Louis Hagen

„Der eine oder andere Investor steht unter Druck“

Angesichts des jüngsten Zinsanstiegs zeigt Louis Hagen, vor dem Abschied stehender Präsident des Verbands der Pfandbriefbanken (VDP), Gelassenheit, macht zugleich indes eine Zäsur im Immobilienmarkt aus.

„Der eine oder andere Investor steht unter Druck“

Der in wenigen Tagen aus dem Amt scheidende Präsident des Verbands der Pfandbriefbanken (VDP), Louis Hagen, demonstriert angesichts eines zuletzt rasanten Anstiegs der Zinsen am Kapitalmarkt Gelassenheit. „Bei der Frage, was es bedeutet, wenn bei der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe nun wieder eine 1 vor dem Komma steht, muss man differenzieren“, argumentiert er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung: „Für einlagenfinanzierte Institute endet nun eine Zeit der Ergebnisbelastungen, in welcher sie negative Zinsen nur zum Teil haben weitergeben können. Sie können nun ihre Ertragskraft verbessern. Kapitalmarktorientierte Banken wiederum erleben schon seit einiger Zeit, dass die mittelfristigen Zinsen anziehen“, erklärt er.

Auch für die sich am Kapitalmarkt refinanzierenden Pfandbriefbanken aber hat der Anstieg der Zinsen seiner Meinung nach „keine unmittelbaren Auswirkungen, da sie sich im Wesentlichen fristenkongruent refinanzieren“.

Die Zinsen ziehen an

Vor wenigen Tagen hatte die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen nach sieben Jahren erstmals wieder über die Marke von 1% gelugt. In Kombination mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine hat dies die Assetklasse Immobilien in den Fokus gerückt, auch wenn etwa die Chefs der beiden Immobilienfinanzierer Aareal Bank und Deutsche Pfandbriefbank, Jochen Klösges und An­dreas Arndt, zur Wochenmitte unisono erklärten, bislang seien keine negativen Auswirkungen auf den Markt festzustellen.

Einfluss hat der Zins allerdings auf die Preise von Immobilien, vor allem gewerbliche, wie Hagen einräumt. „Viele Investoren sind jetzt in einer Situation, in der sie sich überlegen müssen, ob sie weiter abwarten, wie sich die Preise entwickeln, oder ob sie in guten Lagen oder, etwa im Falle eines Preisrückgangs, in anderen Lagen investieren wollen. Nach wie vor ist jede Menge Liquidität im Markt“, gibt er zu bedenken: „Der eine oder andere Investor steht daher unter Druck zu investieren.“

Massives Missverhältnis

Am Wohnimmobilienmarkt wiederum, auf dem es aus Sicht der Erwerber vielfach auch um den Eigenkapitalanteil, um Tilgungen und generell um die Erschwinglichkeit geht, dürfte der Zinsanstieg nicht so relevant sein. „Wir sehen im Moment noch keine Abschwächung der dynamischen Preisentwicklung am Immobilienmarkt“, resümiert der Verbandspräsident, der auf der VDP-Mitgliederversammlung am 19. Mai nicht erneut kandidieren wird.

Die Preise dürften infolge des Zinsanstiegs auch deshalb nicht fallen, weil zwischen Nachfrage und Angebot nach wie vor ein massives Missverhältnis bestehe: „Eine spürbare Preiskorrektur würde eine massive Erhöhung des Angebots oder ein entsprechendes Nachlassen der Nachfrage voraussetzen. Das sehen wir nicht.“

Dennoch diagnostiziert Hagen eine Zäsur. Der jahrelange starke Anstieg der Preise laufe langsam aus. Sie dürften im Weiteren wohl seitwärts tendieren, meint er.

Die vom VDP vierteljährlich berechneten, auf Transaktionen beruhenden Indizes zur Preisentwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien zeigen etwa für Wohnimmobilien eine Verdopplung der Preise in den zurückliegenden zwölf Jahren an (siehe Grafik). Fürs Startquartal hat der VDP einen Anstieg der Immobilienpreise in Deutschland insgesamt um 8,8% binnen Jahresfrist errechnet.

Wenig Verständnis hat Hagen gleichwohl für den vom Ausschuss für Finanzstabilität beschlossenen Einsatz makroprudenzieller Instrumente wie des antizyklischen Ka­pitalpuffers sowie eines Sektorpuffers für Wohnimmobilienkredite. Schließlich habe selbst die Bundesbank festgestellt, dass die Banken ihre Kriterien in der Kreditvergabe nicht aufgeweicht hätten, argumentiert er und vermutet nicht zuletzt politische Motive: „Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Aufseher in solcher Schärfe makroprudenzielle Kapitalaufschläge verordnet haben. Die deutsche Finanzaufsicht will wohl ein Zeichen setzen. Es gibt Stimmen, – auch aus dem Ausland – die drängeln die deutsche Aufsicht dazu, etwas zu tun.“ Der Europäische Systemrisikorat und die EZB hatten Deutschlands Finanzaufsicht recht unverhohlen aufgefordert, makroprudenziell aktiv zu werden.

Skeptisches Fazit

Überhaupt zieht Hagen nach sechs Jahren VDP-Präsidentschaft ein skeptisches Fazit, was Regulierung und Aufsicht angeht. „Es gibt eine zunehmende Benachteiligung des risikoarmen Finanzierungsgeschäfts – und dazu gehört die Immobilienfinanzierung“, stellt er fest. Dabei gebe es ja gute Gründe, dass Banken für konservative Finanzierungen weniger Eigenkapital vorhalten müssten. 

 „Die Leverage Ratio hat den Ansatz einer risikogerechten Eigenkapitalunterlegung erstmals ausgehebelt“, führt er aus: „Mit dem Abschluss von Basel III wird dies nun konsequent weitergeführt. Es ist der Kreditwirtschaft leider noch nicht gelungen, diese Entwicklung aufzuhalten.“

Kreditfonds treten auf

Was wiederum Risikofreude angeht, werden die Banken, denen die Regulierung dabei aus guten Gründen Grenzen setzt, immer öfter von anders regulierten Anbietern wie Versicherern oder Private-Debt-Akteuren wie Kreditfonds übertroffen, die auf diese Weise attraktive Renditen­ einfahren. Das spüre man eben, sagt Hagen. Erst im Februar legte sogar die Privatbank Berenberg ihren ersten Real-Estate-Private-Debt-Fonds auf.

Klar ist für Hagen, dass Nachhaltigkeit einen regulatorischen Megatrend darstellt, weniger klar indes, wo dieser hinführen wird: „Bei der Nachhaltigkeit stehen wir erst am Anfang zu begreifen, was von uns als Kreditwirtschaft letztlich gefordert wird. Wir arbeiten uns da Schritt für Schritt durch“, erklärt er. Auch wenn die Berlin Hyp dieser Tage einen sozialen Pfandbrief emittiert hat, glaubt er dabei nicht, dass dieses Produkt einen Boom erleben wird: „Im Bereich Soziales sind wir noch weiter von klaren Regeln entfernt als beim grünen Bereich – da gibt es überhaupt noch keine Vorgaben“, sagt Hagen.

Zudem fordert er: „Es ist wichtig, dass der Gesetzgeber den Emittenten und Investoren Sicherheit gibt.“ Er frage sich dabei, „wie ein einheitlicher europäischer Standard funktionieren soll. Denn was sozial ist, wird von Land zu Land unterschiedlich beurteilt.

Vor der Berlin Hyp, die ihren Pfandbrief auf Basis von durch den VDP erarbeiteten  Standards emittiert hat, wagten sich bisher allein die DKB sowie die, von Hagen geleitete, Münchener Hypothekenbank, die dabei allerdings den Schwerpunkt auf grüne Finanzierungen legte, an dieses Produkt heran.

In der Tat hat man beim Verband zuletzt den Eindruck gewonnen, dass die Politik in der Frage einer sozialen Taxonomie zuletzt auf die Bremse getreten hat. Schon Ende März hatte Florian Toncar, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesfinanzministerium, die Erwartungen mit Blick auf eine soziale Taxonomie der EU-Kommission gedämpft. Im Moment sei es noch unklar, ob die Kommission einen Vorschlag für eine soziale Taxonomie unterbreiten wolle, und, falls ja, in welchem Zeitraum, hatte er auf dem Frankfurter Bankentag erklärt.

„Das Thema sozialer Pfandbrief spielt noch eine untergeordnete Rolle“, relativiert Hagen: „Entsprechende Emissionen finden – dem Modell des Pfandbriefs entsprechend – immer auf Basis von Finanzierungen statt, die bereits in der Deckungsmasse vorhanden sind. Man nimmt deshalb nicht eigens eine Forderung in Deckung.“ 

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