US-Wirtschaft

Wachsende Rezessions­ängste

Seit Monaten warnen Ökonomen vor den Folgen der hohen Inflation für die US-Wirtschaft. Nun wächst sogar die Angst vor einer erneuten Rezession. Ausgelöst werden könnte diese durch den Ukraine-Krieg Russlands und eine straffere Geldpolitik.

Wachsende Rezessions­ängste

Im November vergangenen Jahres hatte US-Notenbankchef Jerome Powell erstmals gesagt, dass es Zeit sei, den Begriff einer „vorübergehenden Inflation“ endgültig zu den Akten zu legen. Während die Wirtschaft robust wuchs, galten die Sorgen der Ökonomen fast ausschließlich den steigenden Preisen. Vier Monate später scheinen die Karten aber neu gemischt zu sein, denn auf einmal ist in den USA das berühmte „R-Wort“ wieder in aller Munde: „Rezession“.

Immer mehr Experten sind der Ansicht, dass sich gerade der perfekte Sturm zusammenbraut: die Kombination aus dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine, andauernden Störungen in den globalen Lieferketten, einer Rekordinflation und dem deutlich strafferen geldpolitischen Kurs. Folglich könnte die zweite US-Rezession­ binnen weniger Jahre unausweichlich sein, meinen sie.

Obwohl die Corona-Pandemie sich dem Ende zuneigen dürfte, dauern die inflationstreibenden Angebotsengpässe weiter an. Zudem konnte in den USA die Knappheit an Arbeitskräften die Löhne weiter nach oben treiben. Nun jagt auch noch das Einfuhrverbot für russisches Öl die Benzinpreise auf neue Höchststände. Das aktuelle Preisniveau bedeutet, dass in den USA eine vierköpfige Familie derzeit pro Jahr durchschnittlich über 2000 Dollar mehr für Sprit ausgeben muss als noch im März 2021. Das könnte in einer Wirtschaft, in der die privaten Konsumausgaben etwa 70% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, zur Folge haben, dass das Wachstum einbricht, weil die Verbraucher insgesamt den Gürtel enger schnallen.

Powell erwartet zwar, dass die Fed es schaffen wird, bis 2025 die Teuerungsrate wieder auf etwa 2% zu drücken. Doch auch wenn das gelingen sollte, bleibt unklar, welche Auswirkungen die hohen Preise, von denen neben Benzin auch Lebensmittel sowie alle anderen Produktgruppen und Dienstleistungen betroffen sind, in der Zwischenzeit auf das Wachstum haben werden.

Zwar bleibt die Fed vorsichtig und revidierte bei der jüngsten Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) ihre Prognose für das BIP-Wachstum für 2022 nur leicht auf 2,8% nach unten. Einige Experten meinen aber, dass die Währungshüter die Brems­spuren­ unterschätzt haben könnten.

Stillstand befürchtet

Mark Zandi, Chefvolkswirt bei Moody’s Analytics, glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession als Folge der russischen Invasion deutlich gestiegen ist, unter anderem deswegen, weil sich Störungen in globalen Lieferketten nun wieder zuspitzen könnten. Dana Peterson, Chefökonomin beim Forschungsinstitut Conference Board, ist der Ansicht, dass „vor allem die US-Wirtschaft die negativen Auswirkungen des Kriegs spüren wird“.

Zu dem deutlich verteuerten Öl gesellen sich nämlich steigende Preise für weitere Rohstoffe, die aus Russland und der Ukraine kommen. Gerade in den USA sei jedenfalls vorstellbar, dass „Verbraucher ihre Ermessensausgaben drosseln, auf Urlaubsreisen verzichten und weiter vom Homeoffice aus arbeiten, anstatt ins Büro zu fahren“. Das wiederum könnte den Konjunkturaufschwung in Ballungszentren, die stark von den Lockdowns betroffen waren, abwürgen. „Wenn Verbraucher deutlich weniger ausgeben, dann würde der wichtigste Katalysator der US-Wirtschaft praktisch zum Stillstand kommen“, so Peterson.

Wie der frühere Fed-Gouverneur Frederic Mishkin im Interview der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 14. März) meinte, wächst die Rezessionsgefahr auch deswegen, weil die neuen Risiken ausgerechnet zu einem Zeitpunkt auftauchen, wo die Notenbank einen deutlich schärferen geldpolitischen Kurs ansteuert. Laut Mishkin verfolge die Fed nun „die an und für sich richtige Politik, aber in einem denkbar ungünstigen Um­feld“. Folglich hält er Stagflation und sogar die nächste Rezession für möglich.

Das Zusammenspiel von hoher Inflation, straffer Geldpolitik, dem Krieg und der Möglichkeit eines Einbruchs beim Konsum, der früher oder später auch die Investitionstätigkeit beeinträchtigen würde, hat sogar die Forderung nach einem fiskalpolitischen Stimulus laut werden lassen. So wird im Kongress ein Gesetz debattiert, das Haushalte für die hohen Benzinkosten entschädigen würde. Angesichts einer Schuldenquote von über 123% würden aber Republikaner ebenso wie gemäßigte Demokraten umfangreichere Hilfsprogramme ablehnen.

Massive Ersparnisse

Einige Experten bleiben dennoch vorsichtig optimistisch. So sagte die geschäftsführende IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa diese Woche, dass der Krieg zwar einige Schwellenländer hart treffen könnte, deswegen aber mit keiner globalen Rezession zu rechnen sei. Andere weisen darauf hin, dass die US-Haushalte während der Pandemie massive Barreserven angehäuft haben.

Dieser Puffer könne den Privatkonsum gegen die Folgen der hohen Inflation abfedern. Folglich sei denkbar, dass Verbrauchern, die im Januar ihre Ausgaben unerwartet stark, nämlich um 2,1% hochgeschraubt hatten, das Geld auch weiter locker in der Tasche sitzt. Daher ist ein Konjunktureinbruch keineswegs sicher, aber durchaus möglich. Wie Zandi meint, ist „eine Rezession während der nächsten zwölf Monate mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 33% versehen“.