Insolvenz

FTX-Desaster wäre mit Blockchain verhindert worden

Die Insolvenz der Kryptobörse FTX hat die Kryptobranche geschockt. Der Wert- und Vertrauensverlust ist groß. Drei Lehren aus dem Desaster.

FTX-Desaster wäre mit Blockchain verhindert worden

Von Markus Kaulartz und Benedikt Holl *)

Mit der Insolvenz der Kryptobörse FTX geht ein Beben durch die Kryptobranche. Der Wert- und Vertrauensverlust ist groß, die juristische Aufarbeitung in vollem Gange. Während sich Befürworter einer weitgehenden Regulierung des Kryptomarkts be­stärkt sehen, rufen andere das Ende der Branche aus. Bei nüchterner Betrachtung lassen sich (mindestens) drei Lehren ziehen.

1.FTX als Lehrstück für blindes

Vertrauen

Die für die Verfügungsgewalt über Kryptowerte erforderlichen privaten Schlüssel lagen allein bei FTX, während die Kunden ihre Kryptowerte lediglich schuldrechtlich herausverlangen konnten. Hinzu kommt der derivative Charakter des konkreten Handels. Hier wie dort trägt der Kunde das Insolvenzrisiko des An­bieters. Dieses Counterparty Risk besteht jedoch bei jeder Emission von ETFs, von Anleihen und auch bei Bankeinlagen. Es ist für den Finanzsektor wesentlich und setzt Vertrauen voraus, das gerne durch Ratings untermauert wird.

Vor Misswirtschaft oder rechtswidrigem Verhalten sind Kunden allerdings nur mäßig geschützt. Risiken eines missbräuchlichen Um­gangs mit fremden Geldern sind jedenfalls kein Thema, das nur den Kryptosektor trifft. Ganz im Gegenteil, denn:

2.Kryptowährungen sind nicht

gescheitert, sondern notwendig

Die Nutzung der wahren Vorteile der Blockchain-Technologie hätte das FTX-Desaster teils verhindert. FTX-Kunden hielten ihre Kryptowerte nicht selbst. Wer dies aber tut und Anbieter nur als Handelsplattformen nutzt (oder ganz auf dezentrale Finanzdienstleistungen umsteigt), kann das schuldrechtliche Ausfallrisiko senken. Die Vermögenswerte der Kunden sind dann nicht gefährdet, denn die Kontrolle darüber läge nicht bei einem Dritten, getreu dem Motto „not your keys, not your coins“.

Natürlich wirft das weitere Fragen auf; aber bei aller Kritik an der Blockchain-Technologie: Die Verwahrung und Verwendung der Vermögenswerte durch FTX steht diametral zum eigentlichen Grundgedanken der Blockchain, digitale Werte selbst und eigenständig halten zu können.

Um Fälle wie FTX in Zukunft zu verhindern, ist daher ein Baustein unabdingbar: Risikominimierung qua Technik. Mit Blockchains lassen sich beliebig Kryptowerte erstellen, die Vermögenswerte digital abbilden können, sog. Tokenisierung. Wer die zugehörigen privaten Schlüssel besitzt, hält die Verfügungsgewalt.

3.Durchsetzung von Regulierung

Natürlich will aber nicht jeder seine Vermögenswerte digital und eigenverantwortlich verwahren. Intermediäre wie Banken und Finanzdienstleister werden hierfür verstärkt gefragt sein. Deren Regulierung ist sinnvoll, muss aber effektiver durchgesetzt werden. Die Kryptobranche mag jung sein, dennoch ist sie reguliert: In den USA geht die SEC seit längerem gegen Kryptoprojekte vor. Die Bafin etwa qualifiziert Bitcoins schon seit fast zehn Jahren als Finanzinstrumente und Geschäfte rund um diese als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen.

Oft sitzen Unternehmen im Ausland, was den aufsichtsrechtlichen Zugriff der Behörden erschwert. Daneben stützen sich viele Kryptobörsen auf die sogenannte „Reverse Solicitation“-Regelung: Die Anwendbarkeit der europäischen Finanzmarktregulierung setzt meist zielgerichtetes Adressieren von EU-Kunden voraus.

Wo dies beginnt und endet, wird auf Unternehmens- und Verwaltungsseite unterschiedlich gesehen. Das führt dazu, dass Unternehmen mit einer Vielzahl deutscher Kunden über keine Erlaubnis einer Finanzmarktaufsicht verfügen. Es ist davon auszugehen, dass Behörden aufgrund der verstärkten Internationalisierung diese Ausnahme enger auslegen, weswegen Unternehmen häufiger geneigt sein werden, entsprechende Erlaubnisse zu beantragen.

Die Erlaubnis wird künftig stärker als Wettbewerbsvorteil angesehen und von Kunden eingefordert werden. Im Fall von FTX führt Regulierung dazu, dass die Kunden der Mifid-regulierten Tochter besser dastehen.

Aber auch neue sektorspezifische Normen sind nötig, die die Interessen aller Marktteilnehmer in angemessenen Ausgleich bringen. In der EU soll das in Zukunft die Verordnung über Markets in Crypto Assets (MiCAR) schaffen. Sie wird Emissionen, Handel und bestimmte Dienstleistungen rund um Kryptowerte regulieren.

Handelsplattformen für Kryptowerte und deren Verwahrung sind dann erlaubnispflichtige Dienstleistungen. Die Dienstleister (sog. CASPs) müssen etwa Mindestkapital-Anforderungen erfüllen und Kryptowerte der Kunden vor Insolvenzen schützen. Es ist davon auszugehen, dass so das weltweite Regulierungsniveau angehoben und die MiCAR als Vorbild für andere Jurisdiktionen dienen wird.

Die FTX-Insolvenz veranschaulicht die Daseinsberechtigung und das Erfordernis der Blockchain-Technologie. Sie verdeutlicht auch, dass Regulierung nicht als Ärgernis, sondern als Chance und Notwendigkeit verstanden werden muss. Und sie zeigt, dass bloßes Vertrauen kein guter Ratgeber bei Finanzangelegenheiten ist.

*) Dr. Markus Kaulartz ist Partner und Benedikt Holl Rechtsanwalt der inter­nationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland.

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