Energiemärkte

Analysten erwarten höhere Ölpreise

Der Ölpreis ist aktuell bis auf wenig mehr als 82 Dollar zurückgefallen. Die meisten Analysten rechnen aber mit einer deutlichen Erholung bis zum Jahresende hin.

Analysten erwarten höhere Ölpreise

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Der Preis der Ölsorte Brent Crude ist nach dem jüngsten Ausflug über die Marke von 86 Dollar je Barrel wieder auf seinem alten Stand von rund 84 Dollar angekommen. Gleichwohl gehen die meisten Analysten davon aus, dass es in den kommenden Monaten nicht bei dem aktuell niedrigen Stand bleiben wird und dass sich der Ölpreis deutlich erholt.

Zu dem aktuell niedrigen Niveau hat beigetragen, dass die konjunkturelle Erholung in China nach dem Ende der Lockdowns noch an Fahrt gewinnen muss, während sich die Konjunktur in Europa und den USA als weiterhin schwach erweist. Zuletzt war beispielsweise das Wirtschaftswachstum in Deutschland leicht negativ. Gleichzeitig ist es im Februar auch nicht zu der befürchteten Verknappung an russischem Rohöl gekommen. Wie die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“ meldet, hat die Ölproduktion des Landes im Februar gegenüber Vormonat um 2% auf 11,05 Mill. Barrel pro Tag (bpd) zugenommen, obwohl Anfang Februar die zweite Stufe der Sanktionen gegen die Exporte von russischem Rohöl und Ölprodukten seitens der EU und der G7-Staaten in Kraft getreten ist. Teil dieser Sanktionen sind ein Verbot des Transports von russischen Ölprodukten durch Tankschiffe von Firmen aus der EU sowie Preisobergrenzen für die einzelnen Produktegruppen. Russland hat diesen Sanktionen unter anderem dadurch entgegengewirkt, dass sich das Land eine große sogenannte Schattenflotte von geschätzt rund 240 Schiffen zugelegt hat, die russisches Öl transportieren.

Angebot im Fokus

Die Rohstoffanalysten der Commerzbank schreiben derweil, dass auf der derzeit laufenden International Energy Week in London das russische Ölangebot zu den am stärksten diskutierten Themen gehöre. Dabei sei die Lage weiterhin unübersichtlich, betont Analystin Barbara Lambrecht. Sie verweist darauf, dass der russische Pipeline-Betreiber Transneft die Lieferungen nach Polen über die Druschba-Pipeline eingestellt hat, unter Verweis darauf, dass die polnische Seite nicht bezahle. Öllieferungen über Pipelines sind eigentlich von den Sanktionen ausgenommen. Allerdings, so Lambrecht, hätten über die Druschba-Pipeline im Februar noch täglich rund 58000 Barrel nach Polen transportiert werden sollen, was aber ohnehin nur noch die Hälfte der bereits im Januar gesunkenen Mengen gewesen wäre. Es bleibe spannend, ob es sich bei der für März angekündigten Kürzung der russischen Produktion um 500000 bpd um einen kurzen, einen längeren oder einen sich noch auszuweitenden Einschnitt der russischen Ölproduktion handelt. „Grundsätzlich bleiben wir skeptisch für das russische Angebot und halten folglich an unserer Einschätzung fest, dass sich die Lage am Ölmarkt mit der weiteren Belebung der chinesischen Nachfrage spürbar anspannt“, schreibt Lambrecht.

Mehr als 90 Dollar

Gemäß einer aktuellen Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters gehen 49 befragte Ökonomen und Analysten davon aus, dass der Brent-Ölpreis in der zweiten Jahreshälfte über die Marke von 90 Dollar je Barrel klettern wird. Im zweiten Quartal sollen im Durchschnitt der Schätzungen bereits 88,60 Dollar erreicht werden. Für das Gesamtjahr 2023 wird ein Durchschnittspreis für die Sorte Brent von 89,23 Dollar vorausgesagt, was freilich gegenüber der bisherigen Durchschnittsprognose von 90,49 Dollar ein Rückgang ist.

Russell Hardy, CEO des weltgrößten unabhängigen Ölhändlers Vitol Group, rechnet für die zweite Jahreshälfte mit einem Ölpreis von 90 bis 100 Dollar, wobei er auf eine rekordhohe Nachfrage bei einem gleichzeitig begrenzten Angebot verweist. Seiner Meinung nach wird der weltweite Verbrauch 2023 um rund 2,2 Mill. bpd steigen. „In Realität gibt es nicht viel Spielraum auf der Angebotsseite, das Potenzial für eine Rally ist also ohne weiteres gegeben“, sagte er der Agentur Bloomberg.

Die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs gehen nach wie vor davon aus, dass der Brent-Ölpreis im laufenden Jahr 100 Dollar erreicht. Allerdings erwarten sie nun, dass dies erst im Dezember der Fall sein wird. Bisher hatten sie das bereits für die Jahresmitte angenommen. Den Durchschnittspreis für die Sorte im laufenden Jahr veranschlagen sie mit 92 Dollar, bislang waren es 98 Dollar. Ihre im Vergleich zu anderen Banken besonders optimistische Prognose begründen sie damit, dass mit einem starken Anstieg der Treibstoffnachfrage aus China zu rechnen sei, bei einem konstanten Angebot, so dass der Ölmarkt in der zweiten Jahreshälfte ins Defizit falle. Bei der Prognose unterstellt Goldman Sachs, dass die Opec plus ihre Produktion in der zweiten Jahreshälfte um 1 Mill. bpd ausweitet. Sofern das Kartell bei seiner gegenwärtigen Produktionsmenge bleibe, sei im Dezember sogar ein Brent-Ölpreis von 107 Dollar drin mit dem Potenzial, danach weiter zu steigen. Kürzlich hatte der saudi-arabische Energieminister Prinz Abdulaziz bin-Salman betont, die gegenwärtigen Mengenabsprachen würden bis Jahresende beibehalten. Wie andere Häuser auch glauben die Rohstoffexperten von Goldman Sachs daran, dass sich bei Rohöl ein neuer Superzyklus herausbildet, sie sind also auch längerfristig zuversichtlich für den Ölpreis.

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