KommentarRückzug Warren Buffetts

Ohne Starköche bleibt an den Märkten nur fauliger Einheitsbrei

An den Märkten geht mit Warren Buffett auch das freie Denken. Dass selbst aktive Investoren fast nur noch an großen Indizes kleben, birgt systemische Risiken.

Ohne Starköche bleibt an den Märkten nur fauliger Einheitsbrei

Warren Buffett

Ohne Starkoch nur noch Einheitsbrei

Von Alex Wehnert

An den Märkten geht mit Warren Buffett auch das freie Denken. Dass aktive Investoren an großen Indizes kleben, birgt systemische Risiken.

Der Starkoch tritt aus der Küche der Finanzmärkte ab – Anleger müssen die Suppe auslöffeln und damit rechnen, dass ihnen ein zunehmend übel riechender Einheitsbrei aufgetischt wird. Denn der Rückzug Warren Buffetts von der Spitze seines Konglomerats Berkshire Hathaway bedeutet den Abschluss einer Ära, in der eine Reihe an Investmentlegenden eine Outperformance gegenüber Benchmarks erzielt haben, dafür aber auch Risiken einzugehen bereit waren.

Die Dominanz der „Glorreichen Sieben“ – die im S&P 500 eine Gewichtung von einem Drittel aufweisen – führt nicht nur dazu, dass nur eine Minderzahl der aktiven Portfolios den Markt schlägt. Dass Big Tech Treiber jeder Kursrally der vergangenen Jahre war, machte es für aktive Investoren unattraktiv, sich von der Masse abzuheben.

Das zeigt sich auch im Assetmanagement, in dem die Zusammensetzung zahlreicher Portfolios inzwischen stark jener führender US-Indizes gleicht. Fondslenker, die im Kern die gleiche Leistung erbringen wie ein Exchange Traded Fund (ETF), dafür aber höhere Gebühren verlangen, müssen sich indes nicht darüber wundern, dass Anleger ihre Mittel lieber in Indexprodukte stecken.

Beides, der ungebremste Boom von ETFs und die Angleichung aktiver Fondsprodukte an Indizes, zieht systemische Gefahren nach sich. Denn sowohl bei Rallys als auch in Krisenzeiten kennt der Markt nun nur noch eine Richtung, weil alle Teilnehmer nahezu gleich positioniert sind. Zwischen äußerst frequent gehandelten Indexfonds und ihren Basiswerten besteht zu oft ein Liquiditätsungleichgewicht, in dessen Folge sich Kursabschwünge noch beschleunigen, wenn zum Beispiel durch einen Handelskrieg Washingtons beunruhigte ETF-Anleger ihre Positionen abstoßen. Die meisten aktiven Fondsmanager zeigen sich heute außerstande, einen solchen Gegenwind an den Börsen auszuhalten.

Vertreter eigenständigen Denkens

Wiewohl der Abschied des 94-jährigen Buffett schon lange zu erwarten war, reißt er also doch eine große Lücke. Denn das „Orakel von Omaha“ ist nicht nur ein mit Elefantengedächtnis ausgerüsteter, hervorragender Fundamentalanalyst. Er ist auch ein Vertreter des eigenständigen Denkens, das an den Märkten sonst noch zu selten praktiziert wird. Buffett gefiel es nicht, mit Berkshire Hathaway zuletzt rekordhohe Cash-Bestände anzuhäufen, statt in Unternehmen zu investieren, von denen er sich langfristige Wertsteigerungen versprach. Er tat es trotzdem, weil er das unsichere Kapitalmarktumfeld früh richtig einschätzte und nicht wie der Rest der Herde erst, als US-Präsident Donald Trump schon damit begonnen hatte, die Finanzmarktstabilität auszuhöhlen.

Natürlich ist Buffett zu einem gewissen Grad ein wohlfeiles Gegenbeispiel. Gerade er hat seit der Jahrtausendwende stark vom eigenen Legendenstatus profitiert. Seine Investmentthesen waren oft selbst verstärkend, weil andere Investoren sich an ihm orientierten. Auch wenn Buffett als bekennender Fast-Food-Fan zu Tisch kein Gourmet ist, hat er sich an den Märkten als Starkoch mit der besonderen Würze fürs Portfolio über Jahrzehnte einen Namen gemacht. Ohne ihn droht nicht nur den Aktionären von Berkshire Hathaway künftig mehr Einheitsbrei.

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