Antrittsbesuch in Washington

Klingbeil im Trump-Land: Nur wenig Zeit zum Brückenbauen

Bundesfinanzminister Lars Klingbeil platziert bei seinem Antrittsbesuch in Washington offene Fragen des Zoll-Deals. Mit seinem Amtskollegen Scott Bessent hofft er, „eine belastbare Gesprächsgrundlage“ zu finden.

Klingbeil im Trump-Land: Nur wenig Zeit zum Brückenbauen

Klingbeil im Trump-Land: Wenig Zeit zum Brückenbau

Von Andreas Heitker, Washington

Lars Klingbeil steht im Lafayette-Park vor dem Weißen Haus und versucht den diplomatischen Spagat: Er sei froh über die europäische Zolleinigung mit den USA. Es sei wichtig, dass es Planungssicherheit für die Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks gebe, sagt der Vizekanzler und Finanzminister. Um nur wenige Sätze später zu betonten, wie unzufrieden er mit dem Deal ist und wie viele Fragen noch offen sind. „Es gibt noch einige Dinge, die ausbuchstabiert werden müssen.“

Offene Fragen beim Zoll-Deal

Es ist ein sonniger Montagvormittag in Washington DC. Klingbeil wird wenige Stunden später von seinem amerikanischen Amtskollegen Scott Bessent zum Antrittsbesuch empfangen. Hier will er mit dem Ausbuchstabieren beginnen und zumindest einige Unklarheiten ansprechen, die die Europäer seit einer Woche beschäftigen: Wie sollen die zugesagten Energieimporte von 750 Mrd. Euro aus den USA überhaupt umgesetzt werden? Wer tätigt die versprochenen europäischen Investitionen im Volumen von 600 Mrd. Euro in den nächsten Jahren in den USA? Wie genau geht es mit der europäischen Stahl- und der Automobilindustrie weiter? Können diese Branchen auf Quoten mit niedrigen Zöllen hoffen?

Lars Klingbeil wird bei seinem zweiten persönlichen Treffen mit dem früheren Hedgefonds-Manager Bessent darauf keine Antworten erhalten. Aber zumindest sind die Fragen bei einem platziert, der zum engen Zirkel um Präsident Donald Trump gehört. Einem, der Einfluss in Trumps System hat. Klingbeil sagt, ein enger Draht zwischen ihm und dem US-Finanzminister könne dazu beitragen, „ein gemeinsames Verständnis“ des Zoll-Deals von letzter Woche zu entwickeln.

Finanzminister Lars Klingbeil bei seinem Treffen mit dem US-Amtskollegen Scott Bessent in Washington.
picture alliance / BMF/photothek.de | Thomas Koehler

Beim G7-Finanzministergipfel im Mai im kanadischen Ferienort Banff hatten sich Klingbeil und Bessent erstmals persönlich getroffen. Damals hatte es die Einladung nach Washington gegeben, der der SPD-Chef nun folgt. Es gab in den letzten Monaten Telefonate über Themen wie die globale Mindeststeuer und eine mögliche deutsche Digitalsteuer und den Austausch über SMS. Klingbeil glaubt, einen Draht zum zurückhaltenden Scott Bessent gefunden zu haben. Darum jetzt auch der Kurztrip: 7.000 Kilometer Flug in die eine, gut 7.000 Kilometer zurück in die andere Richtung; dazwischen keine 24 Stunden Aufenthalt in Washington. Klingbeil hofft, über Bessent „eine belastbare Gesprächsgrundlage“ zur Trump-Regierung aufbauen zu können, hofft auf eine „gute Arbeitsbeziehung“.

„Wir ducken uns auch bei schwierigen Themen nicht weg“

Der Vizekanzler hat zweimal in den USA gelebt. Ihm ist eine enge transatlantische Partnerschaft nach wie vor sehr wichtig. Auch wenn die Zeiten gerade schwierig seien, sende Berlin das klare Signal: „Wir wollen eng mit der amerikanischen Regierung zusammenarbeiten“, betont er. Es gehe darum, Probleme gemeinsam zu lösen. „Wir ducken uns auch bei schwierigen Themen nicht weg.“

Trotz aller diplomatischen Vorsicht findet Klingbeil daher auch deutliche Kritik an der Entlassung der Chefin des Arbeitsmarktstatistikamtes, Erika McEntarfer, durch Trump: Die Stärke unabhängiger Institutionen müsse gewahrt bleiben. Er sehe, was derzeit in den USA passiere, sagt der Finanzminister. „Ich halte diesen politischen Weg für falsch.“

Besuch der Weltbank: Finanzminister Lars Klingbeil am Montag im Rahmen seines Antrittsbesuchs in Washington im Gespräch mit Weltbank-Präsident Ajay Banga.
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Bei seinem Treffen mit Bessent, das kaum eine Stunde dauert, ist McEntarfer kein großes Thema. Neben Zöllen geht es vielmehr um die anstehende G20-Präsidentschaft der USA und um das Problem der Billigimporte über chinesische Plattformen wie Temu oder Shein. Dieses Thema bringt Klingbeil mit: Die Interessenslage ist auf beiden Seiten ähnlich.

Der Vizekanzler macht in den USA das, was ihn auch in den ersten Monaten Schwarz-Rot ausgezeichnet hat: Brücken bauen und pragmatisch Probleme abräumen, statt sich in Streitereien zu verzetteln. Angesichts der Polarisierung der Gesellschaft und der daraus wachsenden hohen Verantwortung der Regierung sei dies der Modus, in dem er arbeiten wolle, stellt Klingbeil im Lafayette-Park klar.