LeitartikelFusionen und Übernahmen

Opportunistische Politik schadet dem M&A-Markt

Das Drama um die Übernahme von US Steel verdeutlich die unmöglichen Bedingungen am amerikanischen M&A-Markt. Politischer Opportunismus macht auch künftig jede Planbarkeit für Unternehmen und Banker zunichte.

Opportunistische Politik schadet dem M&A-Markt

Fusionen

Deal or No Deal

Die opportunistische Kartellpolitik in den Vereinigten Staaten macht auch in den kommenden Jahren jede Planbarkeit am M&A-Markt zunichte.

Von Alex Wehnert

Unternehmer müssen sich darauf einstellen, dass die opportunistisch geprägte US-Kartellpolitik ihnen auch in den kommenden Jahren die schönsten Übernahmepläne verhagelt. Denn die Hoffnung auf eine stärker marktwirtschaftliches Vorgehen des Washingtoner Justizministeriums und der Wettbewerbskommission FTC unter US-Präsident Donald Trump hat sich bereits als Schall und Rauch herausgestellt. Vielmehr verläuft die Regulierung genauso erratisch wie auf anderen Politikfeldern auch, wie die Saga um die fast 15 Mrd. Dollar schwere Akquisition der Industrieikone US Steel durch die japanische Nippon Steel verdeutlicht.

Trumps gefährlicher Zickzackkurs

Die Unternehmen sehen sich auf gutem Weg, um den Deal noch vor einer in der Merger-Vereinbarung festgehaltenen Deadline am 18. Juni über die Ziellinie zu bringen. Doch dass so kurz vor Fristablauf noch gewaltige Unsicherheit um die Ausgestaltung besteht, sagt schon alles über die Bedingungen am M&A-Markt aus. So läuft zwischen Nippon Steel und der US-Regierung noch ein Rechtsstreit, seit Ex-Präsident‚ Joe Biden die Transaktion mit Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen blockierte. Trump versprach im Wahlkampf, den Deal ein für alle mal zu verhindern, nur um nach Amtsantritt eine Kehrtwende hinzulegen und eine neue Sicherheitsprüfung anzuordnen.

US-Präsident Donald Trump hält den M&A-Markt mit opportunistischen Verrenkungen auf Trab.
US-Präsident Donald Trump hält den M&A-Markt mit opportunistischen Verrenkungen auf Trab.
picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon

Nun sieht alles danach aus, dass der Republikaner den Deal durchwinken, den Japanern aber umfangreiche Zugeständnisse abpressen wird. So verlangt Washington eine goldene Aktie von US Steel, um sich enge Kontrollmöglichkeiten zu sichern. Nippon Steel erklärte sich schon dazu bereit, den Verwaltungsrat des Übernahmeziels mit einer Mehrheit amerikanischer Staatsbürger und einem US-CEO zu besetzen. Zuletzt sagte der Konzern zudem Investitionen von 14 Mrd. Dollar in den Vereinigten Staaten zu. Nun haben die Parteien das zuständige US-Gericht aufgerufen, das Verfahren um die Deal-Blockade für acht Tage auszusetzen, um mehr Zeit für eine Einigung zu erhalten.

Letztlich werden sich die Japaner, die eigentlich die hundertprozentige Kontrolle über US Steel erlangen wollten, grummelnd mit den von Trump aufoktroyierten Bedingungen arrangieren. Doch der amerikanische Präsident, der Stahlimporte in die Vereinigten Staaten inzwischen mit Zöllen von 50% belegt, hat mit seinem Vorgehen in Japan viel Unmut erzeugt. Nicht zur Beruhigung trägt bei, dass er in typischer Manier wiederholt öffentlich Details zu dem Deal bekanntgibt, von denen die CEOs und Verwaltungsräte der beiden Konzerne im Zweifel noch gar nichts wissen.

Jedem Deal droht der spontane Garaus

Für andere ausländische Konzerne, die über Akquisitionen in den USA nachdenken, muss die Entwicklung rund um US Steel ein mahnendes Beispiel sein. Bei der Frage „Deal or No Deal?“ dürften sie sich künftig eher für die zweite Option entscheiden, statt sich untragbaren politischen Risiken auszusetzen. Denn mit Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen kann Washington spontan jedem Deal den Garaus machen – was schon unter Biden ein allzu bereitwillig eingesetztes politisches Instrument war, ist unter Trump vollends zum opportunistischen Hammer verkommen.

Zugleich gehen die Regulierungsbehörden bei Übernahmen innerhalb der USA ähnlich ideologisch verblendet vor wie während der demokratischen Administration. In der Biden-Ära werteten Justizministerium und FTC Konsolidierung grundsätzlich negativ und blockierten sogar Merger, die positive Preiseffekte für Verbraucher nach sich gezogen hätten. Zugleich scheiterten sie daran, die Marktmacht von Big Tech zu begrenzen oder Übernahmen im Ölsektor zu verhindern, deren Folgen Konsumenten noch an der Zapfsäule zu spüren bekommen werden. Unter Trump gehen sie nicht rationaler vor. Unternehmen wie der Serverriese Hewlett Packard Enterprise, der den Netzwerkausrüster Juniper für 14 Mrd. Dollar übernehmen will, können ihre Akquisitionspläne noch so einwandfrei formulieren, sie stecken trotzdem in Kartellprozessen mit unklarem Ausgang fest.

Finanzsektor unter Druck

Die verbohrte Regulierung macht dabei auch vor dem Finanzsektor nicht halt. So instrumentalisieren Trumps Behörden das Wettbewerbsrecht, um Vermögensverwalter für ihr Nachhaltigkeitsengagement abzustrafen. Zuletzt schlugen sich Justizministerium und FTC auf die Seite republikanischer Bundesstaaten um Texas, die Assetmanagern in einer Klage eine groß angelegte Verschwörung zur Reduktion des Kohleoutputs vorwerfen. Die Bundesregulatoren warnen Blackrock, State Street und Vanguard, dass ihre jeweiligen Beteiligungen an mehreren Unternehmen aus dem Energiesektor gegen Kartellrecht verstoßen könnten – und stellen damit trotz gegenteiliger Beteuerungen die „Common Ownership“, ein wichtiges Basisprinzip des ETF-Markts, infrage.

Das Umfeld für Fusionen, Übernahmen und auch nur Minderheitsbeteiligungen an Unternehmen wird damit auf Jahre hinaus durch Unsicherheit geprägt sein. Dies trifft auch Amerikas führende Investmentbanken, die in ihrem naiven bis zweckoptimistischen Glauben an eine wirtschaftsfreundliche Agenda Trumps zu Jahresbeginn noch zur großen Aufholjagd im M&A-Geschäft bliesen. Einige Dealmaker, so drängt sich der Eindruck bei Gesprächen in New York auf, haben das Ausmaß der Probleme durch die erratische Politik des Präsidenten allerdings noch immer nicht begriffen. Je früher sie einsehen, dass verbindliche Absprachen und verlässliche Ausblicke unter dem Republikaner nicht möglich sind, desto eher können sie Schaden von ihren Häusern und Kunden abwenden.

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