Nachhaltigkeit

Evangelische Bank landet auf dem Boden der Realität

Die Umsetzung der im vergangenen Jahr angekündigten Klimastrategie entpuppt sich für die Evangelische Bank als unerwartet komplex. Die größte Herausforderung: den Fußabdruck des Kreditportfolios zu ermitteln.

Evangelische Bank landet auf dem Boden der Realität

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Im Zuge der Umsetzung einer effektiven Klimastrategie kommt auf Deutschlands Banken ein Aufwand bislang noch unbekannten Ausmaßes zu. Dies legen Erfahrungen der Evangelischen Bank nahe, die im September vergangenen Jahres als eines der ersten Kreditinstitute hierzulande eine solche Strategie publik gemacht hatte.

So hat eine erste Erhebung des Kohlendioxid-Fußabdrucks durch das Kreditportfolio der Bank deutliche Defizite in der Datenqualität zutage gefördert, die nun erst einmal behoben werden sollen, wie Astrid Herrmann, Head of CSR and Sustainable Finance, der Börsen-Zeitung berichtet. Wann dies bewältigt sein wird, will sie nicht prognostizieren. Den Fußabdruck des Instituts will die Bank erst offenlegen, wenn sie diesen sicher beziffern kann.

Banken analysieren Portfolios

Allerorten durchleuchten Institute hierzulande, von Aufsicht und Regulierung ermutigt, ihre Aktivitäten, um die damit verbundenden Emissionen zu eruieren. Die Kenntnis der Daten ist, zumindest nach Einschätzung der Evangelischen Bank, die Voraussetzung, um eine Klimastrategie festlegen zu können, und entspricht überdies der Klimaselbstverpflichtung des deutschen Finanzwesens, zu deren 16 Unterzeichnern die Evangelische Bank im Sommer vergangenen Jahres zählte.

Die Evangelische Bank geht diese Aufgabe gemäß der privaten, transnationalen Standardreihe Greenhouse Gas Protocol (GHG) an, die drei Kategorien einer Gesellschaft unterscheidet: ihre direkten Emissionen (Scope 1), etwa durch Heizung und Fuhrpark, ihre indirekten Emissionen aus außerhalb erzeugtem und eingekauftem Strom, Dampf, Wärme und Kälte (Scope 2) sowie alle sonstigen indirekten Emissionen etwa aus Herstellung und Transport eingekaufter Güter, Vertrieb eigener Produkte oder der Entsorgung von Abfällen (Scope 3). Dazu zählen auch die Forderungen im Kreditbuch sowie das Anlageportfolio, welche die Kirchenbank wiederum nach den Kriterien der Brancheninitiative Partnership for Carbon Accounting Financials (PCAF) je nach Art des Kredits klassifiziert.

Qualität muss besser werden

Herrmann räumt ein:  „Was mit Scope 3 auf uns zugekommen ist, hätte ich so nicht erwartet. Aber man lernt auch extrem viel.“ So lerne man, in Emissionen zu denken. Jetzt gehe es darum, „die Qualität der Daten sukzessive zu verbessern“. Herrmann: „Das Kreditportfolio stellt uns vor die größten Herausforderungen. Hinzu kommt: Je nachdem, welcher PCAF-Kategorie die Finanzierungen zugeordnet werden, kann es sein, dass andere Datenpunkte benötigt werden.“ Das Problem: Die Bank hat festgestellt, dass mehr als 95% der Scope-3-Emissionen mit dem Anlage- und Kreditportfolio zusammenhängen. „Die Qualität der Daten war und ist schwierig, und wir müssen auch lernen, wie deren systematische Erfassung stattfinden kann“, sagt Herrmann. Im Neugeschäft falle dies dabei leichter als im Bestand. Teils haben Kunden die erforderlichen Daten bereits selbst erfasst, andere hingegen reagieren eher unwirsch, wie Herrmann berichtet. Der damit verbundene Aufwand unterscheide sich je nach Branche. Mit einem Volumen von rund 5 Mrd. Euro nimmt sich das Forderungsportfolio des genossenschaftlichen Instituts, das bis 2050 klimaneutral werden will, dabei deutlich kleiner aus als jenes vieler anderer Banken. Auch sind die Kunden des stark im Sozial- und Gesundheitssektor engagierten und klimastrategisch auf dem Boden der Tatsachen gelandeten Hauses deutlich homogener und in Sachen ESG wohl auch weniger problematisch als etwa im Falle einer Großbank.

„Teilweise heftig“

Die aus mehr als 80 einzelnen Maßnahmen bestehende Klimastrategie, mit der sich die Evangelische Bank zum 1,5-Grad-Ziel bekennt und damit eigenen Angaben zufolge viel weiter geht, „als mögliche regulatorische Anforderungen es vorsehen“, ist das eine, die Debatte um den mit der ESG-Regulierung verbundenen Aufwand das andere. „Die Anforderungen fallen teilweise heftig aus, und die Gefahr einer Überforderung ist da“, sagt Herrmann: „Daher verstehe ich entsprechende Bedenken. Aber ich sehe auch die Notwendigkeit, den Fußabdruck exakt zu erfassen. Denn die Nachhaltigkeitsrisiken sind ja auch für eine Bank real.“ Und letztlich sollten sich die Maßnahmen auch in einem besseren Service für die Kunden niederschlagen, „die in entsprechende Produkte investieren können sollen“.

Sorge, dass die Evangelische Bank schon angesichts der regulatorischen Vorgaben ihrerseits in Verzug geraten könne, habe sie nicht: „Das Verständnis für die Materie macht viel aus. Das haben wir. Und wir hoffen, dass wir vor der Kurve bleiben“, sagt Herrmann.

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