Karl Matthäus Schmidt

„Eine irre Summe geht verloren“

In die politische Debatte um ein Provisionsverbot in der EU mischt sich Karl Matthäus Schmidt, der Vorstandsvorsitzende der Quirin Privatbank, gerne ein. Er hält seit Jahren nichts von einer provisionsbasierten Beratung.

„Eine irre Summe geht verloren“

Wolf Brandes.

Herr Schmidt, die EU-Kommission hat das Verbot von Provisionen wieder auf die Agenda gesetzt. Als Chef einer Honorarberaterbank sind Sie dafür. Aber ist ein Verbot nicht ein zu harter Eingriff?

Beim Provisionsverbot ist es nicht eine Frage ob, sondern wann es kommt. Es ist evident, dass Provisionen für die private Vermögensbildung schädlich sind. In den Niederlanden, einem Land mit Provisionsverbot, betragen die jährlichen Gebühren bei Aktienfonds 0,55% und in Deutschland 1,5%. Wenn man das hochrechnet, dann sind es 5,85 Mrd. Euro, die den Deutschen jährlich bei der Vermögensbildung fehlen. Mit einem Jahr ist es nicht getan, Vermögensanlagen muss man auf die lange Zeit rechnen. Bei 20 Jahren ist das eine irre Summe, die den Anlegern verloren geht. Das Provisionsverbot erfüllt das Schutzbedürfnis der privaten Anleger.

Es gibt Studien, die alles andere als eindeutig sind oder negative Wirkungen bei der Versorgung mit Beratung vorhersagen.

Viele Studien sind interessen­getrieben. Ich halte mich an die Analysen der britischen Aufsicht FCA, die festgestellt hat, dass der Verkauf unpassender Produkte seit Einführung des Verbots abgenommen hat, dass die Produkte günstiger geworden sind und die Qualität der Berater zugenommen hat. Positiv ist auch, dass diejenigen, die nebenher beraten, aus dem Markt rausfliegen.

Aber bekommen noch alle eine Beratung?

Richtig ist, dass die FCA auch die Beratungslücke anspricht. Aber die Welt hat sich geändert, die jüngeren Anleger hat die Finanzbranche schon längst an digitale Angebote verloren. Die automatisierte Vermögensverwaltung ist auf dem Vormarsch und damit gibt es keine Beratungslücke.

Wenn die Honorarberatung in der Sache so überlegen ist, warum hat sie sich nicht durchgesetzt?

Dafür verdienen die Banken einfach zu gut mit dem Provisionsmodell. Auf einer Visitenkarte eines Provisionsberaters steht Bankberater oder Finanzberater und eben nicht „gebundener Verkäufer“. Ein weiteres Problem ist es, dass die traditionelle Finanzbranche immer von hohen Stundensätzen redet, und das wirkt auf viele abschreckend. Dabei ist das falsch, Stundensätze finden sich bei Top-Kanzleien. In der Praxis der Honorarberatung gibt es das nicht. Der Boom hat also auch noch nicht stattgefunden, weil es keinen fairen Wettbewerb gibt mit gleichen Bedingungen. Letztlich hat sich trotz aller Transparenzvorschriften die Qualität der Beratung nicht verbessert.

Transparenz schreibt auch die Mifid II vor. Reicht das nicht?

Aus Kundensicht ist das zu wenig, aber den Banken hilft es sehr. Dadurch haben sie eine saubere Dokumentation und können nicht mehr belangt werden. Mit Mifid II sollte die Qualität der Beratung steigen. Das hat nicht funktioniert, und deshalb reicht es nicht.

Welche Bedeutung haben Angebote wie Robo-Advisor im Spannungsfeld der Beratung?

Damit wird die Provisionsberatung zum Teil verdrängt. Heutzutage gehen Menschen nicht mehr in die Bank, und das führt dazu, dass sie die klassische Anlageberatung nicht nutzen. Letztlich ist die Vermögensanlage keine schwierige Sache, man braucht einen Sparplan mit einer bestimmten Aktienquote, und auf der Basis kann man aufbauen. Echte Beratungsanlässe entstehen nur in bestimmten Situationen wie bei Erbschaften oder Schenkungen.

Die Qualität von Robo-Advisorn fällt sehr unterschiedlich aus. Was halten Sie von solchen Tests?

Sehr viel, wenn sie mit Sachverstand und unabhängig gemacht sind. Die Stiftung Warentest hat digitale Vermögensverwalter bisher zweimal getestet, und Quirion hat beide Male gewonnen. Das freut uns schon sehr.

Doch auch ein digitales Produkt kann schlecht sein.

Da gibt’s auch schwarze Schafe, die Geld vernichten, das stimmt. Aber in der digitalen Welt wird so etwas schneller bekannt. Letztendlich kommt es bei allen Formen der Beratung auf die Qualität an.

Im Test zur Kundenzufriedenheit von Privatbanken kam Ihr Haus auf Platz 8. Von solchen Tests halten Sie weniger?

Die harte Währung der Kundenzufriedenheit lautet Net Promoter Score (NPS). Das erheben wir und vergleichen uns auf der Basis mit anderen Instituten. Da liegen wir auf dem hohen Niveau von Direktbanken. Nicht umsonst bekommen wir mehr als 50 % unserer neuen Kunden über Empfehlungen.

Es könnten mehr sein. Aktuell sind es gut 72000, doch im Raum stand mal die Zahl von 1 Million Kunden. Wann ist das so weit?

An dem Ziel halten wir fest, aber ich würde keinen Zeitpunkt nennen.

Kann ein Provisionsverbot helfen?

Nein, das hätte kaum Einfluss auf unser Geschäft. Es würde bedeuten, dass alle Finanzberater und Banken umstellen müssen, und damit fällt die Konkurrenz also nicht weg. Klar ist, dass das digitale Geschäft prozentual stärker wächst als das vor Ort.

Das Interview führte

BZ+
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