Geldpolitik

EZB steckt in der Zwickmühle

Inmitten des Ukraine-Kriegs muss die EZB über ihren weiteren Kurs entscheiden. Das Dilemma ist groß: Die ohnehin rekordhohe Inflation steigt und steigt, aber die Konjunktursorgen nehmen zu.

EZB steckt in der Zwickmühle

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Eigentlich schien die Dramaturgie für die Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag vorgezeichnet: Nachdem die Euro-Hüter nach langem Zaudern Anfang Februar einen be­sorgteren Ton zur rekordhohen Inflation im Euroraum angeschlagen und eine raschere Normalisierung ihrer Geldpolitik avisiert hatten, galt es fast als ausgemacht, dass jetzt konkretere Ankündigungen folgen sollten. Der Ausbruch des Ukraine-Kriegs aber hat auch für die EZB nahezu alles verändert. Die Unsicherheit ist enorm und sie könnte die EZB-Granden dazu veranlassen, zunächst einmal auf Zeit zu spielen.

Vor der Eskalation in der Ukraine hatte es so ausgesehen, als könnte der EZB-Rat um Notenbankchefin Christine Lagarde nach dem avisierten Ende des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP im März bereits im dritten Quartal auch das parallele Anleihekaufprogramm APP beenden. Das hätte die Tür für eine erste Zinserhöhung geöffnet – womöglich noch 2022. Über den Zeitpunkt hätte demnach im Sommer entschieden werden können. Nun könnte sich der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik verzögern.

Allen voran das einflussreiche EZB-Ratsmitglied Olli Rehn sagte diese Woche, dass sich die EZB Zeit nehmen solle, um die Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine richtig einzuschätzen, bevor sie ihre Unterstützung für die Wirtschaft der Eurozone aus der Pandemie-Ära beende. Und selbst ein Hardliner wie Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann hat signalisiert, dass der Exit später kommen könnte. An den Finanzmärkten wird inzwischen für dieses Jahr keine EZB-Zinserhöhung mehr erwartet. Vor wenigen Tagen waren sogar noch zwei Zinsschritte eingepreist.

Die EZB steht aber vor einem enormen Dilemma: Zwar drohen einerseits durch den Krieg spürbare negative Folgen für die Euro-Wirtschaft, die gerade begonnen hatte, sich von der Omikron-Coronawelle zu erholen. Das spricht für einen vorsichtigeren geldpolitischen Kurs. Andererseits dürfte die Eskalation aber auch die rekordhohe Inflation weiter befeuern. Im Februar ist die Teuerungsrate bereits auf das absolute Rekordniveau von 5,8% geklettert. Bereits im März könnte nun die 6-Prozent-Marke geknackt werden. Das spricht dafür, die Geldpolitik zu normalisieren, auch um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern.

„Wir müssen die Normalisierung unserer Geldpolitik im Blick behalten“, mahnte denn auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel diese Woche. Zugleich sagte er, dass sich die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaftsentwicklung für Deutschland – und damit letztlich auch für den Euroraum – aber noch nicht verlässlich abschätzen ließe.

Eine erste EZB-Einschätzung zu den Folgen gibt es ebenfalls am Donnerstag: Dann legen die EZB-Volkswirte neue Projektionen für Wachstum und Inflation bis 2024 vor. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte nun, dass der übliche zeitliche Ablauf beim Erstellen der Prognose jetzt eigens so angepasst worden sei, dass auch der Ukraine-Krieg noch berücksichtigt wird – und auch die Rekordinflation von 5,8% im Februar.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.