Konsolidierer auf der Überholspur
Im Blickfeld
Konsolidierer auf der Überholspur
Niedrig bewertete britische Autoversicherer stoßen international auf Interesse.
Von Andreas Hippin, London
Der britische Autoversicherungsmarkt hat dieses Jahr bereits zwei große Übernahmen gesehen. Aviva sicherte sich Direct Line. Ageas holte sich Esure. Die niedrigen Bewertungen am britischen Aktienmarkt könnten dafür sorgen, dass weitere Konsolidierungsschritte folgen. Japanische Versicherer wie Tokio Marine haben dem Versicherungsanalysten Abid Hussain von Panmure Liberum zufolge reichlich überschüssiges Kapital, das sie dafür einsetzen könnten.
Der britische Markt ist im internationalen Vergleich relativ fragmentiert. Die Top 10 halten nach den jüngsten Deals gut vier Fünftel des gesamten Kfz-Beitragsvolumens. Der Rest verteilt sich auf zahllose kleinere Gesellschaften. Sieht man sich andere Märkte an, ist eine weitere Konsolidierung unter den Großen durchaus denkbar.
Das ewige Übernahmeziel
Direct Line hatte sich nach einer Reihe von Gewinnwarnungen lange als Übernahmeziel angeboten. Für die schwache Geschäftsentwicklung gab es eine ganze Reihe von Gründen: Nach der Pandemie machte Autoversicherern die rasante Inflation zu schaffen. Die Gebrauchtwagenpreise gingen durch die Decke, als wegen des weltweiten Halbleitermangels nicht mehr so viele Fahrzeuge produziert wurden wie nachgefragt.
Entsprechend stark stiegen auch Kosten für Reparaturen, Mietwagen und so weiter. Direct Line schüttete jedoch weiter Kapital in Form von Aktienrückkäufen an die Anteilseigner aus. Als sich der schöne Schein nicht mehr aufrechterhalten ließ, feuerte der Board Anfang 2023 die damalige Chefin Penny James.
Aviva stößt Admiral vom Sockel
Am Ende ließ sich die einst von der Royal Bank of Scotland ausgegliederte FTSE-250-Gesellschaft für 3,6 Mrd. Pfund von Aviva übernehmen. Dem Londoner Versicherer bot der Zukauf die Möglichkeit, seine Marktanteile bei Auto- und Hausversicherungen deutlich auszuweiten. Bei Kfz-Versicherungen entthronte Aviva dadurch den bisherigen Marktführer Admiral.
Größe ist zentral
Größe spielt eine wesentliche Rolle, wenn sie Skaleneffekte mit sich bringt. Der Wettbewerb in diesen Geschäften ist äußerst intensiv. Preisvergleich-Websites wie „Compare the Market“ und Confused.com sind dabei von großer Bedeutung.
Ageas schafft Markteintritt
Die belgische Ageas zahlte der Private-Equity-Gesellschaft Bain Capital 1,3 Mrd. Dollar für Esure. Das aus Fortis hervorgegangene Unternehmen hatte sich bereits für Direct Line und die auf Ü50-Kunden spezialisierte Saga interessiert. Am Ende setzte es sich bei Esure gegen die Allianz durch und schaffte damit als Konsolidierer den Markteintritt.
Bain hatte den britischen Auto- und Hausratsversicherer 2018 von der Börse genommen. Vor einem Vierteljahrhundert hatte ihn der Direct-Line-Gründer Peter Wood ins Leben gerufen.
Dai-Ichi Life wird Partner von M&G
Japanische und südkoreanische Versicherer verfügen Hussain zufolge über viel Überschusskapital, das sie für Zukäufe nutzen könnten. Bei Tokio Marine seien es 23 Mrd. Dollar, die der Verkauf von Überkreuzbeteiligungen in die Firmenkasse spülte. Eine Reihe von Transaktionen zeigt, dass Großbritannien ist für Versicherer aus Fernost durchaus attraktiv ist: Dai-Ichi Life ging zuletzt eine strategische Partnerschaft mit M&G in Sachen Assetmanagement und Lebensversicherungen ein. Dazu gehört auch der Erwerb einer Beteiligung von 15% aus der einst von Prudential ausgegliederten Gesellschaft.
Meiji Yasuda setzt auf L&G
L&G verkaufte ihr Versicherungsgeschäft in den USA für 1,8 Mrd. Pfund an Meiji Yasuda. Der japanische Versicherer will zudem 5% an der FTSE-100-Gesellschaft erwerben. Die beiden Unternehmen weiten zudem ihre bestehende Zusammenarbeit in der Vermögensverwaltung wesentlich aus. Samsung Fire & Marine stockt ihren Anteil am Spezialversicherer Canopius auf 40% auf.
Nun könnte sich der Blick der Konsolidierer auf die Autoversicherer richten: Aus Sicht von Hussain sind Admiral und Sabre herausragende Player. Derzeit befinde sich die Branche in der schwächsten Phase des Underwriting-Zyklus. Für strategische Käufer und andere Interessenten sei das ein guter Zeitpunkt, sich als Konsolidierer nach unterbewerteten Assets umzusehen.
Schwache Phase
Ein Blick auf einen von der Deutschen Bank entwickelten Preis-Tracker zeigt, dass die Preise für Autoversicherungen zuletzt um 10,5% unter dem Vorjahreswert lagen. Das Institut arbeitet dafür mit Consumer Intelligence zusammen. In den Index fließen die fünf günstigsten Angebote von Preisvergleichswebsites und die der fünf führenden Direktversicherer mit ein.
Ergebnis wird rot
Der Versicherungsanalyst Philip Kett von der US-Investmentbank Jefferies geht davon aus, dass die Combined Ratio (Schaden-Kosten-Quote) der britischen Autoversicherer in diesem Jahr um elf Prozentpunkte auf 108 (97)% verschlechtern wird. Damit käme sie dem Tief des vorangegangenen Zyklus nahe, das bei 113% gelegen hatte. Kett hofft deshalb auf Besserung.
In Deutschland ist man weiter: Der Gesamtverband der Versicherer (GDV) prognostiziert für die Kraftfahrtversicherung ein Plus von 14% bei den Beitragseinnahmen. „Unterm Strich könnte damit 2025 eine Schaden-Kosten-Quote von 97% stehen und damit die Rückkehr in die versicherungstechnische Gewinnzone," sagte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.