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Die Bankenaufsicht braucht Augenmaß

Die Bankenaufsicht rüstet um: Kleinere Institute sollen entlastet werden. Doch der Weg zu echter Proportionalität in Deutschland ist weit – und dringend nötig.

Die Bankenaufsicht braucht Augenmaß

Bankenaufsicht

Ein Maßstab passt nicht für alle

Von Wolf Brandes

Trotz erster Lockerungen bleibt das Regulierungskorsett für viele kleine Institute spürbar eng.

Manchmal sind es kleine Schritte, mit denen man auf Defizite reagiert. Die jüngsten Ansätze der BaFin zur Erleichterung der Aufsicht kleiner und mittlerer Banken sind zweifellos solche Schritte – aber sie reichen nicht aus. Die deutsche Bankenlandschaft ist im europäischen Vergleich einzigartig kleinteilig und braucht eine konsequent differenzierende Aufsicht.

Rund 1.400 Kreditinstitute zählt Deutschland – mehr als jedes andere EU-Land. Frankreich kommt auf rund 330, Italien auf rund 450. Während Länder wie Spanien mit rund 180 Instituten eine stark konsolidierte Bankenstruktur aufweisen, prägen in Deutschland Sparkassen und Genossenschaftsbanken den Markt. Die durchschnittliche Bilanzsumme einer deutschen Bank liegt mit etwa 7 Mrd. Euro deutlich unter der von anderen großen europäischen Ländern. Diese Struktur ist ein Spiegelbild der deutschen Wirtschaft: mittelständisch geprägt, dezentral, lokal verankert. Doch genau hier liegt die Herausforderung für die aktuelle Aufsichtspraxis.

Angst in den Banken

Bereits im Interview der Börsen-Zeitung Ende 2024 warnte der scheidende Bankenaufseher Raimund Röseler: Viele kleinere Institute übererfüllen die regulatorischen Vorgaben aus Angst, etwas falsch zu machen. Ein Beispiel: Eine Volksbank mit 15 Mitarbeitenden, die 13 Stresstests pro Jahr durchführt, wo drei gereicht hätten – das ist nicht Effizienz, sondern Ressourcenverschwendung. Über 75% der Institute sollen laut BaFin von den jüngst eingeführten Vereinfachungen profitieren. Das ist ein Fortschritt. Aber es zeigt auch, wie viel Nachholbedarf besteht.

BaFin-Präsident Mark Branson stellte auf der Pressekonferenz am 7. Mai 2025 unmissverständlich klar, dass mehr Proportionalität zum Leitprinzip der Aufsicht werden soll. Die Behörde will nicht alle EBA-Leitlinien uneingeschränkt anwenden, wenn sie für kleine Institute schlicht unverhältnismäßig sind. Das wirkt wie ein Kurswechsel.

Die Skepsis bleibt

Trotzdem bleibt Skepsis angebracht. Denn bislang sind es punktuelle Maßnahmen: weniger inverse Stresstests, vereinfachtes Reporting, klarere Regeln. Das ist ein Anfang, aber noch keine Wende. Die großen Institute sind ohnehin durch europäische Vorgaben gebunden.

Wenn Deutschland seine kleinteilige Bankenstruktur erhalten will, dann muss die Aufsicht auf Augenmaß setzen. Sonst riskieren wir, dass aus Überregulierung Fusionen erzwungen werden – und mit jeder verschwundenen Volksbank auch ein Stück regionaler Wirtschaftsstruktur.

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