Nach Rating-Herabstufung der USA

Moody's-Chefökonom wird für Weißes Haus zum Feindbild

Mark Zandi warnt nachdrücklich vor einem Absturz der USA in die Rezession. Dem Weißen Haus schmecken die düsteren Prognosen des Moody's-Ökonomen gar nicht, doch hat er vor Krisen häufig ins Schwarze getroffen.

Moody's-Chefökonom wird für Weißes Haus zum Feindbild

Moody's-Chefökonom wird für Trump zum Feindbild

Von Alex Wehnert, New York

Die Retourkutsche für Mark Zandi hatte es in sich. „Niemand nimmt seine Analysen ernst“, giftete das Weiße Haus Mitte Mai gegen den Chefökonomen von Moody's. Seine Prognosen hätten sich „wieder und wieder als falsch herausgestellt“, ließen Sprecher der US-Regierung verlauten – und reagierten damit auf ein Downgrade. Zandis Haus hatte die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten zuvor von „Aaa“ auf „Aa1“ herabgestuft und ihr damit als letzte der drei großen Ratingagenturen die Spitzennote entzogen. S&P und Fitch hatten angesichts wiederholter Schulden- und Haushaltsstreitigkeiten im Kongress bereits 2011 bzw. 2023 den Daumen über die Bonität gesenkt.

Düstere Prognosen

Für Zandi dürfte die Breitseite aus Washington zu diesem Zeitpunkt überraschend gekommen sein. Denn als Chefökonom bewertet der 66-Jährige die wirtschaftliche Lage für Moody's Analytics. Von der für Ratings zuständigen Sparte des New Yorker Finanzdienstleistungsunternehmens ist er dabei eigentlich unabhängig. Doch drückt sich in dem Angriff des Weißen Hauses aus, welchen Unmut Zandis wiederholte Warnungen vor einem Absturz der Wirtschaft in die Rezession in Regierungskreisen auslösen.

Schon im März – bevor die von US-Präsident Donald Trump verhängten reziproken Zölle gegen Handelspartner die Märkte schockten – beschrieb der Moody's-Chefökonom das Risiko eines scharfen wirtschaftlichen Abschwungs als „unangenehm hoch“. Die kollektive amerikanische Psyche sei „sehr fragil“, betonte der in Atlanta geborene Zandi im US-Fernsehen. Die protektionistische Handelspolitik Washingtons spiele dabei mit umfangreichen Mittelkürzungen bei vielen staatlich finanzierten Projekten und Deportationen von Migranten – von deren Arbeitsleistung vieler Teile der Wirtschaft wie der Bau und die industrielle Fertigung abhängig seien – zusammen, um eine „künstlich erzeugte Rezession“ auszulösen.

Spitzenvolkswirt räumt Unsicherheit ein

Zugleich räumt der Sohn eines aus dem Iran stammenden Professors der University of Pennsylvania ein, „in 35 Jahren als professioneller Volkswirt selten so unsicher hinsichtlich des ökonomischen Ausblicks“ gewesen zu sein wie aktuell. Dabei verweist er darauf, die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession gemäß seiner eigenen Modelle innerhalb weniger Wochen mehrfach angepasst zu haben. Auf dem Gipfel der Angst vor einem Zusammenbruch des globalen Handels habe er sie mit 60% beziffert, nach den jüngsten Annäherungen zwischen den USA und China liege sie nur noch bei 45%, schrieb Zandi jüngst in einem Gastbeitrag im „Philadelphia Inquirer“. Dass die Federal Reserve ebenso verwirrt über die Aussichten sei wie viele Ökonomen, helfe nicht. Beim zu befürchtenden ökonomischen Einbruch werde die Notenbank diesmal wohl nicht als große Retterin zur Stelle sein.

Klare Ansage: Mark Zandi im Kongress. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Brochstein.
picture alliance / ZUMAPRESS.com | Michael Brochstein

Entgegen der Angriffe aus dem Trump-Lager findet Zandi mit seinen Warnungen durchaus Gehör. So ist er nicht nur regelmäßiger Gastautor in führenden Tageszeitungen und gefragter Interviewgast im Fernsehen, sondern auch häufig als Experte bei Anhörungen im US-Kongress zugegen. Und mit seinen Prognosen hat der Moody's-Chefökonom wiederholt ins Schwarze getroffen. Bereits im Jahr 2005 schlug er angesichts der Blase im Markt für Subprime-Hypotheken die Alarmglocke und warnte damit vor einer Finanzkrise, die 2008 Realität wurde.

Im Gedächtnis vieler Beobachter hängen geblieben sind aber weniger Zandis frühen Warnungen, sondern Aussagen aus einem Interview mit der „New York Times“ im Vorlauf zum großen Crash. Damals betonte er, Immobilienbesitzer müssten das Platzen der Häuserblase einfach aussitzen – den realwirtschaftlichen Schaden, den die Krise vielen Amerikanern verursachte, hatte wohl auch der Ökonom unterschätzt.

Impulsgeber für den Aufbau

In der Folge setzte er sich in Büchern wie „Financial Shock“ mit Möglichkeiten auseinander, die nächste Krise zu verhindern. Die Wirtschaftsberater von Präsident Barack Obama beriefen sich bei ihren Analysen zu Effekten eines Stimuluspaket nach dem Crash von 2008 auf Zandis Arbeit – aus ihren Empfehlungen wiederum entstand der „Recovery Act“ von 2009, der nach Ansicht des unabhängigen Congressional Budget Office Millionen Jobs rettete.

Für den in der Gemeinde Radnor westlich von Philadelphia aufgewachsenen Zandi ist der Häusermarkt spätestens seit dem Vorlauf zur Finanzkrise zum Steckenpferd geworden. Heute sitzt er im Verwaltungsrat des größten privaten US-Hypothekenversicherers MGIC und des Reinvestment Fund – einer Entwicklungsorganisation, die Kredite in benachteiligten Gemeinden vergibt und dort investiert.

Seine Karriere begann Zandi nach einem Doktorat an der University of Pennsylvania bei der Beratungsgesellschaft Chase Econometrics, bevor er 1990 die Research-Firma Economy.com gründete – die 2005 von Moody's aufgekauft wurde. In seiner Zeit bei dem Finanzdienstleister hat Zandi seinen Einfluss bedeutend ausgebaut, sich nun aber auch giftige Feinde im Trump-Lager gemacht.

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