Vom Einzelkämpfer zum Teamspieler
Vom Einzelkämpfer
zum Teamspieler
Mit dem Siegeszug der ETFs stellt sich die Frage: Was wird eigentlich aus den ganzen Fondsmanagern? Die werden weiterhin gebraucht, doch ihre Arbeit wandelt sich.
Von Daniel Schnettler, Frankfurt
Wohl kaum ein Produkt hat die Finanzmärkte in den vergangenen Jahren derart verändert wie Exchange Traded Funds. Bei den deutschen Publikumsfonds fließt inzwischen mehr Geld in ETFs als in klassische Produkte. Laut Fondsverband BVI entfielen im ersten Quartal annähernd zwei Drittel der Zuflüsse auf börsengehandelte Fonds. Der Anteil am gesamten Fondsvermögen beträgt inzwischen nahezu ein Viertel. Besonders beliebt sind Indexfonds, die etwa den MSCI World oder den EuroStoxx eins zu eins abbilden.
Damit stellt sich die Frage: Was machen denn die ganzen Fondsmanager, wenn insbesondere jüngere Anleger lieber zu diesen passiven ETF greifen? Werden sie mittelfristig arbeitslos? Die gute Nachricht: Fondsmanager werden auch künftig benötigt. Doch der Job wandelt sich. Und der Arbeitsmarkt wird insgesamt enger.
„In einer Welt, die mehr und mehr von passiven Flows getrieben wird, hat das aktive Management mehr denn je seine Daseinsberechtigung“, sagt Arne Rautenberg, Leiter des Aktienportfoliomanagements von Union Investment. „Es wird immer wichtiger, mit Sinn und Verstand seine Investments auszuwählen.“ Die Fondsgesellschaft der genossenschaftlichen Finanzgruppe bekennt sich deshalb klar zum aktiven Fondsmanagement, hat bis dato kein ETFs im Programm. „Wir wachsen und werden mehr Fondsmanager benötigen.“

In ein ähnliches Horn stößt Deka Investment. „Da wird ein Kulturkampf hochstilisiert, den es so gar nicht gibt“, sagt Chief Investment Officer Jörg Boysen. „Die Anzahl unserer Fondsmanager liegt seit mehr als zehn Jahren auf konstantem Niveau.“ Die Fondsgesellschaft der Sparkassen bietet allerdings auch selbst ETFs an – als Ergänzung zu klassischen Fonds.
ETF-Anbieter wie die Blackrock-Tochter iShares, die französische Amundi oder die Deutsche-Bank-Fondstochter DWS mit ihrer Marke Xtrackers sammeln höchst erfolgreich Anlegergelder ein. „ETF sind aktuell en vogue“, räumt Boysen unumwunden ein, sieht das aber auch als Chance für gemanagte Fonds: Denn das Interesse der breiten Bevölkerung am Kapitalmarkt habe insgesamt zugenommen.
Arbeitsmarkt wird enger
Auf dem Arbeitsmarkt für Fondsmanager spiegelt sich das nur teilweise wider, wie Auswertungen der Jobportale Indeed und Xing für die Börsen-Zeitung nahelegen. Laut Indeed hat sich die Zahl der ausgeschriebenen Stellen für Fonds- und Portfoliomanager binnen drei Jahren mehr als halbiert – wobei allerdings auch insgesamt weniger Stellenanzeigen geschaltet wurden. Laut Xing ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Jobsuchen in diesem Bereich stabil geblieben.
Die Erhebungen, wenngleich nicht wissenschaftlich genau, zeigen recht klar: Der Beruf des Fondsmanagers ist weiterhin attraktiv – und die Fondsgesellschaften können bei der Bewerberauswahl aus dem Vollen schöpfen.
Das scheint ganz besonders für Berufsanfänger zu gelten. „Wenn wir eine Junior-Stelle ausschreiben, werden wir überhäuft mit Bewerbungen“, erzählt Rautenberg von Union Investment. „Viele junge Leute managen heute schon eigene kleine Aktienportfolios. Die kommen von der Uni und haben erste Erfahrungen gesammelt. Das gab es zuletzt zu Zeiten des Neuen Markts.“ Deka-Kollege Boysen berichtet ähnliches: „Wir haben deutlich mehr jüngere Bewerber als früher.“
Damit ist der kuriose Fall eingetreten, dass ausgerechnet ETFs und Neobroker das Interesse der Generation Z und der nachfolgenden Generation Alpha für Geldanlage entfacht haben – von dem nun die klassischen Fondsgesellschaften bei ihrer Personalsuche profitieren.
Job wird arbeitsteiliger
Doch was erwartet die jungen (und die erfahrenen) Kollegen bei ihrer täglichen Arbeit? Wie hat sich die Arbeit verändert? „Der Job ist arbeitsteiliger geworden – einfach weil die Welt größer, komplexer und komplizierter geworden ist“, erzählt Rautenberg. „Vor zwanzig Jahren war der Portfoliomanager der Star. Er hat alles überblickt und alles entschieden. Heute arbeiten wir in Teams.“
Bei Union Investment heißt das konkret: Es gibt Spezialisten für die verschiedenen Anlageklassen, Sektoren und Regionen. Dieses Wissen wird dann im insgesamt 180-köpfigen Portfoliomanager-Team von Union Investment geteilt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt einer der kleineren namhaften Spieler am Fondsmarkt: Flossbach von Storch. Dort betreuen die 35 Portfoliomanager vorrangig ihren eigenen Fonds, sind aber parallel Analysten für eine bestimmte Branche.
Einzelkämpfer, die im stillen Kämmerlein ihren Fonds verwalten, sind damit ein Auslaufmodell. „In der Zusammenarbeit entstehen die besten Ideen“, sagt Rautenberg. Es würden heutzutage Typen gesucht, „die angenehm in der Zusammenarbeit sind, weil der Austausch viel wichtiger geworden ist. Wir brauchen Teamplayer.“ Zudem, so merkt Deka-Mann Boysen an, sei Aufgeschlossenheit und geistige Flexibilität gefragt: „Heute schaut sich der Fondsmanager oder die Fondsmanagerin einen Versorger an, morgen möglicherweise Pharma, übermorgen ist es eine Bank.“
Klingt so, als würden die Anforderungen an Fondsmanager immer weiter steigen: Spezialisiert, aber doch flexibel. Angenehmer Teamplayer, aber immer den Überblick bewahren in einer komplexen Welt. Wie kann ein Einzelner das leisten? Zumal das Research-Material ständig zunimmt. Unzählige Studien wollen in kürzester Zeit gesichtet, bewertet und gegebenenfalls auch ausgewertet werden.
Das sei herausfordernd, räumt Boysen ein. Hilfe beim Lesen und Zusammenfassen von Research bietet die Künstliche Intelligenz. „Das ist sensationell, das ist ein unfassbarer Produktivitätsschub“, erläutert der Deka-Investmentchef. Doch auch diese technische Errungenschaft werde den Fondsmanager nicht obsolet machen, ist er überzeugt. Vielleicht sogar im Gegenteil. „Am Ende ist es der Mensch, der entscheidet“, sagt Boysen. „Es wird weiterhin einen Kampf um die besten Talente geben. Das ist das Differenzierungsmerkmal.“