Holger Mertens

„Das Schlimmste liegt hinter uns“

Am Anleihemarkt hat in diesem Jahr der Bär getobt. Bei Staatsanleihen liegt nun das Schlimmste hinter uns, sagt Holger Mertens von Nikko Asset Management. In der Eurozone bevorzugt er italienische Staatsanleihen gegenüber Bunds. Risiken sieht er bei Euro-Corporates.

„Das Schlimmste liegt hinter uns“

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Im laufenden Jahr haben nicht allein die Aktienmärkte massive Rückschläge hinnehmen müssen. Im Zuge des massiven Anstiegs der Inflation und der Zinswende der Notenbanken, inklusive der deutlichen Leitzinsanhebungen der Fed, sind auch die Renditen am Anleihemarkt massiv geklettert. Entsprechend gab es vor allem am langen Ende hohe Verluste, die manche Teilnehmer an das Horrorjahr für Anleihen 1994 erinnern. Vor allem hat auch die Europäische Zentralbank (EZB), die durch ihre massiven Anleihekäufe die Renditen für Euro-Staatsanleihen und für Corporates stark gedrückt hat, ihren Kurs diametral geändert.

„Der Anleihemarkt hat derzeit Schwierigkeiten, mit der Datenlage umzugehen“, sagt Holger Mertens, Head Portfolio Manager Global bei Nikko Asset Management in London, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung,. „Insofern ist der Markt extrem volatil. Doch sind die Zinserhöhungen der Notenbanken bereits weitgehend eingepreist.“ Hinzu komme, dass die Konjunktur sich abschwäche. „Wahrscheinlich haben wir im kommenden Jahr schon eine Rezession“, erklärt der Anleiheprofi. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihm Staatsanleihen auf dem aktuellen Renditeniveau durchaus attraktiv. Mertens wörtlich: „Das Schlimmste liegt hinter uns.“

EZB-Put für Peripherie

Von der Währungsseite her präferiert Mertens weiterhin den Dollar. Durch die höheren Zinsen dürften Investoren weiterhin die US-Valuta bevorzugen. „Der Trend eines festen Dollars wird anhalten“, sagt Mertens. Vor diesem Hintergrund seien für einen Anleger aus der Eurozone Engagements in US-Treasuries nach wie vor interessant.

In der Eurozone setzt Mertens weniger auf Bunds als vielmehr auf Anleihen aus der Peripherie. „Denn die Peripherie wird gut unterstützt sein“, erklärt Mertens. „Die Europäische Zentralbank wird bei ihren Reinvestments eher italienische als deutsche Staatsanleihen kaufen. Insgesamt wird die EZB einiges tun, um die Spreads in der Eurozone in Grenzen zu halten.“ An einer Wiederkehr der Eurokrise sei in Europa niemandem gelegen. Und die EZB werde die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

„Die EZB zieht quasi einen Put für die Peripherie ein. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir italienische Staatsanleihen gegenüber Bunds“, sagt Mertens. „Diese bieten nicht zuletzt eine wesentlich höhere laufende Verzinsung als Bundesanleihen.“

Schützende Hand fällt weg

Bei Euro-Unternehmensanleihen rät Mertens hingegen eher zur Vorsicht. „Inzwischen befinden sich rund 20% der Euro-Corporates in den Händen der EZB“, erläutert Mertens. „Aber im dritten Quartal wird die schützende Hand der EZB verschwinden und die Notenbank ihre Käufe von Unternehmensanleihen vermutlich auf Reinvestitionen beschränken.“ Dies sei eine schwierige Situation für den Markt der Euro-Corporates. „Wenn ein signifikanter Spieler in einem Markt nicht mehr zur Verfügung steht, ist das immer schlecht für einen Markt“, erklärt Mertens. Natürlich gebe es immer noch bei Corporates einzelner Unternehmen oder Branchen auch im Euro Gelegenheiten, doch schlage es natürlich auf den Gesamtmarkt durch, dass die massive Unterstützung durch die EZB wegfalle.

Interessanter sei der Markt für Unternehmensanleihen derzeit in den USA in Dollar im Investment-Grade-Bereich. Hier sei der Markt sehr breit und es gebe viele interessante Branchen. „Gelegenheiten ergeben sich bei Energiewerten, Düngemittelproduzenten und auch Banken“, erklärt Mertens. Als Investor müsse man genau hinschauen und sich fragen, welche Sektoren und Unternehmen profitieren dürften. Natürlich stünden sehr zyklische und zinselastische Sektoren unter Druck. Auch der Bereich Real Estate und insbesondere Hybridanleihen seien derzeit eher schwierig.

Deutlich über Geldmarkt

Für Pensionsfonds mit Total-Return-Ansatz seien derzeit Multi-Sector-Credit-Fonds interessant. „Dabei können wir die ganze Bandbreite der Credit-Märkte nutzen“, sagt Mertens. „Aktuell setzen wir dabei auch stark auf Anleihen mit variablem Zins wie CLOs (Credit Loan Obligations).“ Diese Papiere hätten auch ein geringes Kursrisiko. „Unser Ziel ist es, mit Multi-Sector Credit ein stabiles Einkommen von 400 bis 500 Basispunkten über Geldmarkt zu erreichen“, erläutert Mertens. Um das Risiko niedrig zu halten, investiere man dabei in den besicherten Bereich. Bei Investoren sei Multi-Sector Credit aufgrund des Zinsplus und der Total-Return-Ausrichtung sehr beliebt.

„ESG wird auch im Anleihebereich bei institutionellen Investoren immer wichtiger“, erklärt Mertens im Gespräch weiter. „Vor allem gilt es dabei, auf die Governance eines Unternehmens zu schauen.“ Da­durch hätten sich in der Vergangenheit auch einige größere Verluste bei Anleihen vermeiden lassen, Beispiele gebe es dazu mehrere. „Für einige Unternehmen mit schwacher Governance gab es zuletzt deutliche Kurseinbrüche.“ Auch bei den großen Ölkonzernen sieht Mertens mittel- bis langfristig Gefahren: „Ihre guten Ratings könnten in den kommenden Jahren deutlich abrutschen, da ihre Explorationstätigkeiten größere Abschreibungen nach sich ziehen könnten.“

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