LeitartikelChinas Großbanken unter Druck

Kapitalspritze für Chinas Konjunkturhelfer

Chinas Großbanken verfügen über stramme Kernkapitalquoten. Das reicht aber nicht für ihre neue Rolle als Lastenträger der Konjunkturanregung. Der Staat muss nachhelfen.

Kapitalspritze für Chinas Konjunkturhelfer

Chinas Großbanken

Kapitalspritze für Konjunkturhelfer

Chinas Großbanken verfügen über stramme Kernkapitalquoten. Das reicht aber nicht, um die Konjunktur entscheidend anzuregen.

Von Norbert Hellmann

Wenn die führenden Banken eines Landes vom Staat Kapital eingeschossen bekommen, muss man unwillkürlich an spektakuläre Rettungsaktionen zu Zeiten der globalen Finanzkrise denken. In China liegen bei allem Stress im Handelskonflikt mit den USA keine akuten Finanzkrisensymptome vor, und es zeichnen sich auch keine Verlustausweise bei wichtigen Kreditinstituten ab. Dennoch fühlt sich der Staat genötigt, den sechs größten Banken des Landes mit großzügigen Kapitalspritzen unter die Arme zu greifen und ihre Kapitalpuffer aufzufüllen.  

Baseler Norm kein Problem

In einer ersten Runde sind Sonderanleihen der Regierung im Umfang von 500 Mrd. Yuan (rd. 60 Mrd. Euro) begeben worden. Mit diesen Mitteln wird der Staat an Aktienplatzierungen von Bank of China, Bank of Communications, China Construction Bank und Postal Savings Banks of China partizipieren. Weitere 500 Mrd. Yuan sind vorprogrammiert, um auch den Marktführer Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) und Agricultural Bank of China kapitalseitig aufzupolieren. Von den regulatorischen Eigenkapitalquoten her gesehen ist kein Handlungsbedarf ersichtlich. In der wichtigsten Schublade für hartes Kernkapital (Core Equity Tier 1) kommen die großen sechs im Durchschnitt auf über 11,5%. Damit liegen sie deutlich über der internationalen Mindestanforderung für systemisch relevante Banken nach Baseler Regelwerk von 8,5%.

Zwang zur Risikoanhäufung

Warum sieht sich der Staat also bemüßigt, die führenden Banken des Landes demonstrativ und sichtbar zu stärken? In diesem Jahr gilt es vor den Herausforderungen des epochalen Handelsstreits mit den USA alle erdenklichen Konjunkturanregungsmechanismen zu mobilisieren. Dabei spielen die seit jeher vom Zentralstaat kontrollierten, aber marktwirtschaftlich agierenden größten Banken des Landes eine wichtigere Rolle als in früheren Jahren. Sie sollen Aufgaben übernehmen, mit der man eher klassische Förderinstitute als kommerzielle Geschäftsbanken mit Börsennotierung betrauen würde. Es gilt, Tempo in Sachen Kreditanregung zu machen und eine Darlehensvergabe in Bereichen anzukurbeln, die zwangsläufig mit schlechten Risiken verbunden sein werden.

Schrumpfende Zinsmargen

Chinas Banken sind für die neuen Aufgaben nur bedingt gewappnet. Sie sehen sich im Zuge eines seit zwei Jahren unentwegt anhaltenden Margendrucks mit ungewohnten Schwächen in der Ertragsqualität konfrontiert. Beim jüngsten Ergebnisausweis für das erste Quartal sind drei der vier größten Kreditinstitute mit mittleren einstelligen Gewinnrückgängen auch an den Märkten unangenehm aufgefallen. Ihre Nettozinsmarge ist immer weiter zurückgekommen und liegt mit Werten nahe bei 1,4% auf historischem Rekordtief. Für Chinas Bankenaufseher liegt aus dem Blickwinkel der Finanzsystemstabilität die als regulatorisch vertretbar erachtete Mindesthöhe bei 1,8%. Davon wird man sich unweigerlich weiter entfernen. Gerade erst hat die Zentralbank die Leitzinsen weiter gesenkt.

Bilanzbereinigung

Dass der Staat nun aktiv geworden ist, hat nicht nur mit Symbolik zu tun. Es soll ein Zeichen nach außen gesetzt werden, dass die Stabilität der Banken trotz des beunruhigenden Margendrucks über alle Zweifel erhaben ist. Die Aktion ist aber auch erforderlich, um den Instituten Spielraum für das Tragen von Risiken bei der Wiederaufforstung des Wohnimmobilienmarktes zu geben. Dazu braucht es eine offensive Bilanzbereinigung mit großzügiger Abschreibung von notleidenden Immobilienkrediten, statt andauernder Risikoverschleppung. Mit aufgemöbelten Kapitalreserven können die Institute hier freier agieren.

Hohe Dividenden

Für Chinas Vorzeigeinstitute gilt es aber auch auf anderer Ebene Flagge zu zeigen. Chinesische Bankaktien werden im gegenwärtigen Marktumfeld als Dividendenlieferanten besonders geschätzt und sind in dieser Hinsicht ein wichtiger Stabilitätsanker für das Börsenklima. Entsprechend bedeutsam sind Signale, dass sie sich trotz wachsendem Ertragsdruck und Zwang zu riskanteren Kreditaktivitäten bei den Dividenden auch künftig keine Blöße geben müssen. Eine langfristig gestärkte Kapitaldecke ist ein solches Signal.

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