Nach Krisenjahr

China-Anleger hoffen auf Erholung

Dem schwachen chinesischen Aktienjahrgang 2021 soll nun die Trendwende folgen. Der Optimismus der Marktteilnehmer für die kommenden Monate gründet sich vor allem auf verbesserte Bewertungsrelationen.

China-Anleger hoffen auf Erholung

Von Norbert Hellmann, Schanghai

Wenn man ein überraschend unerfreuliches Aktienjahr hinter sich gebracht hat, fällt es nicht schwer, für das neue Jahr auf eine Erholungsbewegung zu setzen. Entsprechend findet sich im Rund der Experten für das Geschehen an Chinas Festlandmärkten und der Hongkonger Börse auch kaum jemand, der es wagt, chinesischen Blue-Chip-Indizes eine fortgesetzte Talfahrt als Basisszenario für das Jahr 2022 vorherzusagen. Genauso schwer ist es allerdings, auf wirklich überzeugende Argumente zu stoßen, die für eine fundamental einigermaßen abgesicherte und damit nachhaltig wirkende Hausse sprechen.

Hausgemachte Probleme

Das Jahr 2021 hat eine wohl von niemandem auch nur annähernd erwartete Performance-Schere zwischen chinesischen Aktienwerten und dem Rest der Welt gebracht. Sie ist überwiegend auf hausgemachte Probleme wie die Verschuldungskrise bei chinesischen Immobilienentwicklern sowie die intransparente Regulierungskampagne der Pekinger Regierung im Internetsektor mit dramatischen Konsequenzen für chinesische Techaktien zurückzuführen. Zudem verstörte die konjunkturpolitische Linie der chinesischen Regierung die Anleger.

Während pandemische Stimulus-Aktionen in den USA und Europa die Marktteilnehmer in spekulative Laune versetzten haben, sind China-Investoren in Deckung gegangen, weil sich Peking trotz sichtbarer Konjunkturerschlaffung in der zweiten Jahreshälfte mit fiskalischen und geldpolitischen Stimuli völlig zurückhielt. Das soll nun anders werden. Seitens der Regierung werden fiskalische Impulse durch Steuererleichterungen und Sondermaßnahmen für kleine und mittlere Unternehmen versprochen. Chinas Zentralbank wiederum hat bereits diskrete Lockerungsbereitschaft signalisiert und die Mindestreservevorgabe zurückgeschraubt, scheut sich aber noch, an der Zinsschraube zu drehen.

Schwung durch Geldpolitik

Für die stark auf geldpolitische Impulse fixierten chinesischen Investoren bedeutet dies allerdings noch lange nicht die Erfüllung ihrer Wünsche. Letztlich dürften die Stimuli zwar ausreichen, um den Konjunkturabschwung zu kontern, nicht aber zwangsläufig den Drang nach Risikoaktiva neu entfachen. Dennoch vertrauen Analysten darauf, dass dies ausreicht, um mehr Schwung in den Markt für sogenannte A-Aktien auf dem Festland zu bringen. Zum einen, weil dort zahlreiche Mid und Small Caps notieren, die von staatlichen Stützungsmaßnahmen im KMU-Sektor profitieren dürften, um auf mehr Wachstumsumdrehungen zukommen. Zum anderen, weil die günstigen Bewertungsrelationen für chinesische Blue Chips zum Wiedereinstieg einladen und insbesondere auch ausländische institutionelle Investoren interessieren dürften.

Nachdem der Blue Chip-Index CSI 300 für die Börsen in Schanghai und Shenzhen im vergangenen Jahr um 7% abgerutscht ist, erwarten die China-Analysten bei Goldman Sachs, dass der Korrekturmodus ein Ende findet und eine Erholung an breiterer Front ansteht. Allerdings wird darauf verwiesen, dass nicht fundamentale Wachstumsaussichten, sondern verbesserte Bewertungsrelationen, sprich aufstrebende Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) zum bestimmenden Kurstreiber werden.

Goldman setzt ein Prognoseziel für den CSI 300 bei 5500 Punkten, was einer Jahresperformance von etwa 11% entsprechen würde. Bei Morgan Stanley hingegen geht man davon aus, dass Blue Chips zumindest im ersten Quartal einem weiteren Abwärtsdruck ausgesetzt sein könnten. Es ist also noch zu früh für Bullenstimmung auf breiterem Index-Level. Dies wird auch mit einem vorsichtigen Jahresziel für 2022 bei 5250 Punkten entsprechend einem Plus von 6% reflektiert.

Während der CSI 300 in den ersten Handelstagen des neuen Jahres eine leichte Einbuße um 1,5% verzeichnete, ist der im vergangenen Jahr stark gequälte Hongkonger Markt besser in Schwung gekommen. Dort haben insbesondere große Techwerte wie Alibaba, JD.com, Meituan und Tencent einen flotten Jahresstart erwischt und den Hang-Seng-Tech-Index um immerhin 5% anspringen lassen. Nachdem das Barometer im vergangenen Jahr um knapp 35% abstürzte, steht der Aufholrally allerdings noch ein weiter Weg bevor.

Gefahr aus den USA

Zur Freude der Marktteilnehmer stehen aber nicht nur die Techaktien, sondern auch der Hongkonger Leitindex Hang Seng nach den ersten Handelstagen bereits 5% im Plus. Auch hier sehen die Analysten niedrige Bewertungsrelationen als wichtigsten Faktor für eine kräftigere Erholung, nachdem man im vergangenen Jahr eine Einbuße um knapp 15% und damit die weltweit schlechteste Performance führender Aktienbörsen sah. Allerdings ist der im Vergleich zum Festland vom US-Geschehen stärker beeinflusste Hongkonger Markt auch dem Risiko ausgesetzt, dass die anstehende Zinswende in den USA das Sentiment trübt.