Spac-Listing

Grüne Neobank Aspiration segelt hart am Wind

Die grüne US-Neobank Aspriation will sich über eine Special Purpose Acquisition Company (Spac) an der Börse listen lassen. 2021 machte das Unternehmen bei 101 Mill. Dollar Erlösen einen Verlust (bereinigtes Ebitda) von 120 Mill. Dollar.

Grüne Neobank Aspiration segelt hart am Wind

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Unglaublich, aber wahr: Mit Aspiration geht einer der Pioniere grüner Neobanken tatsächlich in ein Spac-Listing und hat dabei die Chuzpe, den Investoren eine Kennziffer-Eigenkreation namens „Adjusted Ebitdam“ zu präsentieren. Und das „m“ im bereinigten Ebitda steht für Marketingkosten, die man gerne beim Erfolgsausweis ausklammern möchte. Wobei es allerdings so ist, dass der Marketingaufwand einen nicht unerheblichen Posten in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung ausmacht: Während man im Oktober in einer Präsentation den Ebitdam-Gewinn auf 0,53 Mill. Dollar für 2021 schätzte, ergibt sich mit Einbezug der Marketingkosten ein Nettoverlust von 144 Mill. Dollar.

Das heißt übersetzt, dass die Gesellschaft ganz erheblich Cash verbrennt, was ja keine Schande ist und bislang auch von den Investoren grundsätzlich akzeptiert wurde. Allerdings hat der Wind gedreht und es ist inzwischen mehr Disziplin beim Einsatz von Risikokapital gefordert. Vor diesem Hintergrund dürfte auch das seit August 2021 angestrebte Spac-Listing unter Nachverhandlungen über die Bewertung leiden. Im Merger mit der Blankoscheck-Firma  „Interprivate III Financial Partners“ wurde eine Post-Money-Bewertung von 2,3 Mrd. Dollar festgeschrieben bei einem Mittelzufluss von 412 Mill. Dollar für 23% der Aspiration-Anteile. Das Geschäftsjahr 2021 schloss Aspiration bei Erlösen von 101 Mill. Dollar mit einem Verlust beim bereinigten Ebitda von 120 Mill. Dollar ab – wobei die Marketingausgaben 118 Mill. Dollar betrugen.

Da die Regeln für Spac-Listings mittlerweile verschärft wurden, hängt das Aspiration-Listing inzwischen in der Luft, so wie viele andere. Das Management um Co-Gründer und CEO Andrei Cherny war aber klug und besorgte sich im Dezember 315 Mill. Dollar von Oaktree und Vehikeln des Ex-Microsoft-Chefs Steve Ballmer. Die Verbindung zu Ballmer scheint eine ganz besondere zu sein, ist Aspiration doch eine erhebliche finanzielle Verpflichtung eingegangen, die Ballmer entgegenkommt: Denn Ende September gab Aspiration bekannt, dass man für 300 Mill. Dollar Arena-Sponsor der Los Angeles Clippers wird, wobei die Summe Berichten zufolge über 23 Jahre läuft. Und das, wo Aspiration bis dahin Pitchbook zufolge erst 450 Mill. Dollar an Kapital aufgenommen hatte. Ballmer ist seit 2014 Besitzer der Clippers, die sich sportlich gemausert haben und nun für 1,2 Mrd. Dollar mit dem „Intuit Dome“ eine neue Spielstätte erhalten sollen an der sich das Fintech nicht unerheblich beteiligt – und der Software-Milliardär beteiligt sich an der Zwischenfinanzierung von Aspiration, womit dann eine Hand die andere gewaschen hat.

Aspiration kann sich nun als Ökologie-Spezialist einbringen und die Clippers-Arena 100% kohlenstofffrei ge­stalten. Das ist ja auch die eigentliche Mission der wohl ersten grünen Neobank, die 2015 an den Start ging und seitdem lautstark für sich und ihre Mission wirbt. Die Botschaft hat auch bei einigen Promis verfangen: Neben Leonardo Di Caprio investierten auch Orlando Bloom, Drake und Robert Downey Jr. – die gut betuchte Hollywood-Liga gibt gerne Dollars in frühen Tech-Runden. Das ist gut fürs Image und dann hoffentlich auch fürs eigene Portemonnaie. Und ein auf die breite Masse zielendes Fintech wie Aspiration bekommt öffentliche Aufmerksamkeit über Investoren, die als Testimonials fungieren.

Jeder Baum dauert

Allerdings sollte Aspiration bei ihrem Anspruch an Nachhaltigkeit auch darauf achten, Versprechen einzuhalten und Investoren nicht an der Nase herumzuführen. Denn wie eine Recherche von „Propublica“ ergab, war man bei den Angaben zu ge­pflanzten Bäumen – eine über die Kreditkarte gesteuerte Kompensationsmaßname – zu optimistisch, um es mal euphemistisch auszudrücken. Die Recherche ergab, dass innerhalb von zwölf Monaten nicht wie angegeben 35 Millionen, sondern bislang 12 Millionen Bäume in den Boden gesetzt wurden. „Jeden Tag“ würden neue gepflanzt, so der CEO, der nachschob, dass es 18 Monate dauern könnte, bis die 30 Millionen Bäume von Partnern gepflanzt seien.

Solche Pflanzprogramme haben einen gewissen Vorlauf. Nur ist es so, dass die Aspiration-Nutzer mit ihren Beiträgen (ausgelöst durch Transaktionen) für ein Frontloading bei der Finanzierung solcher Programme sorgen und da könnte es für Enttäuschung sorgen, wenn nicht vernünftig über den Zeithorizont für die Umsetzung des Baumprogramms kommuniziert wird. Da sich solche Angaben in SEC-Prospekten wiederfinden, könnte es sich auch um Prospektbetrug handeln – Greenwashing-Vorwürfe werden öffentlich bereits erhoben.

Hinzu kommt, dass der Aspiration-eigene Investmentfonds „Propublica“ wohl nicht wie angegeben zu 100% emissionsfrei investiert ist. Das ist ein heikles Thema, bei dem der Begriff Greenwashing natürlich sofort auf der Agenda steht. Denn zu den Portfoliowerten zählen South­west Airlines und MSA Safety, die Sicherheitsausrüstung an die Öl- und Gasindustrie verkauft. Aspiration verteidigt sich, man verfüge für seinen „Redwood“-Fonds über eine Zertifizierung der schon seit Jahren aktiven Non-Profit-Initiative „As You Sow“. Das sei der Goldstandard. Und da es Abgrenzungsprobleme bei der Festlegung von ESG-Schwellenwerten gibt, sollten ein paar Ausreißer nicht für zu viel Aufregung sorgen.

Sünden-Register

Die Liste der Sünden ist da aber noch nicht am Ende: In echter Neobanken-Tradition wurde die „Mitgliederzahl“ im Spac-Prospekt auf 5 Millionen beziffert. Es stellte sich je­doch heraus, dass jeder als Kunde/Mitglied gezählt wird, der in Vorbereitung einer Kontoeröffnung den Geschäftsbedingungen zugestimmt hat. Zur Jahresmitte hatte Aspiration aber erst 0,6 Millionen aktive Kunden, die Konten, Depots und Kreditkarten nutzen – das Gros der Einnahmen generiert das Fintech aus B2B-Diensten, die sich gut zu entwickeln scheinen. Zukünftig dürften Investoren aber auf Kennziffern wie „Umsatz pro Kunden“ bestehen sowie mehr darüber wissen wollen, wie es ge­lingt, aus der Interessenten-Pipeline zahlende Kunden zu machen.

Bei Al Gore gelernt

Der Spin bei Aspiration scheint vor allem das Werk von CEO Cherny zu sein. Der hatte das Fintech aus Los Angeles anfangs als ein „Merrill Lynch mit einem Gewissen“ vermarket, um zu zeigen, worum es geht: Aspiration schreitet als grünes Fintech voran und bringt umweltbewusstes Investment zu den Retailmassen – wobei Merrill Lynch ja ein Wertpapierhändler ohne Konsumentengeschäft war, der für seine harten Finanzwetten bekannt war. Aber was soll’s, Aufmerksamkeit bekommt man schon für die Verwendung solcher Schlagworte. Dieses Geschäft hatte Cherny schon in seinem letzten Harvard-Jahr gelernt, als er Redenschreiber für den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton wurde. Kaum hatte er das Diplom in der Tasche, wurde er „senior speech writer“ für Al Gore – der brachte ihn wohl auf das Thema Klimawandel. Später war Cherny dann noch auf dem demokratischen Ticket assistierend für die heutige Senatorin Elizabeth Warren tätig beim Aufbau des Consumer Financial Protection Bureau.

Zuletzt erschienen:

„Größtes Wachstum in den USA“ (2. August)

„Botschaft an die große Masse bringen“ (29. Juli)

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.