US-Banken

US-Banken betreiben Erwartungs­management

Die jüngsten Kursgewinne der US-Banken schüren den Eindruck, dass der Sektor schon über den Berg sei. Tatsächlich dürfte es sich jedoch vor allem um die Folge einer geschickten Kommunikation handeln.

US-Banken betreiben Erwartungs­management

Mit Goldman Sachs hat die letzte der fünf großen Wall-Street-Banken Quartalszahlen berichtet. Der Einbruch im Beratungsgeschäft und die wenn auch verlangsamte Talfahrt des Assetmanagements bescherten dem Geldhaus einen Gewinneinbruch von mehr als 40%. Schön sieht anders aus – und trotzdem honorierten die Anleger die Zahlen mit kräftigen Kursaufschlägen. Wie zuvor schon J.P. Morgan Chase, Citigroup und auch die Bank of America konnten die in den vergangenen Monaten schwer unter Druck geratenen Aktien von Goldman Sachs im Handelsverlauf einigen Boden gutmachen.

Auch wenn es Goldman Sachs gelungen ist, mit der Vorstellung der in Teilen schon an die US-Presse durchgestochenen organisatorischen Neuausrichtung die eher unerfreuliche Geschäftsentwicklung ein bisschen aus dem Fokus zu nehmen, stellt sich die Frage, woher die Zuversicht rührt, mit der die Investoren die Goldman-Aktie ordern. Angesichts der weiterhin offenen Frage, wie weit die US-Notenbank noch an der Zinsschraube drehen muss, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen, ist es eine gewagte Wette, auf eine Erholung des für Goldman Sachs so wichtigen Beratungsgeschäfts zu setzen. Auch die Neuorganisation, mit der das Institut die Geschäftsbereiche enger verzahnen und die Erlöse pro Kundenbeziehung erhöhen will, verspricht keineswegs eine schnelle Wendung zum Besseren. Die Eingliederung des Retail-Banking-Angebots Marcus in die Privatkundensparte lässt sich auch als Signal dafür lesen, dass die ehrgeizigen Ziele, mit denen Konzernchef David Solomon einst die Ertragsbasis des Geldhauses verbreitern wollte, nicht erreichbar waren.

Der Versuch, die steigenden Aktienkurse von Goldman Sachs und den anderen US-Großbanken mit der Hoffnung auf eine fundamentale Erholung zu erklären, geht daneben. Tatsächlich dürfte es sich vielmehr um das Ergebnis einer geschickten Kommunikation mit den Analysten und anderen Marktteilnehmern handeln. Bereits im vergangenen Jahr, als die Erlöse im M&A-Geschäft noch sprudelten und viele Marktteilnehmer den globalen Anstieg der Inflation noch als kurzfristiges Phänomen infolge der Lieferkettenengpässe ansahen, gaben sich Vorstände und Investor-Relations-Abteilungen der meisten US-Banken regelrecht Mühe, die Zukunft schwarzzumalen. Dass sich diese Form des negativen Erwartungsmanagements auszahlt, zeigt der Vergleich mit Morgan Stanley. Nachdem das Institut vor einem Jahr die Konkurrenten hatte alt aussehen lassen, trauten die Analysten ihm diesmal schlicht zu viel zu – und die enttäuschende Kursentwicklung war so gut wie programmiert.

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