Sascha Klaus, Berlin Hyp

„Die Zins­entwicklung muss absorbiert werden“

Der Immobilienfinanzierer Berlin Hyp beobachtet wegen der gestiegenen Zinsen und der wachsenden makroökonomischen Unsicherheiten eine Abkühlung im Marktumfeld. Die Risikosituation der Bank sei davon unberührt, betont der Vorstandsvorsitzende Sascha Klaus.

„Die Zins­entwicklung muss absorbiert werden“

Von Stefan Paravicini, Berlin

Die Stimmung auf dem Markt für Immobilienfinanzierungen war schon einmal besser. Steigende Zinsen, makroökonomische Unsicherheiten aufgrund des Kriegs in der Ukraine und die hohe Inflation dämpfen die Nachfrage und könnten nach Einschätzung des Verbands der deutschen Pfandbriefbanken zum ersten Mal seit 2009 zu einem rückläufigen Finanzierungsvolumen für Wohnimmobilien führen. Auch bei Gewerbeimmobilien rechnet der Verband mit einem sinkenden Kreditneugeschäft.

Die auf großvolumige Immobilienfinanzierungen für professionelle Investoren und Wohnungsunternehmen spezialisierte Berlin Hyp, seit dem 1. Juli eine eigenständige Tochter der LBBW, rechnet im zweiten Halbjahr ebenfalls mit einer Abkühlung. Das Neugeschäft werde in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich etwas unter den in den ersten sechs Monaten erzielten 3,1 (i. V. 2,9) Mrd. Euro liegen, teilte die Bank am Donnerstag mit. Das Ergebnis vor Ertragsteuern und Gewinnabführung wird im zweiten Halbjahr in etwa auf Höhe der ersten sechs Monate bei 30 (30) Mill. Euro erwartet. Im vorangegangenen Turnus hatte die Bank über zwölf Monate Neugeschäft inklusive langfristiger Prolongationen in Höhe von 7,1 Mrd. Euro gezeichnet und ein Ergebnis vor Steuern und Gewinnabführung von 50 Mill. Euro erzielt.

„Die Zinsentwicklung muss erstmal absorbiert werden“, sagt Sascha Klaus, Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp, zum Marktumfeld. Erste Transaktionen würden verschoben, und das Finanzierungsvolumen werde auch auf der institutionellen Seite insgesamt geringer ausfallen. Für das nächste Jahr rechnet Klaus ebenfalls mit einer rückläufigen Entwicklung in der Immobilienfinanzierung. „Wir planen mit etwas weniger, weil der Markt sich auf die neuen Parameter erst einmal einstellen muss.“

Die „Rekalibrierung“ biete auch Chancen, betont Klaus. Insgesamt sei der Immobilienmarkt in der Sub­stanz viel gesünder als noch vor der Finanzkrise der Jahre 200772008. Man könne nicht ausschließen, dass der eine oder andere Bauträger oder Projektentwickler in Schwierigkeiten gerate. Doch die Liquidität bei institutionellen Investoren sei hoch, die Nachfrage nach Wohnraum bleibe unter anderem aufgrund von nicht ausreichender Bautätigkeit hoch, und der Finanzsektor arbeite mit weniger Leverage.

Stabile Risikosituation

Die Risikosituation der Berlin Hyp sei genauso stabil wie das Kerngeschäft, unterstreicht Klaus. „Wir machen Geschäft mit großen, finanzstarken Investoren und Entwicklern.“ Deren Kapitaldienstfähigkeit sei auch bei schwankenden Marktpreisen im Immobilienmarkt gewährleistet. Entsprechend rechnet der Berlin-Hyp-Chef nicht mit Kreditausfällen im eigenen Portfolio.

Die gestiegene Risikovorsorge im ersten Halbjahr gehe vor allem auf Vorsorge für allgemeine Bankrisiken nach 340f HGB und zinsinduzierte Wertberichtigungen im Liquiditätsportfolio zurück. „Das ist für uns aber nicht materiell und auch nicht langfristig, da wir Gegenpositionen im Zinsüberschuss und Derivateportfolio sowie Pull-to-par Effekte haben“, sagt Klaus. Mit dem Geschäftsverlauf im ersten Halbjahr ist er zufrieden. „Wir haben unsere Position am Finanzierungsmarkt behauptet und zum Teil noch ausgebaut.“

Der kräftig gestiegene Zinsaufwand profitierte vom Wachstum im Kerngeschäft sowie von Sondereffekten im Rahmen der Targeted longer-term refinancing operations (TLTRO) der Europäischen Zentralbank sowie im Derivate-Portfolio. In den höheren Verwaltungsaufwendungen spiegeln sich die gestiegene Bankenabgabe und Einmalaufwendungen im Zusammenhang mit der Übernahme durch die LBBW wider. Auch im sonstigen betrieblichen Ergebnis macht sich die Transaktion mit einem Einmaleffekt bemerkbar, da die Berlin Hyp die Grunderwerbsteuer für die in den Gesamtkonzern eingebrachten Grundstücke zahlt.

Den Fonds für allgemeine Bankrisiken nach 340g HGB hat die Bank im ersten Halbjahr mit zusätzlich 50 (112) Mill. Euro ausgestattet. Nachdem die Position über den gesamten Turnus 2021 mit insgesamt 187 Mill. Euro dotiert wurde, soll sie dieses Jahr im Mittel der vergangen Jahre ausfallen, in denen der Fonds meistens mit 70 Mill. bis 100 Mill. Euro ausgestattet wurde. „Im vergangenen Jahr hatten wir keine Kosten für das Andocken an die LBBW, eine niedrigere Bankenabgabe und eine sehr starke Ertragskraft, die wir dafür genutzt haben, beim Eigenkapital die Basis für das Wachstum in diesem Jahr zu schaffen“, erklärt Klaus die außergewöhnlich hohe Ausstattung des Fonds im Jahr 2021. Das trug mit zu einer äußerst starken Eigenkapitalrentabilität von 15,7% bei. Zum Halbjahr liegt sie bei 9,8%. Per Ultimo werde sie wieder zweistellig erwartet.

Zu den Chancen im Marktumfeld zählt Klaus das Geschäft im Rahmen von ESG. Die steigenden Energiepreise dürfen den Druck auf die Transformation des Immobilienbestandes erhöhen. Wenn ESG-Kriterien im Pricing von Immobilien eine größere Rolle spielten, könne die Berlin Hyp mit Produkten wie dem von ihr lancierten Transformationskredit profitieren.

Auf der Passivseite der Bilanz hat sich die Bank längst darauf vorbereitet, dass ESG-Kriterien in der Immobilienfinanzierung eine größere Bedeutung spielen. Die jüngste Emission eines grünen Pfandbriefs der Berlin Hyp, die in diesem Marktsegment zu den Pionieren zählt, hat eine Rekordnachfrage erzielt. Nach der Emission ihres ersten Sustainability-Linked Bonds im vergangenen Jahr hat die Bank in diesem Frühjahr auch ihren ersten Social Bond platziert. Der Hypothekenpfandbrief mit einem Volumen von 750 Mill. Euro und einer Fälligkeit im Mai 2032 war bei der Schließung des Orderbuchs Anfang Mai dreifach überzeichnet. Die Orders von mehr als 100 Investoren in Höhe von gut 3 Mrd. Euro bedeuteten das bis dahin größte für einen Hypothekenpfandbrief er­reich­te Orderbuch der Berlin Hyp. „Wir sind die einzige Bank, die in allen drei ESG-Kategorien Bonds ausstehen hat“, sagt Klaus.

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