leitzins seit März bereits um insgesamt 225 Basispunkte angehoben – auf die aktuelle Spanne von 2,25 bis 2,5%. Zugleich hat sie mit dem Abbau ihrer aufgeblähten Bilanz begonnen. Für die Sitzung nächste Woche wird eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte erwartet. Manch ein Beobachter spekuliert gar auf 100 Basispunkte. Die Inflation in den USA scheint zwar ihren Höhepunkt überschritten zu haben. Von 9,1% im Juni ist sie bis August auf 8,3% zurückgegangen. Das liegt aber immer noch weit oberhalb des 2-Prozent-Ziels. Und die Inflation ist stark verbreitet, der Lohndruck hoch. Die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel kletterte im August sogar auf 6,3%.

„In den jüngsten (Inflations-)Daten gibt es nichts, was die Fed davon abhalten sollte, die Zinssätze nächste Woche zum dritten Mal in Folge um 75 Basispunkte anzuheben“, sagt Rubeela Farooqi, US-Chefvolkswirtin bei High Frequency Economics. Wie viele andere Beobachter auch wartet Farooqi aber vor allem auf die Signale der US-Notenbanker, wie stark der Leitzins noch steigen könnte. Im Juni hatten sie in ihren sogenannten Dot-Plots für den Zinsausblick einen Zinsanstieg auf rund 3,8% im nächsten Jahr signalisiert.

Bei der Sitzung nächste Woche gibt es nun neue Dot-Plots und die verbreitete Erwartung ist, dass diese einen höheren Endpunkt für den Zinserhöhungszyklus in Aussicht stellen. An den Märkten wird nach den Inflationsdaten von Dienstag ein Höchststand von rund 4,5% eingepreist, erreicht im ersten Quartal 2023. Nach Fed-Maßstäben wäre dieses Niveau der Leitzinsen sehr hoch und entspräche in etwa dem Zyklus der Jahre 2004 bis 2007.

Ob das ausreicht, die Inflation wieder in Richtung 2% zu drücken, ist aber durchaus umstritten. „Die USA haben ein ernsthaftes Inflationsproblem“, sagte Ex-US-Finanzminister Larry Summers am Dienstag und plädierte für nächste Woche für eine Zinserhöhung um 100 Basispunkte. Zweistellige Zinssätze wie in den 1980er Jahren, als der damalige Fed-Chef Paul Volcker die aus dem Ruder gelaufene Inflation eindämmen musste, erscheinen aktuell indes unvorstellbar – trotz aller Parallelen, die mitunter zu dieser Zeit gezogen werden. Mehr noch: Einige Beobachter spekulieren sogar schon darauf, dass die Fed ihren Leitzins schon Ende 2023 wieder senken könnte – wegen der dann deutlich abgeschwächten US-Wirtschaft.

Im Euroraum hat die EZB zwar nach der Rekord-Zinserhöhung weitere Zinsanhebungen in Aussicht gestellt. Zum Umfang hielt sie sich aber bedeckt. Und erst recht lässt sie sich bislang nicht in die Karten schauen, wie weit der Hauptrefinanzierungssatz von derzeit 1,25% noch steigt. Die Inflation von aktuell 9,1% ist sehr stark getrieben von den Energiepreisen, sie breitet sich aber auch zunehmend in der Wirtschaft aus. Dagegen gilt die Euro-Wirtschaft als besonders gefährdet durch die Folgen des Ukraine-Kriegs.

An den Märkten wird ausweislich von Terminkontrakten aktuell von einem Höchststand des EZB-Leitzinses von 2,5% ausgegangen, der ebenfalls im ersten Quartal 2023 erreicht werden könnte. Das Ifo-Institut geht indes davon aus, dass der Leitzins auf 4,0% steigen wird – deutlich höher, als viele Beobachter erwarten.

Da es für die EZB zuletzt erst einmal darum ging, den Ausstieg aus den Negativ- und Nullzinsen zu schaffen, stand die Diskussion darüber, wie weit der Zins noch steigt, genauso hinten an wie eine Debatte darüber, wo das neutrale Zinsniveau liegt, das die Konjunktur weder stimuliert noch bremst. Mit der Normalisierung der Zinsen wird diese Frage aber drängender – und die Euro-Granden können ihr nicht mehr lange ausweichen. Das birgt viel Spannung – und Konfliktpotenzial.

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