Investorenumfrage

Anleger fürchten Immobilien­flaute

Die Erwartungen an den Immobilienmarkt haben sich fundamental gedreht. Deutschland ist in besonderem Maße betroffen. So halten 36 % der Anleger den deutschen Immobilienmarkt für unattraktiv.

Anleger fürchten Immobilien­flaute

wbr Frankfurt

Der Immobilienmarkt in Deutschland hat sich fundamental gedreht. Zu beobachten seien eingefrorene Transaktionsmärkte und sinkende Preise in allen Nutzungsarten und Lagen. Zu dieser Einschätzung kommt die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY auf Basis einer Umfrage unter 250 Investoren, die am deutschen Immobilienmarkt aktiv sind. Mit dem Angriff Russlands, der Energiekrise sowie der Inflation und Zinsanhebungen erleben wir am Immobilienmarkt eine Zeitenwende, sagt Florian Schwalm, Partner bei EY Real Estate.

Deutschland ist von diesem Paradigmenwechsel in besonderem Maße betroffen und büßt Anziehungskraft ein: So hat der Anteil derer, die den deutschen Immobilienmarkt als unattraktiver als zuvor einstufen, im Vergleich zu 2021 deutlich von 4 auf 36% zugenommen.

Bei Büro-, Einzelhandels-, Hotel- und sogar Wohnimmobilien erwarten die Umfrageteilnehmer sinkende Preise. Lediglich bei Logistikimmobilien geht eine Mehrheit von stabilen Preisen aus. Jedoch wird auch hier kaum mehr eine positive Preisentwicklung erwartet. Die meisten Investoren erachten die Diskrepanz der Preisvorstellungen als das entscheidende Hemmnis für Transaktionen. „In Erwartung sinkender Preise warten potenzielle Käufer lieber ab, während Verkäufer auf dem gewohnten Preisniveau bestehen“, sagt Paul von Drygalski von EY. 66% der Befragten erwarten, dass man sich im laufenden Jahr wieder auf eine gemeinsame Preisbasis verständigen werde. „Es gibt keine Preisblase am Immobilienmarkt. Nach vielen Jahren steigender Immobilienpreise ist es normal, dass die Preise auch wieder sinken. Aber einen Einbruch der Immobilienpreise sehen wir nicht.“

Der Neubau leidet stark unter den verschlechterten Rahmenbedingungen. Auch der Finanzierungsmarkt ist stark betroffen: Jeweils eine große Mehrheit der Investoren sieht er­schwerte Anschlussfinanzierungen (99%), einen zunehmenden Eigenkapitalbedarf (94%), häufigere Kreditausfälle (89%), ein weiter steigendes Zinsniveau (88 %) und ein in diesem Jahr geringeres Neugeschäftsvolumen (83%).

Bei den marktbestimmenden Trends haben Zinsentwicklung und demografischer Wandel auch in der Immobilienbranche die Themen Di­gitalisierung und Klimawandel abgelöst. Gleichwohl spielen steigende Energiekosten im Gebäudesektor eine große Rolle. Knapp neun von zehn Befragten sind der Meinung, dass die hohen Preise Anreize zur energetischen Transformation der Gebäude setzen. Über 60% gehen außerdem davon aus, dass die Energiekosten die Liquidität von Eigentümern gefährden werden, und 91% erwarten, dass 2023 vermehrt re­strukturierungsbedürftige Immobilien zum Verkauf angeboten werden. „Die Energiekrise erzeugt immensen Druck auf der Kostenseite im Gebäudesektor“, sagt Schwalm. Allerdings gaben auch 88% der Befragten an, dass gezielte „Manage to Green“- Strategien, also die Um­wandlung von grauen in grüne Ge­bäude, durch fehlende Erfahrungswerte erschwert werden. Zudem wissen fast 60% nicht, wie hoch der Anteil der taxonomiekonformen Gebäude ihres Portfolios ist.

Heizkosten vs. Homeoffice

Bei Wohnimmobilien erwarten 81%, ausgelöst ebenfalls durch die Energiekrise, eine Trendumkehr. So könnten die steigenden Nebenkosten zukünftig zu einem geringeren Flächenverbrauch pro Kopf führen. Im Bürosegment sehen die befragten Investoren den Trend, dass die hohen Energiekosten beim Arbeiten im Homeoffice nach Ansicht von 60% der Umfrageteilnehmer dazu führen werde, dass Mitarbeitende wieder regelmäßiger im Büro arbeiten.

Die Aussichten für 2023 seien gemischt. Schwalm: „Düster wird es für Unternehmen, die zu Höchstpreisen eingekauft haben. Da wird der eine oder andere ins Straucheln kommen. Ich glaube nicht, dass für die Bestandshalter die Welt zusammenbricht. Die werden aber vorsichtiger agieren und erst einmal beobachten.“ Für den Immobilienmarkt gelte aus seiner Sicht auch das Börsensprichwort „Man soll nicht ins fallende Messer greifen.“

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