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Tiefe Krater bei den Genossen­schafts­banken

Die schnellen Zinsschritte der Europäischen Zentralbank sorgen bei den Kreditgenossen für Abschreibungen in Milliardenhöhe. Diese werden indes in den nächsten Jahren durch Zuschreibungen wieder aufgeholt.

Tiefe Krater bei den Genossen­schafts­banken

sto Frankfurt

Die abrupte Zinswende der Europäischen Zentralbank hat bei den Genossenschaftsbanken tiefe Krater bei den Eigenanlagen hinterlassen. Wie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) bei seiner Jahrespressekonferenz am Dienstag in Frankfurt mitteilte, gab es im vergangenen Jahr auf Zinspapiere Abschreibungen in Höhe von 5,8 Mrd. Euro. Zum Abmildern des Effekts nutzen die 737 Institute Vorsorgereserven in Höhe von 1,9 Mrd. Euro. Dennoch ging das Ergebnis vor Steuern nach dem hohen Niveau des Vorjahres deutlich zurück auf 4,4 (i. V. 7,7) Mrd. Euro.

Inklusive einer moderat gestiegenen Risikovorsorge für faule Kredite von 581 Mill. Euro fiel das Bewertungsergebnis durch die hohen Abschreibungen bei den eigenen Wertpapieren von −17 Mill. Euro auf −4,4 Mrd. Euro. „In den nächsten drei bis vier Jahren werden diese Abschreibungen in der Masse wieder durch Zuschreibungen zurückgeholt, da die Genossenschaftsbanken die Papiere fast immer bis zum Ende der Laufzeit halten“, unterstrich BVR-Vorstand Daniel Quinten.

Mit Blick auf den Bestand der Vorsorgereserven versicherte Quinten, dass dieser Vorsorgeposten weiterhin gut gefüllt sei. Erst vor wenigen Wochen hatte dagegen der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Mark Branson, davor gewarnt, dass die Zinswende bei den kleineren Banken die Reserven erschöpfen könnte (vgl. BZ vom 23. Januar). Allerdings hatten die blühenden Kapitalmärkte der Vorjahre den Banken auch hübsche Gewinne auf ihre Eigenanlagen beschert, so dass die stillen Reserven in den Vorjahren gut aufgefüllt worden waren. Trotz des Ergebnisrückgangs leisteten sich die Genossenschaftsbanken 2022 nach vorläufigen Zahlen auch eine Zuführung in den Fonds für allgemeine Bankrisiken in Höhe von 930 Mill. Euro. Da dies aber deutlich weniger als die 4,1 Mrd. Euro aus 2021 war, fiel der Jahresüberschuss mit 2,2 (1,6) Mrd. Euro sogar besser aus.

Operativ geht es aufwärts

Im operativen Geschäft dagegen kam die Zinswende den Volks-, Raiffeisen-, Sparda- und PSD-Banken sichtbar zugute. Der Zinsüberschuss legte um 8,2 % auf 17,7 Mrd. Euro zu. Die Zinsspanne verbesserte sich von 1,47 auf 1,52 % der durchschnittlichen Bilanzsumme. Der Provisionsüberschuss stieg um 2,1 % auf 6,3 Mrd. Euro.

Das Kreditwachstum schwächte sich nach dem Rekordtempo des Vorjahres durch die nun rückläufigen Neugeschäftsvolumina im Immobilienbereich leicht auf ein Plus von 6,5 % ab. Das Volumen erreichte 757 Mrd. Euro. Die Einlagen wuchsen mit 3,4 % auf 861 Mrd. Euro langsamer als in den Vorjahren. Tarifliche Einmalzahlungen, höhere Pensionsrückstellungen und Inflation trieben die Kosten um 3,7 % auf 15,8 Mrd. Euro. „Im operativen Geschäft haben die Genossenschaftsbanken ihre Kraft erneut unter Beweis gestellt“, zeigte sich BVR-Präsidentin Marija Kolak nach einem „Jahr unter realen Stresstestbedingungen“ zufrieden. Während sie allgemein ein langsam steigendes Zinsniveau begrüßte, das nach der langen Phase der Niedrigzinsen langsam die Ertragslage der Banken wieder normalisiert, warnte sie vor abrupten Schritten wie im vergangenen Jahr. Solche Maßnahmen führten zu entsprechenden Verwerfungen bei Anleihen und damit zu Marktwertverlusten bei den Eigenanlagen der Banken.

Die Zahl der Fusionen schwächste sich leicht von 42 auf 35 ab, so dass per Jahresende 737 Genossenschaftsbanken übrig blieben. Die durchschnittliche Bilanzsumme stieg infolgedessen um 7,5 % auf rund 1,6 Mrd. Euro.

Nachdem die Genossenschaftsbanken vor allem in den Jahren 2010 bis 2018 viele neue Mitglieder für sich hatten gewinnen können, war die Zahl im vergangenen Jahr erneut durch die demografische Entwicklung rückläufig. 17,9 (18,2) Millionen Menschen haben Genossenschaftsanteile, zehn Jahre zuvor waren es 17,3 Millionen gewesen. „Die Gewinnung neuer Mitglieder hat eine hohe Priorität“, sagte der zur Jahresmitte scheidende Vorstand Andreas Martin. Man wolle insbesondere für Jüngere attraktiv werden durch eine bundesweite Kampagne. Um das Zeichnen einfacher zu machen, soll es zur Jahresmitte im Online-Banking und in der VR-Banking-App eine digitale Lösung zum Erwerb von Geschäftsanteilen geben.

Der BVR bereitet gerade eine Reform der Sicherungseinrichtung vor, die vor allem die internen Prozesse zur Risikoerkennung verbessern soll und die Mitgliedsbeiträge stärker nach Risiken staffelt. Bei der am 15. Juni anstehenden Mitgliederversammlung in Berlin sollen die Primärbanken den Änderungen zustimmen. „Die Veränderungen sind evolutionär, wir passen die Regelwerke regelmäßig an“, so Quinten, der in den kommenden Wochen für das Vorhaben bei den Häusern werben soll. Vor zehn Jahren seien letztmalig die Variablen für die Staffelung der Beiträge geändert worden, nun seien Anpassungen an die neue Lage nötig.

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