Sustainable Finance

Greenwashing und Fehlberatung gefährden Nachhaltigkeitsziele

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg fordert für die Finanzberatung ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen. Außerdem soll Finanzberatung ausschließlich im Interesse der ratsuchenden Verbraucher erfolgen.

Greenwashing und Fehlberatung gefährden Nachhaltigkeitsziele

Mit dem Sustainable Finance-Aktionsplan und der Taxonomie-Verordnung verfolgt die EU das Ziel, das Finanzsystem zu reformieren. Es soll zukünftig die Umstellung des Wirtschaftsraums hin zu mehr Nachhaltigkeit unterstützen, indem Nachhaltigkeitsaspekte in Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen einfließen sollen. Anleger sollen in die Lage versetzt werden, in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und Technologien zu investieren. Das ist prinzipiell begrüßenswert. Trifft es doch auf die Erwartungen der Verbraucher, durch ihre selbstbestimmten Marktentscheidungen zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels beitragen zu können.

Vollständige Informationen

Wirtschaftlichen Selbstbestimmung von Verbrauchern setzt aber voraus, dass sie über alle für ihre Entscheidungsfindung erforderlichen Informationen vollständig und verlässlich verfügen und dass Anbieter Informationsasymmetrien nicht zum Nachteil der Verbraucher ausnutzen. Beim Kauf nachhaltiger Geldanlagen stehen Verbraucher vor einem Informationsproblem, das gleich auf drei unterschiedlichen Ebenen besteht. Zunächst ist Nachhaltigkeit eine Vertrauenseigenschaft, dann sind Geldanlageprodukte und die Vermittlung derselben im Rahmen einer Finanzberatung Vertrauensgüter. Die Geldanlageentscheidung findet auf allen drei Ebenen unter Informationsasymmetrie statt. Im Folgenden werden die sich daraus ergebenden Herausforderungen aus Perspektive der Anleger beschrieben und die Voraussetzungen für eine Lösung skizziert, damit über den Markt Angebot und Nachfrage so koordiniert werden, dass die Sustainable-Finance-Strategie gelingen kann.

Eine notwendige Voraussetzung ist, dass Irreführung insbesondere durch Greenwashing unterbunden ist und dass dem berechtigten Verständnis der Verbraucher von dem, was als nachhaltige Technologie anzusehen ist, entsprochen wird. Sonst werden Verbraucher an der Möglichkeit zweifeln, durch ihre Anlageentscheidung einen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen leisten zu können. Aus unserer Verbraucherberatung haben wir die Erkenntnis gewonnen, dass Greenwashing bei Geldanlagen an der Tagesordnung ist. Deshalb gehen wir rechtlich gegen irreführende Praktiken vor. Ferner betrachten Verbraucher, die Geld nachhaltig anlegen wollen, Atomkraft und fossiles Gas überwiegend nicht als nachhaltig, anders als die Klassifizierung nach EU-Taxonomie. Die Abweichung des Gesetzgebers vom Verständnis der Verbraucher leistet aber, ebenso wie Greenwashing, einem rationalen Desinteresse an als nachhaltig be­worbenen Geldanlagen Vorschub.

Greenwashing ist bei Geldanlagen vor allem deshalb weit verbreitet, weil Nachhaltigkeit eine Vertrauenseigenschaft ist. Einer Geldanlage ist ihr Nachhaltigkeitsaspekt weder vor dem Kauf noch nach dem Kauf tatsächlich anzusehen. Verbraucher sind daher auf zusätzliche Informationen über den Nachhaltigkeitsaspekt einer Geldanlage angewiesen. Diese zusätzlichen Informationen müssen zugleich verlässlich sein. In­formationen von Anbietern sind bei Vertrauenseigenschaften per se keine verlässliche Informationsgrundlage, da sie von Verbrauchern nicht verifiziert werden können.

Verlässlich sind Informationen dann, wenn sie von einer dritten Instanz zur Verfügung gestellt werden, die einen Einblick in die „Produktion“ der Geldanlage besitzt und diesen Einblick jederzeit auch gegen den Willen des Anbieters durchsetzen kann. Den Einblick in den Produktionsprozess kann eine dritte Instanz nur dann durchsetzen, wenn sie gesetzlich dazu befugt ist. Weder Ratingagenturen, noch Träger von Gütezeichen besitzen diese Befugnis. Damit stehen Verbrauchern derzeit keine verlässlichen Informationen zur Nachhaltigkeit einer Geldanlage zur Verfügung.

Das zweite Informationsproblem besteht in der Geldanlage selbst: Es handelt sich auch hier um Produkte mit Vertrauenseigenschaften. Mit dem Erwerb einer Geldanlage verfolgen Verbraucher ein bestimmtes Ziel, beispielsweise eine ihren Lebensstandard sichernde Altersvorsorge. Ob damit das Anlageziel erreicht wird, ist der Geldanlage weder vor noch nach dem Kauf anzusehen. Wird das Anlageziel verfehlt, ist für Verbraucher nicht erkennbar, inwiefern dies an den vom Anbieter gesetzten Eigenschaften der Geldanlage oder an äußeren Umständen liegt.

Qualität ist nicht erkennbar

Die Herausforderung der Geldanlageentscheidung aufgrund der Komplexität der Finanzmärkte eröffnet das Geschäftsfeld der gewerblichen Finanzberatung. Hierin liegt das dritte Informationsproblem. Auch deren Qualität ist für Verbraucher nicht erkennbar. So ist etwa bei einer Verfehlung des Anlageziels nicht zuschreibbar, inwiefern diese auf die Tätigkeit des Finanzberaters, seine mangelnde Qualifikation oder seine Gewinnerzielungsabsicht zu­rückgeht oder auf äußere Umstände. Diese Situation eröffnet den Finanzberatern Raum für opportunistisches Verhalten. Der gewünschten Nachhaltigkeitseigenschaft können sie bereits dadurch entsprechen, indem sie Geldanlagen vermitteln, die derartige Eigenschaften lediglich be­haupten.

Dem Informationsproblem auf den drei Ebenen können Verbraucher nicht entgehen. Weder private Garantien oder Ausbildungszertifikate noch private Gütesiegel überwinden das Informationsproblem, sie ersetzen es lediglich durch ein anderes. Unsere Beratungserfahrung belegt, und dies seit vielen Jahren und trotz diverser regulatorischer Veränderungen, dass Anbieter die bestehende Informationsasymmetrie auf allen drei Ebenen ausnutzen und dadurch Verbraucher übervorteilen.

Damit die Sustainable-Finance-Strategie ihr Ziel erreichen kann, sind im Wesentlichen zwei Maßnahmen umzusetzen. Erstens ist ein gesetzliches Kennzeichnungssystem für nachhaltige Geldanlagen einzuführen, dass die Zuverlässigkeit aller Informationen garantiert. Dazu ge­hört auch eine hoheitliche Kontrolle. Zweitens ist Finanzberatung ist so zu regulieren, dass sie ausschließlich im Interesse der ratsuchenden Verbraucher erfolgt und sich an deren Bedürfnissen ausrichtet. Beide Maßnahmen sind zwingend, damit die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Verbraucher gewährleistet ist und diese durch Geldanlage ihren Beitrag leisten können zur politisch angestrebten Transformation des Wirtschaftsraums.