Führungswechsel

VW-Konzern sucht weiter nach Rückenwind

Andere Konzernchefs nehmen sich eine 100-Tage-Schonfrist, ehe sie erste Ergebnisse zeigen wollen. Volkswagen-Chef Oliver Blume baut die Konzernführung schon an Tag eins um.

VW-Konzern sucht weiter nach Rückenwind

Andere Konzernchefs nehmen sich eine 100-Tage-Schonfrist, ehe sie erste Ergebnisse zeigen wollen. Volkswagen-Chef Oliver Blume baut die Konzernführung schon an Tag eins um. Der 54-Jährige verkleinert den Vorstand, verteilt Kompetenzen neu und schafft eine bereichsübergreifende Führungsebene unterhalb des Vorstands. Zudem stellte er einen Zehn-Punkte-Plan vor, der VW schneller voranbringen soll. Blume scheint der Kritik, die Doppelfunktion als Porsche- und Volkswagen-Chef könne ihn überfordern, gleich den Wind aus den Segeln nehmen zu wollen.

Die neue Aufstellung, die den Markengruppen mehr Gewicht im Vorstand zukommen lässt, ist Resultat des von Diess verlorenen Machtkampfs. Blumes Vorgänger wollte die Autonomie der Marken beschneiden, nun wächst diese wieder. Es ist daher kein Zufall, dass am Donnerstag auch mitgeteilt wurde, dass Porsche den IT-Experten Sajjad Khan in den Vorstand berufen wird. Khan war bis vor einem Jahr als Topmanager bei Mercedes für Software und Vernetzung zuständig. Dem 48-Jährigen war es wesentlich zu verdanken, dass sich das zu Anfang problembeladene Infotainmentsystem MBUX zu einem der führenden in der Branche entwickelt hat.

Porsche-Entwicklungschef Michael Steiner, der beim Sportwagenbauer bislang auch die IT-Entwicklung verantwortet hatte, soll dafür die Entwicklung im Gesamtkonzern auf der neuen bereichsübergreifenden Führungsebene unter dem Vorstand verantworten. In der sind künftig auch Beschaffung und Vertrieb (bislang im Vorstand) angesiedelt. Hinzu kommt die Produktion. Der Vorstand wird also kleiner, die Konzernführung aber nicht weniger komplex.

Und die Herausforderungen bleiben. In China muss verlorener Boden wieder gutgemacht werden. In der Elektromobilität wächst die Konkurrenz neben Tesla – gerade im Reich der Mitte. Die Softwaretochter Cariad, die in die Verantwortung von Diess fiel, hat nun Blume am Bein. Wie bei der Frage der Markenautonomie hat der neue VW-Chef auch hier eine andere Idee als sein Vorgänger. Während Diess möglichst alles selbst entwickeln wollte und damit gegen den Strom schwamm, zeigt sich Blume offener für Partnerschaften – mit traditionellen Zulieferern, aber auch Tech-Konzernen wie Apple.

Beim vollautonomen Fahren hatte Volkswagen bereits Anfang des Jahres eingelenkt und eine Partnerschaft mit Bosch vereinbart. Nun dürften weitere Kooperationen folgen. Auch wenn viele Analysten von den Erfolgsaussichten von Cariad nicht überzeugt waren, hielten sie den Kurs dennoch für richtig. Wer die Kontrolle über die zentrale Software abgibt, gibt riesiges Potenzial auf, so der Tenor. Das gilt indes nur, wenn der Konzern auch in der Lage ist, dieses Potenzial zu heben. Die Zweifel daran sind zuletzt eher gewachsen. Auch Blumes kraftvoller erster Aufschlag ändert daran nichts. Der CEO braucht mehr als einen Zehn-Punkte-Plan und eine neue Führungsstruktur. Eine Gelegenheit, zu beweisen, dass er auch in Doppelfunktion liefern kann, winkt ihm allerdings schon. Bei Cariad sind schnelle Erfolge zwar nicht zu erwarten. Aber vielleicht kann er bald ein erfolgreiches Porsche-IPO vorweisen. Dieses dürfte den Rückenwind geben, den man in Wolfsburg so lange vermisst hat.

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