Aysel Osmanoglu

„Der Krater schmerzt“

Die GLS Bank hat mit Aysel Osmanoglu eine neue Vorstandssprecherin. Sie blickt zurück auf die Folgen der Zinswende und benennt die Herausforderungen im Bereich Wohnen und Vermögensverteilung.

„Der Krater schmerzt“

Wolf Brandes.

Frau Osmanoglu, die Zinswende hat vielen Banken eine deutliche Ertragssteigerung gebracht. Wie sieht es bei der GLS Bank aus?

Wir hatten ein erfolgreiches Jahr. Das hat aber weniger mit der Leitzinssteigerung zu tun, sondern mit unserer Wirtschaftsweise. Unser Geschäftsmodell hängt stark von den Bedingungen auf der Aktivseite ab, und da spielten die Ergebnisse aus den Zinserhöhungen im letzten Jahr noch eine untergeordnete Rolle.

Wie sieht es auf der Passivseite aus? Haben Sie die Zinsen für Kundeneinlagen angepasst?

Noch nicht, das haben wir in diesem Jahr vor. Es geht darum, mit Einlagen nachhaltige Projekte zu finanzieren. Wir wollen nicht einfach Geld einsammeln. Man sollte Zinsen nicht zu schnell anpassen und auf der anderen Seite die Risiken außer Acht lassen.

Mit welchen Themen waren Sie im vergangenen Jahr zufrieden?

Wir haben die Krisen gut bewältigt. Wir konnten sehen, dass wir eine resiliente Bank sind. Wichtig ist uns hier das Thema Achtsamkeit in der Kundenbeziehung. Im vergangenen Jahr hatten wir intensiven Kontakt mit unseren Kunden, was in krisenhaften Zeiten besonders wichtig ist.

Was ist weniger gut gelaufen?

Wir haben in der Coronakrise und auch 2022 gut reagiert, aber wir können noch schneller werden. Wir haben uns vorgenommen, viel mehr auf die Steuerung der Wirkungsziele zu achten. Das ist ein langer Weg, bis wir auch zufrieden damit sind.

Was heißt das konkret, was wollen Sie im Impact Investing tun?

Wir haben Zielbilder ausgearbeitet, zum Beispiel in der Branche Wohnen. Da geht es nicht nur um nachhaltiges Bauen, sondern um bezahlbares Wohnen, eine gute Durchmischung der Bewohner. Oder im Fall Bildung: Bei einem Kindergarten geht es uns nicht nur um die Zahl der Plätze, sondern um die Bauweise und die Versorgung mit Bio-Lebensmitteln. Das ist ein Beispiel dafür, wie wir bei der Finanzierung vorgehen.

Mit einer Bilanzsumme von rund 10 Mrd. Euro sind Sie eine eher kleine Bank, manche nennen sie sogar niedlich. Sie fühlen sich dennoch als Vorreiter. Warum?

So klein sind wir nicht. Wir zählen zu den Top-100-Banken in Deutschland. Da gibt es noch viele kleinere Banken. Im nachhaltigen Bereich sind wir sowohl die Größten als auch die Referenz.

… gemessen am Fair Finance Guide Deutschland. Wie wichtig sind solche Rankings?

Das ist eine unabhängige Bewertungsinstitution, die die Ziele einer Bank abgleicht mit dem, wie sie tatsächlich handelt. Es ist ein gutes In­strument gegen Greenwashing, zu prüfen, was zum Beispiel auf einer Webseite steht und was umgesetzt wird. Eine solche Kontrolle ist extrem wichtig.

Im ESG-Bereich sind Sie aus der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) ausgestiegen. Warum?

Wir überprüfen solche Engagements regelmäßig. Bei der NZBA haben sich unsere Bedenken hinsichtlich der fehlenden verbindlichen Zielvorgaben leider bestätigt. Wir hätten zu viel Energie darauf verwenden müssen, dem entgegenzuwirken.

Sie sind ein Teil des genossenschaftlichen Bankenverbunds. Wenn man sich den Verbandsrat anschaut, dann sind dort außer Ihnen fast nur Männer vertreten. Sind Sie damit zufrieden?

Immerhin. Es hat sich in den vergangenen Jahren in den Gremien einiges getan. Es geht auch nicht nur um männlich oder weiblich, sondern generell um Diversität. Also unterschiedliche Perspektiven, Hintergründe, auch mal jüngere Menschen in den Runden. Man muss sicher überlegen, wie man solche gewachsenen Strukturen verändern kann.

In letzter Zeit ist aufgefallen, dass Ihr Haus sich politisch wieder stärker engagiert. Beispielsweise Ihre Äußerungen zu Lützerath. Warum machen Sie das als Bank?

Das ist bei uns nicht neu. Wir haben etwa 2017 unsere politischen Forderungen aufgestellt, etwa zum Thema Klimaemissionen und Düngemittelabgabe. Oder zur Vermögensabgabe, denn gerade die Vermögenskonzentration ist in Deutschland unverhältnismäßig. Die Forderung eines Grundeinkommens unterstützen wir ebenfalls. Es liegt in der DNA der GLS Bank. Wir sehen die Bank auch als ein Instrument des politischen und gesellschaftlichen Dialogs.

Noch mal: Warum Lützerath?

Ganz menschlich: Es schmerzt mich, wenn ich diesen riesigen Krater sehe, der dort in die Erde hineingegraben wird. Das tut einfach weh. Wenn man diese Erde liebt, dann sollte man das nicht tun. Zudem gibt es Studien, die zeigen, dass wir die Kohle nicht für die Energiesicherung brauchen. Es wäre eine Größe der Politik zu sagen: Das war eine Fehlentscheidung.

Ein anderes emotionales Thema ist Wohnen. Es geht um die Rolle der Immobiliengesellschaften. Was ist Ihre Meinung?

Wir haben eine große Sympathie für Genossenschaftswohnen, und wir finanzieren das. Wenn man Wohnen als Grundbedürfnis ansieht, dann kann man das nicht kapitalmarktorientierten Firmen überlassen. Es gibt eine riesige Lücke an Wohnungen. Gleichzeitig sagt etwa Vonovia, es lohnt sich nicht mehr zu bauen, weil die Zinsen gestiegen sind. Das kann nicht sein. Deshalb finanzieren wir genossenschaftliche Wohnungen und engagieren uns auch politisch in dieser Sache.

Gute Banken, schlechte Banken mag kein Maßstab sein. Doch die GLS würde sich als gute Bank bezeichnen, oder?

Wir sehen uns als eine Bank, die stets bemüht ist, sich weiterzuentwickeln. Wir sprechen ja auch nicht per se von guten und schlechten Menschen. Wir alle haben die Fähigkeit, uns zu entwickeln. So ist das auch mit Banken. Unser Haus ist große Schritte gegangen, und das fühlt sich gut an.

Das Interview führte

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