US-Wertpapieraufsicht mit Sehstörung
SEC
Aufsicht mit Sehstörung
Von Alex Wehnert
Die US-Wertpapier-
behörde SEC droht unter ihrem Vorsitzenden
Paul Atkins mit auf-
geweichten Regeln zur Erosion der Finanz-
stabilität beizutragen.
Während sich die Finanzstabilität in so großer Gefahr befindet wie seit der Subprime-Krise 2008 nicht, begeben sich Amerikas Regulatoren auf einen brandgefährlichen Lockerungskurs. Nach der Federal Reserve und der Einlagensicherung FDIC, die trotz der erratischen Handels- und Haushaltspolitik Washingtons und Warnungen von Ratingagenturen umfangreiche Senkungen der Kapitalvorgaben für Banken planen, reiht sich auch die Börsen- und Wertpapieraufsicht SEC unter dem Banner einer Liberalisierung der Märkte unter die verantwortungslosen Wegbereiter des nächsten großen Crashs ein. Denn ihr von Präsident Donald Trump ins Amt gehobener Vorsitzender Paul Atkins hat zuletzt klar signalisiert, Beschränkungen für Investitionen in Private-Equity-Vehikel und Hedgefonds abbauen zu wollen. Damit droht er eine in den Vereinigten Staaten viel zu schwach regulierte und intransparente Ecke des Finanzmarkts zum ungünstigsten Zeitpunkt für eine breitere Zahl an Investoren zu öffnen.
Zweifelhaftes Narrativ von Diversifikation
In der vergangenen Woche stellte Atkins eine Position der SEC infrage, gemäß der geschlossene Fonds nicht mehr als 15% ihrer verwalteten Mittel in Private Funds stecken dürfen – zumindest, wenn sie für Kunden mit Anlagesummen von unter 25.000 Dollar und solche abseits eines begrenzten Kreises an akkreditierten Investoren zugänglich sein wollen. Durch eine Öffnung für andere Gruppen könnte die SEC laut Atkins „Chancen für Retail-Investoren erhöhen, ihre Investment-Allokation im Einklang mit ihrem Zeithorizont und ihrer Risikotoleranz zu diversifizieren“.

Branchenverbände wie die Managed Funds Association begrüßen diese bemerkenswert kurz- und unvorsichtigen Äußerungen natürlich, haben sie angesichts des wohl bevorstehenden Sprungs der Vertriebsmöglichkeiten für Private-Equity- und Hedgefonds-Anteile doch schon Dollar-Zeichen in den Augen. Denn während die Assets under Management in traditionellen geschlossenen Fonds in den USA laut dem Investment Company Institute vom 2021 erreichten Spitzenwert von 303 Mrd. Dollar auf zuletzt 249 Mrd. Dollar gefallen sind, ist das Volumen von Private Funds über das vergangene Jahrzehnt von 11,6 auf 30,8 Bill. Dollar explodiert. Damit ist jedoch auch der Erfolgsdruck auf Alternatives-Anbieter gewachsen, die infolge von Trumps Handelskrieg und des eingetrübten Umfelds für Börsengänge weniger Kapital an ihre institutionellen Investoren zurückführen können. Neben eigenen, neu lancierten Multi-Asset-Portfolios für Privatanleger sind geschlossene Fonds also ein hoch willkommener Kanal für die Branche, um neue Mittel zu erschließen.
Totalverlust droht
Doch die Rechnung von der sowohl für Closed-End- als auch für Private Funds gewinnbringenden Symbiose geht für eine beteiligte Gruppe nicht auf: Die Retail-Investoren, für die Hedgefonds, Private Equity und Private Credit an sich schon undurchsichtige Anlageklassen bilden, in denen sie gegenüber anderen Teilnehmern entscheidende Informationsnachteile besitzen. Kommt es dort zu Turbulenzen, besitzen Zeichner geschlossener Fonds, deren Sekundärmarkt es zumeist an Tiefe mangelt, kaum Rückzugsmöglichkeiten. Atkins mag von Diversifikation sprechen – von dieser können sich Privatanleger aber wenig kaufen, wenn sie mit ihren Beteiligungen in den Totalverlust rennen.
Doch auch über die Folgen für Retail-Investoren hinaus droht das ungehemmte Wachstum des Alternatives-Segments, dem die SEC unter Regulierungsskeptiker Atkins noch Vorschub leistet, systemische Folgen zu entfalten. Denn Amerikas Banken haben ihre Kreditvergabe an Intermediäre ohne Einlagengeschäft im Streben nach höheren Renditen angekurbelt – und ein Abbau von Kapitalvorgaben würde ihnen diese Expansion künftig noch erleichtern. Probleme im illiquiden Private-Funds-Segment dürften also deutlich schneller auf andere Ecken des Finanzsektors übergreifen als in der Vergangenheit. Ein hyperaktiver Regulierungskurs, wie ihn die SEC unter Atkins' demokratischem Vorgänger Gary Gensler verfolgte, mag einem effizienten Ablauf an den Märkten zwar auch nicht förderlich sein. Der Schwenk in die entgegengesetzte Richtung führt allerdings in die vollkommene Destabilisierung.